HomeWeitere RessortsKommentarEin deutscher Spindoctor formuliert für Österreichs Festungspolitiker der Gegenwart

Ein deutscher Spindoctor formuliert für Österreichs Festungspolitiker der Gegenwart

Gastkommentar von Gerhard Oberkofler, geb. 1941, Dr. phil., Universitätsprofessor i.R. für Geschichte an der Universität Innsbruck.

Zwei Zitate zum Einstieg:

„Was Marx‘ fanatisierende Persönlichkeit brachte, war im wesentlichen dieselbe Weltanschauung, der gerade jene huldigten, gegen die sich der Kampf der Arbeiter richtete, oder hätte richten müssen: die Herren in den Banken und auf der Börse, so mancher industrielle Emporkömmling. Die >Expropriation der Expropriateure< ist letzten Endes, Anfang und Ende der marxistischen Völkerzersetzung. Anstatt den Arbeitern mit einer neuen Idee zu begnaden, stahl Marx die >Weltanschauung< des praktischen Materialisten. Anstatt dem Geknechteten ein religiöses, befreiendes Ideal zu predigen, warf er ihm einen platten, darwinistischen, öden Weltanschauungskitsch vor die Füße. Anstatt ihm als Ziel eine wirkliche Heimat und die Erringung einer Volkskultur hinzustellen, löste er ihn innerlich noch mehr vom Boden seiner Väter, lehrte ihn die Geschichte seines Volkes hassen und an eine nebelhafte >Internationale< glauben. Dieser giftige Same des Hasses gegen das eigene Blut ist wohl das größte Verbrechen des Marxismus an allen Völkern gewesen. Aus ihm folgen die anderen mit Notwendigkeit.“[1]

„Der Kommunismus, der als grundsätzlich gottlose und heiligenlose Erscheinung aufgetreten war, hat sich selbst im einbalsamierten Lenin einen neuen Gott und Heiligen geschaffen. […] Groß im germanischen Sinne kann nur ein Schöpfer sein, während Lenins Schriften von einer kulturlosen Beschränktheit und Unfähigkeit Zeugnis ablegen, auch nur von ferne zu begreifen, was ein germanischer Mensch unter >Staat< versteht. Lenin schreibt: >Der Staat ist das Produkt und die Äußerung der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze<.[2] Die >Kollektivisation< soll Persönlichkeit vernichten, das ist der letzte instinktive Trieb des vom Bolschewismus verherrlichten >Staats<ideals.“[3]

Verfasser dieser beiden Eingangszitate ist der aus Reval nach München übersiedelte Alfred Rosenberg (1893–1946), der dort von Anfang an an der Seite von Adolf Hitler (1889–1945) Schriftleiter des „Völkischen Beobachters“ war. Er gilt als der berufene Interpret der nationalsozialistischen Weltanschauung. Seine Texte sind gesammelt in einem mit Namen- und Inhaltsregister erschlossenen Buch „Kampf um die Macht. Aufsätze von 1921–1932“[4]. Diese sind Ausdruck, wie sehr der Irrationalismus Wesenszug der kapitalistischen Entwicklung in Wendezeiten wie im Heute ist.[5]

Vielleicht haben unsere österreichischen Festungspolitiker lieber das 1930 in erster Auflage[6] erschienene Buch von Rosenberg „Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit“ für ihre zum „Volkskanzler“ hinleitenden Ideen studiert. Dort ist nebstbei zu lesen, dass neben Karl Marx (1818–1883) und Friedrich Engels (1820–1895) der Gründer der „Societas Jesu“ Ignatius von Loyola (1491–1556) „Symbol des skrupellosestens Kampfes gegen das Seelentum der nordischen Rasse“ geworden sei.[7] Der Klerikalismus hat von diesen Passagen zuerst weggesehen, ehe er das Buch 1934 dann doch auf den Index gesetzt hat.[8] Für den in Nürnberg verurteilten und hingerichteten Kriegsverbrecher Alfred Rosenberg nehmen im Marxismus wie im „römischen System“ des Ignatius von Loyola „die Idee des Opfers und der >Liebe< die gleiche Rolle“ ein.[9] Tatsache ist, dass sowohl Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924), den Albert Einstein (1879–1955) als „Hüter und Erneuerer des Gewissens der Menschheit“ verehrt hat,[10] und Ignatius von Loyola bei allen Unterschiedlichkeiten die Notwendigkeit erkannt haben, zu „unterscheiden“, wie nach Lösung der Frage des Privateigentums zu einer Assoziation der Menschen gekommen werden kann, „worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“.[11]


[1] Alfred Rosenberg: Kampf um die Macht. Aufsätze von 1921–1932. Herausgegeben von Thilo von Trotha. 3. A. Zentralverlag der NSDASP., Franz Eher Nachf., München, S. 281.

[2] Rosenberg hat richtig zitiert! Wladimir Iljitsch Lenin: Der Marxismus über den Staat. Staat und Revolution. Kritische Neuausgabe mit Essays von Hermann Klenner und Wolfgang Küttler herausgegeben und kommentiert von Wladislaw Hedeler, Volker Külow und Manfred Neuhaus. Verlag 8. Mai GmbH, Berlin 2019, S. 160.

[3] Ebenda, S. 572 und 695 f.

[4] Wie A. 1.

[5] Vgl. Georg Lukács: Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler. Aufbau Verlag Berlin 1955.

[6] Hoheneichen Verlag München. Benützt 71.–74. Auflage 1935.

[7] Mythus, S. 180.

[8] Peter Seewald: Benedikt XVI. Ein Leben. Droemer Verlag München 2020, S. 52.

[9] Mythus, S. 204.

[10] Siegfried Grundmann: Einsteins Akte. Einsteins Jahre in Deutschland aus der Sicht der deutschen Politik. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 1998, S. 331.

[11] MEW 4 (1972), S. 482.

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