Wien. Während Millionen Menschen in Österreich Tag für Tag auf günstige und öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, bekommen wir nun eine weitere Teuerung im öffentlichen Personenverkehr präsentiert. Die ÖBB kündigt an, die Vorteilscard 66 ersatzlos abzuschaffen und in die „neue“ Vorteilscard Classic zu überführen, die künftig 71 statt bisher 66 Euro kostet. Die Begründung der ÖBB: Eine „Vereinfachung der Produktwelt“ und eine „nur moderate Erhöhung“ der Preise.
Wer genauer hinsieht, erkennt jedoch, dass es sich dabei nicht um eine für die Nutzerinnen und Nutzer verbesserte Umgestaltung, sondern um eine de-facto-Verteuerung handelt. Die ÖBB argumentiert zwar damit, dass seit 2017 keine Preissteigerung vorgenommen wurde und inflationsbereinigt der Preis sogar bei 87 Euro liegen müsste. Doch diese Rechnung ignoriert die finanzielle Realität unzähliger Pendlerinnen und Pendler sowie die von Gelegenheitsfahrern: Jeder zusätzliche Euro für Tickets oder Vorteilskarten ist bei rasant steigenden Lebenshaltungskosten eine Mehrbelastung – gerade für Lohnabhängige und Familien, die ohnehin jeden Cent umdrehen müssen.
Die Verschmelzung der beiden Karten bedeutet daher nichts anderes, als dass Menschen, die bislang von der günstigeren Vorteilscard 66 profitiert haben, nun grundsätzlich 71 Euro zahlen müssen. Das sind zwar „nur“ fünf Euro mehr, doch in Summe bleibt ein fahler Beigeschmack: Warum kommt die „Vereinfachung“ immer dann, wenn es mehr kostet, und nicht, wenn sie mit Vergünstigungen einhergeht?
Obwohl der öffentliche Verkehr ständig als klimaschonende Alternative zum Auto beworben wird, sieht man an den konkreten Maßnahmen, dass das Hauptziel nicht etwa eine erhebliche Verbesserung für die arbeitende Bevölkerung ist, sondern den öffentlichen Verkehr möglichst kostendeckend zu gestalten. Vor allem unter dem Druck einer Regierung, die gleichzeitig das Klimaticket verteuern will, anstatt die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu subventionieren, wird klar: Auch in der öffentlichen Daseinsvorsorge setzt sich das Prinzip des Profits durch. Die bereits üppigen Gehälter des ÖBB-Vorstands werden stetig angehoben, während die Kosten konsequent an die Fahrgäste weitergereicht werden.
Wer nicht gleich ein Klimaticket kauft – das übrigens ebenfalls verteuert werden soll – ist auf Einzeltickets oder Vorteilskarten angewiesen. Dass die ÖBB ihre Erhöhung um fünf Euro als „moderat“ bezeichnet, ist Ausdruck derselben Argumentationsmuster, die wir bereits von anderen Preisanhebungen kennen: Sobald auf die hohe Inflation verwiesen wird, erscheinen jegliche Mehrkosten als „vernünftig“ und „unvermeidbar“. Doch das verschleiert, dass Menschen mit niedrigem Einkommen, darunter viele Pensionistinnen und Pensionisten, Alleinerzieherinnen und prekär Beschäftigte, jeden zusätzlichen Euro durchaus spüren. Die Preisspirale dreht sich, während unsere Löhne stagnieren oder nur minimal angepasst werden.
Politiker und Bahnverantwortliche beten uns regelmäßig die Bedeutung eines leistbaren, umweltfreundlichen Verkehrs vor. Doch in der Praxis sieht es anders aus: höhere Preise für Einzelfahrkarten, ÖBB-Vorteilscard und Klimaticket. Wer kein eigenes Auto nutzen will oder kann, muss tiefer in die Tasche greifen – ein Schlag ins Gesicht für all jene, die den öffentlichen Verkehr nicht nur zum Vergnügen, sondern vor allem für den Arbeitsweg brauchen.
Solange der öffentliche Verkehr nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, sondern weiter unter dem Diktat von Gewinnstreben und Kostendeckung steht, bleibt ein sozial gerechter Fern- und Nahverkehr eine bloße Wunschvorstellung.
Quelle: Der Standard