Minimierte Erzeugerpreise ruinieren immer mehr bäuerliche Milchproduktionsbetriebe, während die Molkereien des Raiffeisenverbandes und die Supermarktketten davon profitieren. Nun kommt noch die kapitalistische Krise hinzu.
Linz/Klagenfurt. Österreichs Milchbauern nützen den heutigen „Weltmilchtag“ am 1. Juni dazu, um auf ihre schwierige Lage hinzuweisen. Den menschlichen Konsum von Kuhmilch und die Hochzüchtung von Milchkühen kann man zwar durchaus fragwürdig finden, doch die bedrückte Situation der Bauernschaft ist ungeachtet dessen eine problematische Tatsache. Dies zeigt etwa das Beispiel Oberösterreich: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Milchbauernbetriebe von 10.500 auf 6.300 gesunken – das heißt, dass einerseits immer mehr Bauern und Bäuerinnen nicht mehr von der Milchwirtschaft leben können und aufgeben müssen. Gleichzeitig ist andererseits im selben Zeitraum die oberösterreichische Milchproduktion keineswegs zurückgegangen, sondern erhöhte sich von 900.000 Tonnen auf über eine Million Tonnen pro Jahr. Dies bedeutet wiederum, dass es einen Konzentrationsprozess gibt: Weniger, aber immer größere Betriebe produzieren immer mehr. Ein solcher Vorgang ist im Rahmen der kapitalistischen Monopolisierung geradezu gesetzmäßig und er impliziert, dass kleine Produzenten ruiniert und verdrängt werden, während größere aufgrund ihrer technologischen und Rentabilitätsvorteile weiterhin wachsen. Und es versteht sich von selbst, dass Massentierhaltung und Massenproduktion freilich zusätzliche Schattenseiten mit sich bringen – für Mensch und Tier.
Dass viele Milchbauern nicht mehr über die Runden kommen, hat im Konkreten damit zu tun, dass die Erzeugerpreise auf einem Minimum gehalten werden: Im Jahr 2020 bekam ein Bauer gerade mal 34 Cent für ein Kilogramm Rohmilch. Dem gegenüber steht ein schließlicher Konsumentenpreis von durchschnittlich 1,18 Euro pro Liter – das bedeutet, der Bauer erhält lediglich 29 Prozent davon. Das hat nicht nur mit den Gewinnspannen der Supermarktketten zu tun, sondern auch mit den dazwischen agierenden Molkereien. Diese haben über den Raiffeisenverband quasi ein Monopol in Österreich: Berglandmilch (u.a. Schärdinger und Tirol Milch), NÖM oder SalzburgMilch sind durchwegs in diesem Bereich organisiert und missbrauchen die Monopolstellung – man übernimmt über 90 Prozent der österreichischen Rohmilchproduktion – zu einer entsprechenden Preisgestaltung gegenüber den Produzenten. Und so steckt schon einiges an tragischer Ironie in der Tatsache, dass die zum Agrarkonzern mit Finanzabteilung (oder umgekehrt) mutierte ÖVP-nahe „Bauerngenossenschaft“ Raiffeisen inzwischen zum führenden Ausbeuter der Bauernschaft mutierte. Genossenschaftliche Kooperationen und Kollektive, die tatsächlich den Bauern helfen und nicht der Profitmacherei der Konzerne, sind im Kapitalismus letztlich nicht möglich: Als Bauernbundbonzen versprechen die ÖVP-Berufsfunktionäre den Bauern höhere Erzeugerpreise – und dieselben Personen beschließen dann in den Vorständen der Raiffeisenverbände genau das Gegenteil.
Zuletzt haben freilich auch Pandemie und Krise den österreichischen Milchbauern massiv zugesetzt: In Kärnten beispielsweise gab es 2020 einen Umsatzrückgang um insgesamt 20 Prozent, im Gastronomiebereich gleich um 80 Prozent – mit entsprechenden Einkommensverlusten für die Bauern. Damit nicht genug: Im Frühjahr 2021 wurden zudem die Erzeugerpreise sogar um zwei Cent reduziert, womit sie nun wieder auf dem Niveau von 2015 liegen, obwohl die Konsumentenpreise und damit die Inflation deutlich gestiegen sind. Die Bauern sehen von den eigentlichen Einnahmen nichts, die Konzerne streifen die Profite ein. Kapitalismus eben – die tiefste Ursache des „Bauernsterbens“ in Österreich.
Quelle: ORF Oberösterreich / ORF Kärnten