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Italien: Staatlicher Geschichtsrevisionismus

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Ein neuer italienischer Feiertag wurde aus dem Boden gestampft. Gefeiert wird der Opfer- und Heldenmut der Alpini, jedoch geht es dabei um Alpinibrigaden im Faschismus. 

Rom. Der italienische Senat lieferte in der vergangenen Woche eine besonders groteske Aktion. Einstimmig und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verabschiedete er eine Gesetzesvorlage zu einem sogenannten „Tag des Gedenkens und der Opfer der Alpini“, d.h. ein Tag für die italienischen Gebirgsjäger. Im Kriegstaumel und im inzwischen institutionalisierten Hass gegen die Russische Föderation wurde ein besonderer Jahrestag zum Gedenktag ernannt bzw. umgewandelt: Der 26. Jänner. Gemeint ist aber kein anderer Tag als der 26. Jänner 1943.

Die „Helden“ von Nikolajewka

Was geschah am 26. Jänner 1943? Tatsächlich geht es dabei um eine italienische Niederlage im Zweiten Weltkrieg unter der Federführung von Benito Mussolini. Die Niederlage von Nikolajewka bildete den Anfang des verlustreichen Rückzugs der faschistischen Truppen aus einem Land, in dem sie in der Tat nichts zu suchen hatten. Als Teil des deutsch-faschistischen Vernichtungskriegs auf sowjetischem Boden war die italienische Armee, genauso wie ihr deutsches Pendant, für Okkupation, Deportierung und Genozid verantwortlich. Die Alpini-Division Tridentina schaffte es, eine Einkesselung der Roten Armee zu durchbrechen und damit den Fluchtweg aus dem von ihnen selbst okkupierten Land freizumachen. 

Das Gesetz soll „das Andenken an den Heldenmut bewahren, den das Alpini-Armeekorps in der Schlacht von Nikolajewka während des Zweiten Weltkriegs gezeigt hat, sowie die Werte der Verteidigung der Souveränität und der nationalen Interessen fördern“, Werte also, die gerade durch den Einmarsch der faschistischen Truppen in die Sowjetunion mit Füßen getreten wurden. Das Gesetz wurde mit 189 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen – Gegenstimme gab es keine, auch nicht von den drei Senatsmitgliedern der Südtiroler Volkspartei, die ja historisch gesehen eine besonders problematische Erfahrung mit dem italienischen Faschismus gehabt hat. Mit der Glorifizierung der faschistischen Schandtaten wird also die Geschichte offiziell umgekehrt aufgefasst: Anstatt der Roten Armee zu danken, dass sie quasi im Alleingang Europa vom Faschismus befreite, werden mörderische Invasorentruppen zu den Protagonisten verklärt. 

Es braucht also eine geballte Dosis von allseitiger Geschichtsklitterung, Geschichtsvergessenheit, allgemeiner Ignoranz und auch Boshaftigkeit, um ein solches Gesetz zu verabschieden. Man kann und sollte es im Zusammenhang mit dem zurzeit grassierenden Kriegseifer und der heuchlerischen militärischen Heldentodsbeschwörung sehen, die sich gegen alles Russische wendet. Aber man sollte diesen Feiertag auch im größeren Kontext des bürgerlichen Geschichtsrevisionismus betrachten, da das Gesetzesvorhaben bereits 2019, also noch einige Jahre vor dem Beginn des russisch-ukrainischen Kriegs, mir nichts dir nichts von der Abgeordnetenkammer angenommen wurde. Im selben Jahr wurde die unselige Resolution „Bedeutung der Erinnerung an die europäische Vergangenheit für die Zukunft Europas“ vom EU-Parlament angenommen, die gemäß der Totalitarismus-Doktrin eine Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus propagiert.

Unabhängige Historiker, die nicht im Verdacht stehen, kommunistischen Ideen nachzuhängen, stellen sich gegen diesen absurden Feiertag, da er offensichtlich die faschistischen Invasoren im Zweiten Weltkrieg heroisiert, mit dem Argument, dass jeder Einsatz der Alpini in der Sowjetunion dazu geführt hat, dass die Tore von Auschwitz (und aller Konzentrationslager) weiter offenstanden und die Grausamkeiten kein Ende fanden. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Alpini ein geringeres Übel im Zweiten Weltkrieg und im Faschismus darstellten, muss klar festgestellt werden, dass durch ihren Einsatz das systematische Morden weiterging und noch Jahre fortgeführt werden konnte. 

Schluss mit dem staatlichen Geschichtsrevisionismus

Die Kommunistische Jugendfront (Fronte della gioventù comunista – FGC) wendet sich in aller Schärfe gegen diese absurde Form der Geschichtsklitterung: 

„Der Geschichtsrevisionismus erreicht heute den Punkt, der „Heldentaten“ der Achsenmächte während des Zweiten Weltkriegs zu gedenken: Gestern hat der Senat einstimmig die Einführung des „Nationalen Tags des Gedenkens und der Opfer der Alpini“ für den 26. Januar beschlossen.

Das gewählte Datum ist der Jahrestag der Schlacht von Nikolajewka, die während der nazifaschistischen Aggression gegen die Sowjetunion stattfand.

Eine vom Regime gewollte und vom Volk bezahlte Tragödie wird als Heldentat gefeiert und die Kriegsverbrechen, die von den Faschisten in der UdSSR und in vielen anderen Teilen der Welt in jenen Jahren begangen wurden, verharmlost oder geleugnet.

Gerade jetzt, wo sich die Regierung auf einen Krieg vorbereitet und Milliardenbeträge für den Kauf von Rüstungsgütern bereitstellt, kann und darf diese Operation nicht passieren! Schluss mit dem Staatsrevisionismus!“

Quelle: Parlamento Italiano/Salto/FGC

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