HomeInternationalesBulgarischer Ex-Zar Simeon kassiert nochmals bei Untertanen ab

Bulgarischer Ex-Zar Simeon kassiert nochmals bei Untertanen ab

Der EGMR bürdet Bulgarien eine bizarre Strafzahlung von 1,6 Millionen Euro auf – zugunsten des ehemaligen Zaren, der nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zurecht entmachtet und enteignet worden war.

Straßburg/Sofia. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Republik Bulgarien zu einer Entschädigungszahlung von rund 1,6 Millionen Euro verurteilt. Diese Summe soll an den ehemaligen Monarchen Simeon II. und seine Schwester gehen, da ihnen der bulgarische Staat die kommerzielle Nutzung von Waldgrundstücken verunmöglicht hatte. Der Hintergrund der Causa hat historische Dimensionen.

Simeon II. kam als Sechsjähriger im August 1943 auf den bulgarischen Thron. Nach der verdienten Niederlage Bulgariens an der Seite Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg kam es im Land zu weitreichenden Umwälzungen. Zunächst entschied die Bevölkerung im September 1946 bei einer Abstimmung mit einer deutlichen Mehrheit von 95,6 Prozent, dass die Monarchie abgeschafft werden sollte. Dies geschah eine Woche später mit der Ausrufung der Volksrepublik Bulgarien, deren Ministerpräsident Georgi Dimitroff wurde. Im Sinne der Bodenreform wurden 1948 auch die Ländereien der Krone verstaatlicht, die Zarenfamilie ging ins Exil und fand Unterschlupf im faschistischen Franco-Spanien.

Nach der Konterrevolution 1990 wechselten sich die sozialdemokratische BSP und die konservative SDS an der Regierungsspitze ab – gemeinsam war ihnen der volksfeindliche Antikommunismus. Und so wurde 1998 die Enteignung der Zarenfamilie nach 50 Jahren als rechtswidrig eingestuft, denn man musste die Volksrepublik natürlich als „Unrechtsregime“ darstellen – und Simeon und seine Schwester konnten auf Rückgabe klagen. Es wurde sogar noch skurriler: Simeon Sakskoburggotski (Sachsen-Coburg und Gotha), wie er mit bürgerlichem Namen heißt, übernahm 2001 sogar das Amt des Ministerpräsidenten in Bulgarien. Er führte das Land in die NATO und brachte auch den EU-Beitritt auf Schiene, ansonsten grassierten jedoch Korruption, Arbeitslosigkeit und Armut – 2005 wurde Sakskoburggotski bei erster Gelegenheit wieder abgewählt.

Den Hals konnte die ehemalige Zarenfamilie aber eben nicht vollbekommen, obwohl sie als eine der Haupterben des italienischen Königs Viktor Emanuel III. ohnedies auf einem astronomischen Vermögen sitzt. Jene 1,6 Millionen Euro, die nun aus dem belasteten bulgarischen Staatsbudget und mit dem Steuergeld der Bevölkerung bezahlt werden müssen, passen bei Herrn Sakskoburggotski in die Portokasse – der inzwischen 85-Jährige braucht das Geld eigentlich nicht. Aber er setzt ein Zeichen: Die republikanische Enteignung von Herrscherdynastien und Aristokraten zugunsten des Volkes dürfen nicht zulässig sein, schon gar nicht, wenn Kommunisten dafür mitverantwortlich sind.

Nun müssen bulgarische Gerichte entscheiden, wie mit dem EGMR-Urteil sowie den fraglichen Ländereien umzugehen ist – man braucht nicht viel Phantasie, um zu ahnen, wie die Sache ausgeht. Womöglich ist dieses Vorbild dann auch eine Chance für andere ehemals regierende monarchische Schmarotzer? Vielleicht sollte Karl Habsburg die Republik Österreich verklagen und vor dem EGMR die „Rückgabe“ des Schlosses Schönbrunn, der Hofburg, der Lipizzaner und der kaiserlichen Schatzkammer fordern? Möglich ist offenbar alles…

Quelle: Kurier

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