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Oberammergau lockert Haar- und Barterlass

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Die Passionsspiele sind alle zehn Jahre ein Großereignis in der kleinen Gemeinde Oberammergau, doch die Corona-Pandemie erweist sich als Spielverderber göttlicher Verehrung: Nun fällt sogar das Rasierverbot für die Bevölkerung.

Oberammergau. In der oberbayrischen Gemeinde Oberammergau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) hat die Corona-Pandemie eine jahrhundertealte katholische Tradition deutlich beeinträchtigt, nämlich die Passionsspiele, die im Ort alle zehn Jahre stattfinden. Damit die einheimischen Laiendarsteller bei der Inszenierung der letzten Lebenstage, des Todes und der Wiederauferstehung Jesu Christi optisch möglichst authentisch als Jerusalemer Bevölkerung des Jahres 30 oder 31 nach Beginn unserer Zeitrechnung durchgehen, gibt es immer fünfzehn Monate vor der Premiere einen Haar- und Barterlass: Das bedeutet, der Bürgermeister und der Spielleiter rufen die beteiligte Bevölkerung (ca. 2.500 von 5.500 Einwohnern) auf, sich für mehr als ein Jahr die Haare nicht mehr zu schneiden und sich nicht zu rasieren (ausgenommen jene, die Römer darstellen) – und so etwas fällt sogar im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tirol auf.

Bürgermeisterverordnung wird abgemildert

Traditionell wird die entsprechende Verordnung am Aschermittwoch öffentlich angeschlagen und verkündet, doch in diesem Jahr ist es Corona-bedingt zumindest ein wenig anders, wie Bürgermeister Andreas Rödl (CSU) erklärte: Da die vorgeschriebenen FFP2-Masken ordentlich sitzen müssen (was mit Bart nicht gegeben ist), um sicher vor einer Infektion zu schützen, wird das übliche Rasierverbot gelockert – zu diesem Zwecke ist es heuer auch für angehende Hebräer zulässig, zum Barbier zu gehen (wenn der offen haben darf) oder selbst Hand anzulegen. Freilich sind es noch 15 Monate bis zur Premiere (geplant sind dann rund 100 Aufführungen von Mai bis Oktober 2022), weswegen man sich durchaus auch später noch einen halbwegs anständigen bayrisch-judäischen Bart wachsen lassen kann. Falsche Bärte und Perücken sind allerdings verpönt und dürfen beim Passionsspiel nicht zum Einsatz kommen.

Passion zwischen Pest und Corona

Damit sind die Oberammergauer Passionsspiele nun doppelt mit einer Seuche verknüpft: Sie wurden erstmals im Jahre 1634 durchgeführt, als eingelöstes Versprechen nach einer Pestepidemie. Die aktuelle Aufführung war bereits für 2020 geplant, musste aber aufgrund der CoViD-19-Problematik damals abgesagt und auf 2022 verschoben werden. Damit wurde auch der seit 1680 gültige zehnjährige Rhythmus durcheinandergebracht. Nicht das erste Problem in der Geschichte der Passionsspiele, doch zwischenzeitliche Verbote wegen unwürdiger Darstellung, Textdiskussionen, Einmischungen aus dem Vatikan und sogar die gleichberechtigt mitwirkende Anwesenheit von Weibsvolk wurden überstanden. Ob nun 2022 dann auch schon die Corona-Pandemie so weit überstanden ist, dass wieder die üblichen 500.000 Zuschauer kommen können, wird sich zeigen.

Quelle: Tiroler Tageszeitung

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