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Kroatien: Drei Jahrzehnte Stagnation

Gastkommentar von Vladimir Kapuralin, Abteilung für internationale Beziehungen der Sozialistische Arbeiterpartei Kroatiens (Socijalistička radnička partija Hrvatske, SRP)

Obwohl es nichts zu feiern gibt, sorgte der 30. Jahrestag der internationalen Anerkennung Kroatiens für ziemlich viel Euphorie. In den drei Jahrzehnten der „Neuen Ära“ erlebt Kroatien eine kontinuierliche Stagnation im wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen, pädagogischen, wissenschaftlichen, emanzipatorischen, organisatorischen und nach neuesten Daten auch demografischen Bereich.

a) Sozial: Die Zersetzung in der Gesellschaft nimmt nicht ab, sondern zu. Immer mehr Bürger, insbesondere Rentner, leben in einem buchstäblich verzweifelten Zustand und kämpfen täglich ums Überleben.

b) Gesundheit: Durch die Auswirkungen der Covid-Pandemie wird die Warteliste im öffentlichen Gesundheitswesen immer länger und die Preise für die Medikamente steigen.

c) Wissenschaftlich: Kroatien schaffte einst erfolgreiche Institute ab (das immunologische Institut, und nun auch das Institut für Schiffbau). Heute bauen andere Brücken für Kroatien, früher bauten wir Brücken, Straßen und Wasserkraftwerke auf ausländischen Märkten.

d) Emanzipatorisch: Die Bürgerinnen und Bürger Kroatiens haben heute weniger Möglichkeiten, über das gesellschaftliche Geschehen und damit über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. Nicht zu vergleichen mit der Zeit als sie Selbstverwalter (Arbeiterselbstverwaltung) waren.

e) Organisatorisch: Kroatien ist nicht in der Lage, eigene Ressource zu verwalten. Die Regierung teilt sie auf und gibt sie an in- und ausländische Kapitalisten weiter. Die Korruption wird nicht bekämpft ‚sondern unterstützt. Kroatien ist nicht in der Lage, ausländische Mittel zu nützen, und zeigt völlige Apathie und Orientierungslosigkeit im Umgang mit Naturkatastrophen (Erdbeben).

f) Der demografische Aspekt ist eine besondere Geschichte: Die im letzten Jahr durchgeführte Volkszählung ist unerbittlich. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Konterrevolution und Sezession der 90er Jahre verzeichnete Kroatien einen stetigen Bevölkerungszuwachs und von 1991 bis 2021 einen stetigen Bevölkerungsrückgang.

Es kommt zu einem mathematischen Paradoxon. Von 1948 bis 1953 wuchs die Bevölkerung Kroatiens um 156.000. Wie ist so etwas möglich, wenn die Klero-Nationalisten behaupten, dass mehr als 500.000 Kroaten nach dem Krieg getötet wurden? Seit 1991 sind etwa 900.000 Menschen verschwunden, heute sind es nur noch 108.000 mehr als 1948.
Ministerpräsident Plenković sagte, es sei einfach zu erklären und er habe recht. Alles begann damit, dass eine Gruppe von Nationalisten, unterstützt von der Kirche und der Ustascha-Emigration, anfing, den gemeinsamen Staat Jugoslawien und das sozialistische System zu stürzen, um das gesellschaftliche Eigentum zu erlangen und um diejenige zu belohnen, die bei der Machtergreifung halfen.

Der darauffolgende Konflikt und Bürgerkrieg erzeugte die erste Welle der demografischen Katastrophe und resultierte in der Vertreibung zwischen zwei- und dreihunderttausend kroatischer Bürger serbischer Nationalität aus ihren jahrhundertealten Heimatgebieten. Das ist heute vergessen. Der zweite Grund der schlechten Bilanz ist der Bevölkerungsrückgang, der dritte die Massenauswanderung. Beides sind fortlaufende Prozesse, und die Auswanderung wird zusätzlich durch die früher erwähnte Korruption gefördert.
Ein weiteres Problem ist die Struktur der restlichen Bevölkerung, die überwiegend aus älteren Menschen besteht. Wirtschaftsauswanderung gab es schon früher in der Geschichte, aber die Struktur war anders als heute. Früher gingen die Ernährer, aber die Familien blieben, Kinder gingen zur Schule, und die Gastarbeiter kehrten meist zurück. Heute wandern junge Menschen mit Familien und Kindern aus, sogar auch unverheiratete Paare, die keine Rückkehrabsicht zeigen.

Der Kommentar erschien zuerst auf der Homepage der SRP in kroatischer Sprache und basiert auf den Aussagen des Genossen Kapuralin in einer Pressekonferenz am 18. Jänner 2022 in Pula. Übersetzung ins Deutsche von Kristofor Štokić.

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