Wien. Die Situation in der Sozialen Arbeit in Österreich ist für die Beschäftigten unerträglich. Eine aktuelle Befragung der Arbeiterkammer zeigt, dass zwei Drittel der Angestellten in der Sozialarbeit über einen Jobwechsel nachdenken. Die Studie mit über 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern offenbart einmal mehr die Ausbeutung und systematischen Missstände in einer Branche, die immer mehr marginalisiert wird. Die Mehrheit der Befragten gab an, regelmäßig mehr zu arbeiten, als im Arbeitsvertrag festgelegt ist – ein klares Zeichen der Überausbeutung.
Aktuell sind etwa 43.000 Menschen in der Sozialen Arbeit tätig, doch die Personalsituation ist angespannt. Kurt Schalek von der Arbeiterkammer Wien beschreibt die Branche als geprägt von regelmäßiger Mehrarbeit. Über 60 Prozent der Beschäftigten arbeiten konstant mehr als vertraglich vereinbart, ohne dafür angemessen entlohnt zu werden. Dies zeigt, wie im Kapitalismus in Berufen, die auf soziale Solidarität ausgerichtet sind, die Arbeitskraft maximal ausgebeutet wird.
Besonders auffällig ist die hohe Teilzeitquote: Während in Österreich allgemein etwa 30 Prozent der Arbeitsplätze in Teilzeit sind, liegt der Anteil in der Sozialen Arbeit bei 65 Prozent. Hauptsächlich sind Frauen betroffen, die unter dem Druck der Reproduktionsarbeit – also der Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Verantwortung – zerrieben werden.
Die Soziale Arbeit wird überwiegend von Frauen ausgeführt. Über drei Viertel der Beschäftigten in diesem Bereich sind weiblich. Dieses Geschlechterverhältnis ist kein Zufall, sondern ein strukturelles Problem der kapitalistischen Arbeitsteilung, in der Frauen für unbezahlte und schlecht bezahlte Reproduktionsarbeit eingesetzt werden. Und klar ist, das kapitalistische System profitiert von der Abwertung solcher „weiblichen“ Berufe.
Ein weiteres Problem ist die fehlende einheitliche Regelung für die Soziale Arbeit. Im Gegensatz zu Berufen wie Pflege oder Psychotherapie gibt es keine klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Arbeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter schützen und regeln. Julia Pollak, Geschäftsführerin des Berufsverbandes der SozialarbeiterInnen, fordert ein „Berufsgesetz“. Doch selbst wenn das geforderte Gesetz verabschiedet würde, wäre es leider nichts weiter als ein Versuch, die Schäden zu begrenzen, die durch die Ausbeutung in diesem Bereich verursacht werden. Die eigentliche Ursache, nämlich die Unterordnung der sozialen Arbeit unter den Profitzwang, bleibt unangetastet.
Pollak prangert auch die Missstände in der Ausbildung an. Es mangelt an qualitativ hochwertigen Pflichtpraktika, und die finanziellen Mittel für Einrichtungen und Praktikantinnen und Praktikanten sind unzureichend. Anstatt in die Ausbildung zu investieren, werden junge Menschen in prekäre Situationen gedrängt, in denen sie ohne angemessene Entlohnung arbeiten müssen, um den Beruf zu erlernen.
Und auch die Fragmentierung der Zuständigkeiten und der Föderalismus in Österreich tragen dazu bei, dass die Probleme in der Sozialen Arbeit nicht gelöst werden. Jede Landesregierung verfolgt ihre eigenen Interessen, während die Arbeiterinnen und Arbeiter auf der Strecke bleiben.
Die Krise in der Sozialen Arbeit ist jedenfalls kein Zufall. Sie ist ein Symptom eines Systems, das menschliche Bedürfnisse der Profitmaximierung unterordnet. Was wir brauchen, ist nicht nur eine Reform der Branche, sondern eine radikale Umgestaltung der gesamten Gesellschaft, in der menschliche Bedürfnisse an erster Stelle stehen – und nicht der Profit.
Quelle: ORF