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Kiew sägt Fake-News-Kommissarin ab

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Eigentlich für Menschenrechtsbelange eingesetzt, konzentrierte sich Ljudmila Denissowa in ihrer Amtszeit auf Kriegspropanda, Russophobie und Schauermärchen, um die Empörung der breiten Öffentlichkeit zu erheischen. Nun wurde es selbst Selenskij und Konsorten zu bunt.

Kiew. Das ukrainische Parlament sprach Menschenrechtskommissarin Ljudmila Denissowa am vergangenen Mittwoch das Misstrauen aus und enthob sie ihres Amtes. Viele deutschsprachige Nachrichtenportale und Zeitungen haben es elegant vermieden, darüber zu berichten – in der Tat käme es dem Zugeständnis einer Reihe von Falschmeldungen gleich, die von ihr als Kommissarin für Menschenrechte unkritisch übernommen worden sind.

Als Grund für die Amtsenthebung wurde angegeben, dass sich Denissowa in ihrer Arbeit auf Sexualverbrechen konzentriert habe, „die nicht mit Beweisen belegt werden können, der Ukraine schaden und die Weltmedien von den wahren Bedürfnissen der Ukraine ablenken“. Die Abgeordneten beschwerten sich auch über die schlechte Bilanz der Kommissarin bei der Einrichtung humanitärer Korridore, beim Austausch von Kriegsgefangenen sowie über die Tatsache, dass sie sich während der russischen Invasion im „warmen Westeuropa“ aufhielt, „aber nicht in Russland oder Belarus, wo ihr Status und ihre Befugnisse den Gefangenen hätten helfen können“. Was jedoch hat es mit den von der Menschenrechtsbeauftragten kolportierten Aussagen über vermeintliche Sexualverbrechen durch russische Soldaten auf sich?

Frauen, Männer und Kinder vom russischen Militär sexuell genötigt

Bei den Sexualverbrechen handelt es sich um von Denissowa selbst wiedergegebene, vermeintliche Zeugenaussagen von Opfern, die laut Denissowa von Soldaten der Russischen Föderation vergewaltigt oder sexuell genötigt worden seien. Ein Thema, das in jeder Hinsicht eine grausame Problematik in Kriegssituationen an sich darstellt und einer besonderen Sensibilität bedarf, würde man meinen.

Mehr als die Hälfte des ukrainischen Parlaments gelangte jedoch zur Ansicht, dass jegliche Belege für ihre Aussagen fehlten. Auch ein diesbezügliches Statement der Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa bestätigt dies: Wenediktowa gab in einem Interview mit dem Medium Babel an, niemals konkrete Beweise für die vermeintlichen Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen von der Menschenrechtsbeauftragten erhalten zu haben.

Die von Denissowa großflächig gestreuten Horrorszenen wurden indes, objektiv betrachtet, immer absurder. In einem Interview mit dem Medium Blick beantwortete Denissowa beispielsweise die tendenziöse Frage, warum „die Russen systematisch Frauen vergewaltigen“ würden, dahingehend, dass dies Teil des russischen, von Putin ausgedachten Genozids sei:

„Der Hintergrund ist, dass sie es Frauen verunmöglichen wollen, dass sie je wieder Kinder haben können oder wollen. Das ist klarer Völkermord. Die Soldaten stützen sich auf Putins Anweisung, das ganze Land zu zerstören.“

Laut Denissowa würden aber nicht nur Frauen vergewaltigt, sondern auch Männer und Kinder: „Auch Männer und Kinder werden vergewaltigt. Eine Mutter musste, an einen Stuhl gefesselt, mitansehen, wie ihr elfjähriger Bub zehn Stunden lang missbraucht wurde. Ein 45-jähriger Mann überlebte nur knapp, als er sein Versteck verliess, um Wasser zu holen. Sie folterten und vergewaltigten ihn.“

Darüberhinaus wusste Denissowa zu berichten, dass die Täter „immer Masken“ trügen, „zwischen 20 und 25 Jahre alt“ seien und die Vergewaltigungen „immer in der Öffentlichkeit“ stattfänden. In allen Schreckensszenen der Menschenrechtskommissarin wird zudem eine genaue, unglaubwürdig lange Zeitangabe für den sexuellen Missbrauch genannt, um das Publikum noch mehr zu schockieren. Das Interview wurde unhinterfragt in seiner ganzen Inkongruenz veröffentlicht und es war nicht das einzige dieser Art. So einige etablierte Zeitungen gingen Denissowa ohne zu zögern auf den Leim.

