Mit absurden – politisch ideologisch motivierten – Begründungen hat ein Richter die weitere Bespitzelung der linken deutschen Tageszeitung junge Welt durch den Verfassungsschutz erstinstanzlich legitimiert. Die Redaktion der Zeitung der Arbeit solidarisiert sich mit Redaktion, Verlag und Genossenschaft der Jungen Welt.
Berlin/Kiel. Der bundesdeutsche Verfassungsschutz ordnet die junge Welt seit 1998 in seinem Jahrensbericht im Kapitel »Agitations- und Kommunikationsmedien« als »das auflagenstärkste und aufwendigste organisationsunabhängige Blatt« im Linksextremismus ein. „Die Markierung als »linksextremistisch« und damit »verfassungsfeindlich« erfolgt bis heute in der erklärten Absicht, der Redaktion das Zeitungsmachen zu erschweren und dem Verlag den ökonomischen Nährboden zu entziehen!“ schreiben Redaktion, Verlag und die Genossenschaft, die die Zeitung herausgibt, in einer gemeinsamen Stellungnahme anlässlich eines Richterspruchs vom 18. juli 2024.
Diese Anschludigungen „sollen bewirken, dass die Zeitung an Reichweite und Auflage und damit Relevanz verliert. Sie soll immer mehr vom Meinungsbildungsprozess ausgeschlossen werden. Dies stellt eine massive Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit, aber auch Ihres Rechtes nach Artikel 5 des Grundgesetzes dar, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert und frei unterrichten zu können“ heißt es in der Stellungnahme. Im September 2021 entschlossen sich deshalb Verlag, Redaktion und Genossenschaft der Zeitung, gegen die fortwährende Nennung in den Verfassungsschutzberichten mit einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vorzugehen.
Am 18. Juli 2024 hat nun das Verwaltungsgericht die Klage in erster Instanz abgeschmettert. Der Vorsitzende Richter ist der Ansicht, dass der Verfassungsschutz zu Recht die junge Welt jährlich als linksextremistisch und damit verfassungsfeindlich markiert!
Die Begründung des Richters in vier Punkten
Erstens strebe die junge Welt eine Gesellschaftsordnung nach marxistisch-leninistischem Verständnis an. Lenin habe aber die Freiheitliche demokratische Grundordnung (FDGO) energisch bekämpft. Wenn man also – wie die junge Welt – Lenin sympathisch findet, sei man ebenfalls ein Feind der FDGO.
Dem Richter ist zu empfehlen, ein wenig Lenin zu lesen, denn dann käme er drauf, dass Lenin mit der „FDGO“ nichts am Hut hatte, weil es diesen Begriff zu seinen Lebzeiten gar nicht gab. Es gab aber das verbrecherische Zarenregime, das von der russischen Arbeiterklasse unter der Führung von Lenins bolschewistischer Partei im Jahr 1917 gestürzt wurde. Die „Diktatur des Proletariats“ wie Lenin sie verstand, ist historisch gesehen die erste Gesellschaftsformation, in der das Volk das Sagen hat. Es handelt sich um eine Diktatur der großen Mehrheit, die dafür sorgt, dass die Profitinteressen Einzelner abgestellt werden und der erarbeitete Wohlstand allen zugute kommt.
Zudem sei die junge Welt der DDR »innerlich sehr verbunden«, das erkenne man daran, dass dort freundliche Artikel zum Thema zu finden seien. Damit sei klar, dass auch der Marxismus-Leninismus à la DDR gut gefunden würde. Und ist das in der BRD etwa verboten?
Zweitens wären in der jungen Welt Personen tätig, die auch etwas mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) zu tun hätten. Die DKP ist eine legale Partei, die auch immer wieder an Wahlen teilnimmt. Was hat der Richter dagegen?
Drittens sei die junge Welt mehr als ein Informationsmedium, wolle Reichweite erzielen und politischer Faktor sein und nannte als Beleg die jährliche Durchführung einer Rosa-Luxemburg-Konferenz, wo man sich auch als Teilnehmer am Klassenkampf präsentiere. Ist Klassenkampf in der BRD amtlich verboten? So ein Schwachsinn: Klassenkampf findet statt, jeden Tag und zu jeder Stunde, das wird ein Richter nicht ändern.
Und viertens würde sich die junge Welt nicht ausreichend zur Gewaltfreiheit bekennen (weil dort Terroristen zu Wort kämen, ohne dass man sich sofort von diesen distanzieren würde). Eine absurde Anschuldigung, denn in der jW kamen unseres Wissens ehemalige RAF-Terroristen zu Wort, die ihre Strafe schon abgesessen haben und noch wichtiger, sich kritisch mit der eigenen politischen Praxis auseinandergesetzt haben. Wovon müsste sich die Junge Welt denn da distanzieren?
Deshalb sei die Nennung der jW in den Verfassungsschutzberichten und die damit verbundenen Absichten berechtigt. Als Grundlage für diese Argumentation wird das bis heute geltende Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) in der BRD herangezogen. Die vom Gericht verfügten absurd hohen Prozesskosten sollen wohl einen zusätzlichen Beitrag liefern, der jungen Welt »den Nährboden zu entziehen« (diese Absicht wurde von der deutschen Regierung in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung bekundet).
Solidarität mit der jungen Welt
Politisch-Ideologische Fieberträume, die schon den Verfassungsschutzberichten zugrunde liegen, werden nun auch vom Gericht übernommen. Die Junge Welt wird sich dagegen wehren, und ersucht um Unterstützung in Form neuer Abonnements.
Die Redaktion der Zeitung der Arbeit spricht der Redaktion, dem Verlag und der Genossenschaft die volle Unterstützung und Solidarität aus. No pasaran!
Weitere Informationen: Prozess Junge Welt