Verantwortlich sind vor allem die massiv steigenden Wohnkosten. Auch komplizierte und digitalisierte Antragstellungen verschärfen die Situation.
Wien. Im Jahr 2023 waren 19.800 Personen in Österreich als obdachlos registriert. Dieser Wert stieg im vergangenen Jahr auf 20.573 Personen an – um circa vier Prozent. Der Großteil der Obdachlosen befindet sich in Wien. Zwei Drittel davon sind Männer. Die Zahlen wurden am Dienstag vom Verband Wiener Wohnungslosenhilfe, bestehend aus elf Sozial- und Hilfsorganisationen, bekanntgegeben.
„Grundsätzlich kann man sagen, Obdach- und Wohnungslosigkeit wird weiblicher, jünger und internationaler“, erklärt Elisabeth Hammer, Geschäftsführerin von „Neunerhaus“. Die Dunkelziffer der Obdachlosen sei laut Hammer hoch: Rechne man die versteckte Wohnungslosigkeit von Personen, die noch nicht um Hilfe angesucht hätten, ein, komme man vermutlich auf die doppelte Zahl.
Im Rahmen einer Pressekonferenz des Verbands Wiener Wohnungslosenhilfe wurden vor allem die schwierige Situation am Arbeitsmarkt und die steigenden Wohnkosten für den Anstieg verantwortlich gemacht. So ging der Anteil an gefördertem Wohnbau in Wien zwischen 2018 und 2021 um 34 Prozent zurück, während private Mietkosten massiv stiegen – in Wien seit 2008 um 67 Prozent.
Dazu kommen intransparente Vergabeprozesse und lange Wartezeiten für geförderte Wohnungen. Die Verkomplizierung und Digitalisierung bei der Antragstellung wurden ebenfalls für problematisch erklärt. Betroffene verfügen oft gar nicht erst über die notwendige technische Ausstattung, die komplizierte Antragstellung via Onlineportal zu bewerkstelligen.
Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass Obdachlosigkeit ein Problem ist, das grundsätzlich den Mechanismen des Kapitalismus entspringt. Es gibt genügend Wohnraum, um den Bedarf aller in Österreich lebenden Menschen zu decken. Wenn dieser Bedarf jedoch nicht mit den notwendigen finanziellen Kapazitäten verknüpft ist, bleibt er unbefriedigt. Staatliche Hilfsmaßnahmen gibt es zwar durchaus, sie sind jedoch nicht in der Lage, das Problem der Obdachlosigkeit zu beseitigen.
Die Bereitstellung von Wohnraum für alle Menschen als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins und damit die Verwirklichung des Rechts auf ein sicheres und würdiges Zuhause sind Aufgaben, die der kapitalistische Markt nicht zu regeln imstande ist.