Nicht lange nach den kolportierten Meldungen über Pädophilie in der russischen Armee meldeten sich am 12. Mai auch die Vereinten Nationen zu Wort und erhoben Vorwürfe des Kindesmissbrauchs gegen russische Soldaten. Barbara Woodward, Botschafterin von Großbritannien bei der UN, übernahm die Falschmeldung und verbreitete sie ebenfalls weiter: „Es gibt glaubwürdige Behauptungen über sexuelle Gewalt gegen Kinder durch die Streitkräfte Russlands“

Die Russische Föderation dementierte indes wiederholt, dass russische Soldaten während der Invasion Sexualverbrechen begangen hätten. Es ist bezeichnend, wie schnell sich Gerüchte in einer akuten Kriegssituation verbreiten und propagandistisch sofort und ohne zweimal darüber nachzudenken verwertet werden. Das Phänomen nennt sich Kriegspropaganda und das Prozedere der Menschenrechtsbeauftragten erinnert stark an die von Anne Morelli aufgestellten Principes élémentaires de propagande de guerre, insonderheit an die Punkte 1.3: Der Führer des feindlichen Lagers wird dämonisiert; 1.5: Der Feind begeht wissentlich Grausamkeiten, wenn wir Fehler machen, geschieht dies unbeabsichtigt; und nicht zuletzt 1.6: Der Feind benutzt unerlaubte Waffen.

Fakten checken vor deren Veröffentlichung

Letzte Woche unterzeichneten ukrainische Journalistinnen und Journalisten einen offenen Brief, in dem sie forderten, Berichte über Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe „mit Vorsicht zu veröffentlichen“, insbesondere wenn Kinder involviert wären:

„Es ist wichtig zu verstehen, dass Sexualverbrechen während des Krieges ein Instrument des Völkermords darstellen, ein Instrument, um einen Krieg ohne Regeln zu führen, aber sie können nicht als Anschauungsmaterial dienen, um die Gefühle des Publikums anzuheizen.“

Der offene Brief führt unter anderem ein Beispiel einer Aussage Denissowas an, in welcher die Vergewaltigung von erst sechs Monate alten Kindern geschildert wurde. Dabei wurde kritisiert, dass Denissowa Details von Fällen aufgenommen hätte, die nach Ansicht der Journalistinnen und Journalisten in keinster Weise überprüft worden waren. Sie wurde aufgefordert, „die Fakten vor der Veröffentlichung zu checken“ und „nur Informationen zu veröffentlichen, für die es ausreichende Beweise gibt“.

Das Problem, auf das der offene Brief aufmerksam macht, besteht darin, dass Aussagen von Denissowa in ihrem Amt als Menschenrechtskommissarin von den Medien in der Regel als Tatsachen übernommen und veröffentlicht werden. Das liegt einerseits an der unprofessionellen Haltung vieler Journalistinnen und Journalisten, die unbelegte Fakten übernehmen, weil es ihnen auf den Moment hin so opportun erscheint, andererseits an der Notorietät, Bekanntheit und Glaubwürdigkeit der Sprecherin bzw. des von ihr bekleideten Amtes. Anders ausgedrückt: Die Position von Denissowa einerseits und das schaulustige Geifern der westlichen Medien haben uns an einen Punkt geführt, an dem selbst die Meldung, russische Soldaten hätten sich an Katzen, Hunden und anderen Tieren innerhalb der besetzten Gebiete sexuell vergangen, sofort von den Medien übernommen worden wäre, um dem Feind zu schaden. Jede noch so absurde Nachricht wird sofort kolportiert und nach uns die Sintflut!

Wer auf der Strecke bleibt, sind die wahren Opfer des Krieges, die es in der einen oder anderen Form immer geben wird: Bombardierte, verbrannte, totgeschlagene und sexuell missbrauchte Menschen. Wenn man den Fokus der Berichterstattung jedoch auf erfundene Kriegsverbrechen legt, geraten sie automatisch in den Hintergrund, wodurch eine paradoxe Situation entsteht, in der gerade das Berichten über Kriegsverbrechen zur Respektlosigkeit gegenüber den wahren Opfern wird. 

Der Rattenschwanz – das Kartenhaus bricht zusammen

Dies führt uns zum Rattenschwanz, der an Ljudmila Denissowa hängt. Nachdem selbst von ukrainischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern konstatiert wurde, dass die Arbeit von Ljudmila Denissowa, gelinde gesagt, unsorgfältig gemacht wurde, stellt sich folgerichtig die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der übrigen Statements, die seit Ausbruch des Krieges getätigt wurden. Von ihr stammt etwa die Geschichte von Deportationen der ukrainischen Zivilbevölkerung in die Russische Föderation. Es handle sich dabei um nicht weniger als eine Million Menschen (Stand: 5. Mai 2022), die während des russisch-ukrainischen Krieges gegen ihren Willen in die Russische Föderation verschleppt worden seien. Einige Tage später schockierte Denissowa die Weltöffentlichkeit mit der Zahl von „1,19 Millionen, darunter mehr als 200.000 Kinder“, die man deportiert hätte. Das US-Kriegsministerium übernahm die Geschichte rasch und Pentagon-Sprecher John Kirby sprach schon von „Lagern“ für Ukrainerinnen und Ukrainer:

„Ich kann nicht sagen, wie viele Lager es gibt oder wie sie aussehen. Aber wir haben Hinweise darauf, dass Ukrainer gegen ihren Willen nach Russland gebracht werden“.

