Vindobona/Wien. Der römische Kaiser Vespasian hatte in seiner Amtszeit in den Jahren 69 bis 79 nach Beginn unserer Zeitrechnung ein Problem: Sein Vorgänger Nero hatte ihm ein übles Budgetdefizit hinterlassen, der Bürgerkrieg im Vierkaiserjahr war auch nicht gerssade eine günstige Begebenheit. Also musste Vespasian sanieren. Er strich Griechenland die Steuerprivilegien, den Hauptschlag seines Sparpaketes bekam jedoch Rom selbst zu spüren: Der neue Kaiser führte eine Abgabe für die Benutzung öffentlicher Latrinen ein.
Die WC-Steuer war – ironischer Weise im Gegensatz zu ihrem Erfinder – freilich nicht allzu beliebt. Sogar Vespasians Sohn und designierter Nachfolger Titus machte dem Kaiser Vorwürfe, er würde hier ein schmutziges Geschäft betreiben. Doch Vespasian nahm ein paar Sesterzen aus den neuen Einnahmen in die Hand, hielt sie seinem Erben unter die Nase und tätigte die berühmte Feststellung: “Pecunia non olet.” – Geld stinkt nicht, selbst wenn seine Lukrierung auf Urin beruht.
Nicht ganz 2.000 Jahre später. Der Kaiser heißt Michael Ludwig, sein formeller Titel lautet: Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Seitens der Volksanwaltschaft ist er mit ähnlichen Vorwürfen wie Vespasian konfrontiert, diesesmal weist die Sache aber auch noch eine geschlechterdiskriminierende Facette auf. Wer in ein öffentliches WC will, zahlt in Wien zumeist 50 Cent – was bereits zu kritisieren wäre: Kostenlose Toilettenbenutzung, und zwar flächendeckend, ist eine Grundforderung gegenüber der Kommunalpolitik.
Wichtiges Detail am Rande: Männer müssen eben nicht zwingend 50 Cent abbüßen. Denn für sie ist der Pissoirbereich gratis zugänglich, nur fürs große Geschäft in der Einzelkabine müssen auch Männer bezahlen. Somit liegt offenkundig eine Ungleichbehandlung vor, eine Benachteiligung von Frauen. Neben dem finanziellen Schaden, der zumeist verkraftbar sein dürfte, geht es hier klar und deutlich um das Wohlbefinden und die Sicherheit von Frauen im urbanen Raum. Es braucht daher mehr öffentliche Toiletten, die überall für alle gratis sein sollten. Der Status quo stinkt.
Quelle: Der Standard