HomePolitikCausa Wienwert: Wenn alle Prinzipien fallen – Kapitalismus und Korruption im Einklang

Causa Wienwert: Wenn alle Prinzipien fallen – Kapitalismus und Korruption im Einklang

Wien. Die jüngste Anklage in der Causa Wienwert zeigt einmal mehr, wie anfällig das gesamte kapitalistische System für Korruption ist – ganz unabhängig von Parteifarben oder politischem Lager. Mit der SPÖ (etwa Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy), der ÖVP (Wiener Parteichef Karl Mahrer) sowie ehemaligen FPÖ-Größen (Gudenus, Tschank) sind nahezu alle etablierten Parteien in den Strudel der Vorwürfe rund um die insolvente Immobilienentwicklungsgesellschaft Wienwert geraten. Auch weitere Angeklagte aus Kreisen von Immobilienfirmen, Rechtsanwaltskanzleien oder Wirtschaftstreuhänderbüros zeigen, wie tief der Filz aus Macht, Geld und Korruption in einer profitgetriebenen Wirtschaftsordnung reicht.

Im Kapitalismus dominiert das Streben nach Profitmaximierung. Das bedeutet, dass immer und immer wieder Lücken gesucht werden, um Gelder an sich zu reißen, Deals abzuschließen und persönliche Vorteile zu sichern. Wo viel Geld im Spiel ist – wie in der Immobilienbranche oder in dubiosen Anlagegeschäften –, werden auch windige Vereinbarungen und Hinterzimmer-Deals wahrscheinlicher. Wenn Wienwert Anlegerinnen und Anlegern hohe Renditen in Aussicht stellt, wenn Politikerinnen und Politiker VIP-Tickets, Spenden oder „PR-Aufträge“ entgegennehmen, steht stets dieselbe Logik dahinter: Nutzen ziehen aus einer Position, in der man über einflussreiche Kontakte oder Entscheidungsbefugnisse verfügt. Dass gerade die bürgerliche Parteien dabei immer wieder versagen, klare Grenzen zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Interesse zu ziehen, ist kein Zufall: Der Kapitalismus belohnt jene, die den Profit über alles stellen.

Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mussten 1.800 Kleinanlegerinnen und Kleinanleger einen Schaden von rund 41 Millionen Euro hinnehmen, als Wienwert 2018 insolvent wurde. Während mutmaßlich beteiligte Politikerinnen und Politiker – gleich ob von SPÖ, ÖVP oder FPÖ – davon profitierten, Informationen oder Geldströme unter der Hand weiterzureichen, zahlt die Allgemeinheit am Ende die Zeche.

Wer glaubt, nur eine bestimmte Partei sei empfänglich für persönliche Bereicherung, verkennt die Realität. Ob SPÖ, ÖVP, FPÖ oder andere etablierte Parteien: Sobald das kapitalistische System den Rahmen vorgibt, in dem Macht und Geld untrennbar verknüpft sind, ist Korruption stets eine reale Begleiterscheinung. Denn das System selbst lädt dazu ein, Kontakte und die eigene Machtposition zu monetarisieren.

Ein wichtiger Grundsatz im Kapitalismus lautet: Alles, was gewinnbringend ist, wird getan – gleich ob es dem Gemeinwohl dient oder nicht. Politikerinnen und Politiker, die in dieses Prinzip eingebunden sind, sehen sich permanent Versuchungen ausgesetzt, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Wenn zudem der Staat als Vermittler zwischen öffentlichen Interessen und Privatkapital fungiert, entsteht automatisch ein Kräftefeld, in dem Schmiergelder, Insiderdeals und private Vorteile sprießen können.

Die Causa Wienwert – genauso wie viele andere Korruptionsfälle in der jüngeren Vergangenheit – zeigt, dass das Problem nicht allein in einzelnen „schwarzen Schafen“ liegt, sondern in einer Wirtschaftsordnung, die dem Profit alles unterordnet. Selbst strengere Gesetze oder mehr Kontrolle bieten nur bedingt Abhilfe, wenn die Grundanreize bestehen bleiben, durch intransparentes Handeln Zugriff auf Privilegien und Reichtum zu erlangen.

Die aktuelle Anklage gegen Politikerinnen und Politiker aus verschiedenen Parteien und hochrangige Wirtschaftsakteure belegt eindrücklich die Korruptionsanfälligkeit in einem System, das Finanzvermehrung zum obersten Ziel erklärt. Wo so viel auf dem Spiel steht – Posten, Einfluss, Geld –, wird Moral schnell zur Nebensache. Die Geschädigten sind meistens jene, die an das Versprechen einer soliden Geldanlage glaubten oder als Steuerzahlende die Zeche für dubiose Machenschaften zahlen. Solange der Kapitalismus fortbesteht, wird sich an diesem Grundmuster nichts ändern – ganz gleich, welche Partei den Ton angibt.

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Quelle: ORF

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