Die Raumstation Mir markierte den Höhepunkt der sowjetischen Weltraumtechnologie – auch deshalb hat sie die UdSSR um fast zehn Jahre überlebt.
Moskau. Am 23. März 2001 wurde die – zu diesem Zeitpunkt russische – Raumstation „Mir“ („Frieden“/„Welt“) endgültig außer Dienst gestellt und zum Absturz gebracht: Mittels eines unbemannten „Progress“-Frachters manövrierte man die Mir in Richtung Erde, beim Eintritt in die Atmosphäre verglühten bereits einige Komponenten. Die restlichen Trümmer stürzten südlich der Fidschi-Inseln plangemäß in den Pazifischen Ozean. Damit ging zehn Jahre nach der Auflösung der UdSSR die Ära der sowjetischen Raumfahrthistorie abschließend zu Ende, die in der Geschichte der Menschheit die größten Fortschritte und Erfolge auf diesem Gebiet erbracht hatte – und deren letzter Höhepunkt und Vermächtnis besagte Raumstation darstellte.
Höhepunkt der sowjetischen Weltraumtechnologie
Als die ersten Teile der Mir am 19. Februar 1986 ins All gebracht wurden, markierte dies nach dem ersten Satelliten („Sputnik“, 1957), dem ersten Menschen im Kosmos (Juri Gagarin, 1961) und der ersten Raumstation („Saljut“, 1971) die vierte große Errungenschaft der UdSSR auf dem Gebiet der Weltraumtechnologie. Mit all diesen Schritten war man den USA – und von den Westeuropäern gar nicht zu sprechen – stets deutlich voraus, worin sich die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus ausdrückte (die NASA konnte lediglich den nutzlosen PR-Gag der bemannten Mondlandung für sich verbuchen).
Nach den sieben sowjetischen Saljut-Stationen (1971 bis 1982 gestartet) war die Mir abermals ein großer Sprung nach vorn: Sie war die erste Raumstation, die aus mehreren Modulen zusammengesetzt wurde, weswegen sie mit ca. 350 Quadratmetern auch wesentlich größer war. Dadurch wurden auch deutlich längere, sogar jahrelange menschliche Aufenthalte im Weltraum möglich. Von 5.511 Tagen, die die Mir im Orbit in knapp 400 Kilometern Entfernung zur Erde verbrachte, war sie 4.594 Tage besetzt. Insgesamt 96 Kosmonauten und Kosmonautinnen betraten von März 1986 bis Juni 2000 die Station – die meisten davon aus der Sowjetunion bzw. Russland, aber auch bulgarische, syrische, afghanische, französische, japanische und britische Gäste wurden von der UdSSR auf die Mir eingeladen. Mit Franz Viehböck befand sich auch der erste Österreicher im Weltall im Oktober 1991 auf der sowjetischen Station.
Russische Übernahme und Ende
Mit der Auflösung der Sowjetunion wurde die Mir 1992 von Russland übernommen, die Sojus-Flüge dorthin starteten aber weiterhin von Kasachstan aus. Die Änderung der Klassenverhältnisse im Betreiberland hatte Folgen für die Station: Es setzte eine gewisse „Kommerzialisierung“ der Missionen ein, schließlich dockten auch US-amerikanische Astronauten mit ihren Space Shuttles an und stellten Teile der Besatzung. Die Finanzierung durch die konterrevolutionäre Jelzin-Administration war trotzdem nicht mehr gegeben, im Oktober 2000 – seit Kurzem war bereits Wladimir Putin im Amt – wurde nach 14 Jahren das Aus verkündet.
Die ursprüngliche Nutzungsdauer wurde dennoch deutlich überschritten: Nach sowjetischen Plänen hätte nach sieben Jahre eine neue, verbesserte Station die Mir ersetzen sollen, doch solche Wissenschafts- und Forschungsinvestitionen standen im kapitalistischen Russland nicht mehr auf der Agenda: Man zögerte lediglich hinaus, bis die Mir nach 86.325 Erdumkreisungen vor genau 20 Jahren schließlich zum Absturz gebracht und ihre Trümmer im Pazifik versenkt wurden.
Internationale Raumstation und Ausblick
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits die ersten Teile der neuen „Internationalen Raumstation“ (ISS) im All, die im Wesentlichen von Russland, den USA und der europäischen ESA betrieben wird. Die ersten beiden ISS-Module stammten noch aus sowjetischer Planung: Die Komponenten „Sarja“ und „Swesda“ waren Weiterentwicklungen der Mir-Module und ursprünglich für Mir‑2 vorgesehen. Auch ansonsten trägt die seit November 2000 und bis heute ständig bemannte ISS noch Merkmale der hochwertigen sowjetischen Raumfahrttechnologie, zumal über Jahre hinweg lediglich die Sojus-Raumschiffe als Beförderungs- und Transportmittel zur Verfügung standen.
Die ISS soll nach Stand der Dinge mindestens bis 2024 in Betrieb bleiben, auch eine Verlängerung bis 2030 erscheint möglich. In der Zwischenzeit hat freilich die VR China mit den beiden Tiangong-Stationen sowie im Bereich der Raumfähren auch erhebliche Fortschritte gemacht. Insofern ist fraglich, ob es tatsächlich zu einer weiteren Zusammenarbeit der NASA und ESA mit der russischen Roskosmos hinsichtlich der angedachten neuen LOP-G-Station kommt. In letzter Zeit verdeutlichten sich die Anzeichen, dass Russland bei künftigen Raumstationen eher auf eine Kooperation mit China setzen könnte, was wiederum in einen deutlichen technologischen Vorsprung gegenüber den westimperialistischen Staaten münden könnte. Die gegenwärtigen weltpolitischen Verhältnisse und v.a. die gleichermaßen antirussische wie antichinesische Politik der USA und der EU könnten sich auch im Weltall als Eigentor erweisen.