HomeFeuilletonSportKein holländisches Gras für den Emir

Kein holländisches Gras für den Emir

Im Dezember 2022 soll in Katar die Fußball-WM stattfinden – eine Entscheidung, die wohl nicht mit klarem Kopf, aber vermutlich mit vollen Taschen getroffen wurde. Jetzt ist auch noch ein Gras-Deal geplatzt.

Leudal/Doha. Was hat das niederländische Unternehmen Hendriks Graszoden mit dem arabischen Wüstenemirat Katar zu tun? Klar, es geht um Gras. Also, nein, das richtige Zeug jetzt – das, was mit dünnen grünen Halmen aus dem Boden wächst und eine Wiese bildet. Oder einen Rasen, wenn man sich gärtnerisch darum kümmert. Und das wäre nun auch die angedachte Geschäftsbeziehung zwischen der Firma aus dem Leudaler Ortsteil Heythuysen, wo sonst nur Kirchenorgeln gebaut werden, und dem katarischen Premierminister Scheich Abdullah ibn Nāsir ibn Chalīfa Āl Thānī gewesen: Hendriks Graszoden sollte für die Fußballweltmeisterschaft, die aus unerfindlichen Gründen im Dezember 2022 in der absolutistischen Monarchie am Persischen Golf stattfinden soll, das Gras für die Spielfelder liefern. Doch dazu kommt es jetzt doch nicht.

Das niederländische Unternehmen, das seit 1975 schon eine Reihe von WM- und EM-Stadien mit dem nötigen grünen Rasen ausgestattet hatte, verzichtet nun auf den Auftrag aus Katar. Als Grund wird die Menschenrechtslage vor Ort angegeben, darunter nicht zuletzt die Bedingungen für die asiatischen Gastarbeiter, die im Emirat die Fußballstadien bauen. Schon länger war von zwar bezahlten, aber in der Form sklavenarbeitsähnlichen Zuständen die Rede, noch mehr kamen jedoch die Sicherheitsvorkehrungen ins Gerede: Gemäß WM-Organisationskomitee kamen bislang 37 Arbeiter, die auf Stadienbaustellen tätig waren, bei Unfällen ums Leben. Der britische „Guardian“ hatte kürzlich errechnet, dass seit der WM-Vergabe an Katar rund 6.500 ost- und südostasiatische Bauarbeiter in Katar gestorben sind, wenngleich nicht alle bei fußballbezogenen Projekten. Hendriks Graszoden zog nun die Reißleine und liefert nicht an die Spiele des Emirs – aus moralischen und Protestgründen.

Natürlich wird diese Entscheidung für Katar und die Fußball-WM keine Konsequenzen haben: Das Sportevent ist ein Riesengeschäft, weswegen sich zweifellos irgendein anderer profitgesteuerter Graslieferant finden wird – das ist Kapitalismus. Doch das Thema kocht etwas mehr als 20 Monate vor Turnierbeginn eindeutig wieder hoch: Zuletzt urgierten die Vereine der norwegischen Liga unter Führung von Rosenborg Trondheim einen Boykott der WM in Katar, was der staatliche Fußballverband nun diskutieren muss – möglich, dass das norwegische Team um Erling Haaland freiwillig zu Hause bleibt. Ähnliche Ansinnen wird es auch andernorts geben, infolge des Grasboykotts gewiss auch in den Niederlanden, aber dort darf man sich noch Zeit lassen: Für die letzten beiden großen Endrunden, die EM 2016 und die WM 2018, konnte sich die Oranje Elftal sowieso rein sportlich nicht qualifizieren – da gab’s aber wenigstens holländisches Gras.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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