Kirby bezeichnete das Vorgehen russischer Soldaten in diesem Kontext als „skrupellos“. Die Hinweise stützten sich, das erübrigt sich hinzuzufügen, auf niemand anderen als die Menschenrechtsbeauftragte Ljudmila Denissowa. Sie ist es auch, die über die Beweggründe der Russischen Föderation ganz genau Bescheid zu wissen glaubte: Die Deportierten würden nämlich „in ganz Russland verteilt – vor allem in arme Regionen, um da zu helfen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen.“ Absurd? Aber so steht es geschrieben.

Das Narrativ von der zwangsweisen Deportation half dabei, die Russische Föderation in einem noch schlechteren Licht darzustellen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkerrechtsbruch mit ins Spiel zu bringen, da die vierte Genfer Konvention die zwangsweise Umsiedlung von Zivilistinnen und Zivilisten aus besetzten Gebieten verbietet. Aber auch für solcherlei Vorwürfe braucht es letztlich konkrete Beweise, die sich westliche Medien in Zukunft mal lieber nicht von Ljudmila Denissowa liefern lassen sollten.

Wofür sie eigentlich dagewesen wäre

Denissowa, das sollte man wissen, ist nicht nur formales Mitglied, sondern auch Gründungsmitglied der ultrarechten, ukrainisch-nationalistischen Partei Narodnij Front, zu Deutsch: Volksfront. Im Zuge der faschistoiden Euromaidan-Aufmärsche und des daraufhin erfolgten Putschs wurde Denissowa zur Sozialministerin im Jazenjuk-Kabinett ernannt. Nach vier Jahren des Bürgerkrieges, der Bombardements und der Kriegsverbrechen im Donbass, stieg Denissowa am 15. März 2018 zur Menschenrechtskommissarin auf. Auf diesem Posten übersah sie konsequent vier weitere Jahre des Massakers an der Zivilbevölkerung in Donezk und Lugansk. Eine Aufklärung der Verbrechen in der Stadt Odessa, in der mindestens 42 Menschen im Zuge des faschistischen Pogroms totgeschlagen und verbrannt und 200 Menschen verletzt wurden, dürfte auf der Agenda einer Menschenrechtsbeauftragten auch nicht fehlen. Tatsächlich war dem aber nicht so und die Verbrechen rund um das Gewerkschaftshaus in Odessa bleiben weiterhin unter den Teppich gekehrt, die Toten ungesühnt. Seit Anfang des Krieges wurden immer wieder Stimmen und tatsächliche Zeugenberichte über die brutalen Zustände an den ukrainischen Grenzen laut, wo Flüchtlinge nichtweißer Hautfarbe Racial Profiling, Drohungen und Schlägen durch die ukrainischen Grenzsoldaten ausgesetzt sind. Eine Untersuchung im Hinblick auf die dort außer Kraft getretenen Menschenrechte blieb aus. Weiters fehlt immer noch jede Spur der beiden zu Unrecht inhaftierten und gefolterten Kononowitsch-Brüder, zweier Brüder, die wegen ihres sozialen Engagements ins Fadenkreuz der ukrainischen Regierung geraten sind. Jugendorganisationen auf der ganzen Welt, zuletzt auch die Jugendfront an mehreren Gelegenheiten, widmeten den Kononowitsch-Brüdern Solidaritätsaktionen, um auf die eklatanten Zustände aufmerksam zu machen.

Ein Abgeordneter der Präsidentenfraktion Diener des Volkes warf Denissowa zudem Versagen im Zusammenhang mit der Einrichtung humanitärer Korridore und dem Schutz und Austausch von Gefangenen vor und attestierte ihr insgesamt eine „wiederholte Nichterfüllung ihrer Pflichten“.

Ljudmila Denissowa kündigte im Anbetracht dessen an, gegen den Misstrauensantrag des Parlaments Einspruch zu erheben. Auf Facebook schrieb sie: „Ich wurde unter Verstoß gegen die Verfassung, gegen Gesetze der Ukraine und internationale Standards entlassen. Ich werde diese Entscheidung vor Gericht anfechten. Das Gesetz ist für alle gleich.“

Jedoch ist ihr Vorwurf wenig glaubhaft, denn laut westlichen Medienberichten handelt es sich bei der Ukraine bekanntlich um eines der demokratischsten Länder der Welt und überhaupt.

Quellen: rainews / ukrinform / newsweek / babel‘ / Salzburger Nachrichten / Frankfurter Rundschau / Kurier

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