Der sowjetische Regisseur Wladimir Menschow wurde für „Moskau glaubt den Tränen nicht“ 1981 mit einem „Academy Award“ ausgezeichnet.
Moskau. Am 5. Juli 2021 verstarb mit Wladimir Walentinowitsch Menschow ein produktiver und prominenter Filmkünstler der UdSSR-Geschichte. Der 1939 in Baku geborene Menschow absolvierte eine Schauspielausbildung am einst von Konstantin Stanislawski gegründeten Moskauer (Tschechow-)Kunsttheater, danach auch ein Filmstudium am staatlichen Institut für Kinematographie (seit 1986: Gerassimow-Institut). Menschow wirkte in zahlreichen Produktionen als Darsteller mit, doch er verstand sich immer vorrangig als Regisseur. Als solcher feierte er auch seine größten Erfolge.
Academy Award 1981
Der 1980 fertiggestellte Film „Moskau glaubt den Tränen nicht“ („Москва слезам не вери“) zeigt in der Inszenierung Menschows drei Frauenschicksale – eine der Hauptrollen übernahm Menschows Frau Wera Alentowa – in der sowjetischen Hauptstadt über einen Abstand von 20 Jahren (1958/1978). Dabei werden einerseits die neuen Möglichkeiten der UdSSR sichtbar, aber auch unüberwundene gesellschaftliche Probleme, denn der Sozialismus ist kein wundersames Allheilmittel. Insofern war der Realismus des Films gewiss kein „propagandistischer“. In der Sowjetunion wurde das Werk zur zweiterfolgreichsten Kinoproduktion der Filmgeschichte: „Moskau glaubt den Tränen nicht“ fand über 80 Millionen Zuseher und ist bis heute ein beliebter Klassiker in Russland. Gleichzeitig reüssierte der Film aber auch im „Westen“, sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik. Bei den US-amerikanischen Academy Awards 1981 kam die Jury nicht umhin, den sowjetischen Beitrag als besten fremdsprachigen Film mit einem „Oscar“ auszuzeichnen. Menschow setzte sich dabei gegen renommierte Konkurrenz durch, darunter immerhin François Truffaut („Die letzte Metro“), Akira Kurosawa („Kagemusha“) und István Szabó („Zimmer ohne Ausgang“).
Liebe und Tauben, Herr des Lichts
Solange die UdSSR Bestand hatte, arbeitete Menschow überaus fleißig für die beiden großen Produktionsfirmen, die Leningrader „Lenfilm“ und die die Moskauer „Mosfilm“. Für letztere realisierte er 1984 die Komödie „Der Kurschatten“ bzw., im eigentlichen Titel, „Liebe und Tauben“ („Любовь и голуби“). Auch dieses Werk begeisterte 45 Millionen Kinobesucher und wurde bei westeuropäischen Festivals gezeigt und prämiert. Bis 2019 war Menschow an weit über 100 sowjetischen und russischen Produktionen beteiligt, ironischer Weise häufiger als Schauspieler denn als Regisseur oder Drehbuchautor. Als Darsteller ist er auch einem jüngeren Publikum gut bekannt, durch die beiden Fantasy-Verfilmungen „Wächter der Nacht“ („Ночной Дозор“, 2003) sowie „Wächter des Tages“ („Дневной Дозор“, 2006), nämlich in seiner Rolle als Geser, Herr des Lichts.
Während man in den westeuropäischen und nordamerikanischen Medien gerne versuchte und versucht – auch nun anlässlich seines Todes – Menschow einen Gegensatz zur UdSSR anzudichten, so sprechen dagegen nicht nur sein umfangreiches Werk zu Sowjetzeiten, sondern auch entsprechende Auszeichnungen, darunter der „Staatspreis der UdSSR“, als „Verdienter Künstler der RSFSR“ oder als „Volkskünstler der RSFSR“. Nun ist Wladimir Menschow im Alter von 81 Jahren in Moskau gestorben, infolge einer CoViD-Erkrankung. Seine Filme bleiben weiterhin sehenswert, wenngleich man sie im Programm des ORF und anderer westeuropäischer TV-Sender auch jetzt vergeblich suchen wird.
Quelle: Der Standard