In Montenegro verlieren die „Sozialdemokraten“ von Machthaber Đukanović ihre Regierungsmehrheit, womit ein Umbruch in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik bevorstehen dürfte.
Podgorica. Seit 1991, fast 30 Jahre, ist Milo Đukanović (in deutschsprachigen Medien gerne: Djukanovic) als Premierminister oder Präsident in Montenegro an der Macht – da können selbst Lukaschenko und Putin nicht mithalten. Bei der Parlamentswahl am vergangenen Sonntag geschah somit Historisches: Đukanovićs sozialdemokratische „Partei der Sozialisten“ (DPS) verlor nicht nur massiv an Stimmen, sondern auch die Regierungsmehrheit. Damit bleibt ihm zwar bis 2022 noch das Präsidentenamt, doch der künftige Premierminister wird ein politischer Gegner sein. Es scheint, als wäre Đukanovićs Zeit nun doch langsam abgelaufen.
Verluste für Regierungslager, Sieg der Opposition
Mit „nur“ noch 35% der Stimmen (33 Mandate) büßte die DPS, Schwesterpartei von SPÖ und SPD, über sechs Prozentpunkte (fünf Mandate) ein. Gemeinsam mit den Koalitionspartnern – zwei kleinere sozialdemokratische Listen sowie die Parteien der albanischen und bosniakischen Minderheit – kommt der Đukanović-Block nur noch auf 40 von insgesamt 81 Mandaten im Parlament zu Podgorica: knapp, aber doch zu wenige für eine Regierungsbildung. Die Opposition hält nun eben 41 Abgeordnete und kann darauf basierend eine Koalition bilden. Dies erscheint inhaltlich zunächst äußerst schwierig: Das Bündnis „Für die Zukunft Montenegros“ (Za) rund um die Demokratische Front (33% der Stimmen, 27 Mandate) gilt als konservativ und pro-serbisch, die Regenbogen-Liste „Frieden ist unsere Nation“ (MNN, 13%, 10 Mandate) ist „pro-europäisch“, die sozialliberal-grüne „Bürgerbewegung Vereinigte Reformaktion“ (URA, 6%, 4 Mandate) ebenso. Zwar erscheint es widersprüchlich, eine Regierungskoalition unter Führung einer eher an Serbien und Russland orientierten Liste mit EU-affinen Juniorpartnern zu zimmern, doch die „Wahlsieger“ haben dieses Unterfangen bereits angekündigt: Es soll eine „Expertenregierung“ werden, in der das Einende über das Trennende gestellt wird – und das Einende ist die gemeinsame Đukanović-Ablehnung.
Ende des inszenierten „Mafia-Staates“?
Was die DPS in den letzten Jahrzehnten geschaffen hat, ist in der Tat sehr fragwürdig – erstaunlich, dass sich SPÖ und SPD nicht dafür genieren: 2006, nach einer mutmaßlich fingierten Volksabstimmung, verließ Montenegro den gemeinsamen „restjugoslawischen“ Staatenbund mit Serbien. Đukanović inszenierte auf einer Fläche etwa so groß wie Tirol eine eigenständige montenegrinische Nation, mit gerade mal 650.000 Einwohnern, u.a. durch Erfindung einer eigenen Sprache namens Montenegrinisch sowie einer neuen autokephalen orthodoxen Staatskirche – die große Mehrheit der montenegrinischen Bevölkerung blieb jedoch bei der frechen Selbsteinschätzung, die serbische Sprache zu sprechen, und bekannte sich weiterhin zur Serbisch-Orthodoxen Kirche. Doch die Staatsinszenierung hat auch ihre erheblichen Lücken, denn eine eigene Währung hat Montenegro nicht: Es wird unilateral der Euro verwendet. Als Belohnung für die Endfiletierung Jugoslawiens wurde Montenegro 2017 auf Betreiben der USA in die NATO aufgenommen, für die EU reicht es jedoch nicht. Das hat damit zu tun, dass das Đukanović-Regime im Allgemeinen als eine Art „Mafia-Staat“ verschrien ist. Es mag zwar zutreffen, dass die Grenzen zwischen kapitalistischen Profit-Gaunereien und organisierter Kriminalität mitunter fließend sein und verschwimmen mögen, doch Montenegro weist tatsächlich ein besonders hohes Maß an Korruption, Gewaltverbrechen, Stimmenkauf, Erpressung sowie eine gewisse Unterwanderung von Politik und staatlichen Einrichtungen durch kriminelle Strukturen auf, die im autoritären Führungsverständnis von Đukanović kulminieren. Und genau das ist die Grundlage dafür, dass die Opposition, so unterschiedlich sie im Inneren sein mag, nun eine gemeinsame Anti- Đukanović-Regierung bilden wird. Damit ist die DPS von der Macht verdrängt, Präsident Đukanović selbst wird wohl spätestens 2022 folgen.
Quelle: Kleine Zeitung