Übergewicht ist nur zu einem Teil genetisch bedingt. Die körperliche Gesundheit von Kindern hängt auch vom Geldbörserl der Eltern ab.
In Österreich gelten 24 Prozent der acht- bis neunjährigen Mädchen sowie 30 Prozent der gleichaltrigen Burschen als übergewichtig, sind als adipös oder sogar extrem adipös eingestuft worden. Dies belegte eine Studie der Childhood Obesity Surveillance Initiative (COSI) aus den vorpandemischen Jahren 2019/2020. Man kann sich vorstellen, dass sich die darauffolgenden Pandemiejahre nicht günstig auf diese Bestandsaufnahme ausgewirkt haben mögen. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Homeschooling und der Stress dieser Periode hat in mehrerer Hinsicht seine Spuren hinterlassen. Prinzipiell haben Kinder, deren Eltern bereits übergewichtig sind, ein höheres Risiko, selbst übergewichtig zu werden. Rund 70 Prozent des Körpergewichts sind genetisch vorherbestimmt, der Rest wird gemeinhin dem Lebensstil zugesprochen. Da man aber bei Menschen im Kindesalter nicht gerade von Lebensstilen reden kann, sind es eigentlich die äußeren Umstände, die die Gesundheit von Kindern stark beeinflussen. Die äußeren Umstände sind aber nichts anderes als die sozialen Lebensverhältnisse, in denen sich die Kinder befinden.
Reduziertes Einkommen führt zu einem erhöhten Risiko
Der Studie der Childhood Obesity Surveillance Initiative gemäß, sind Kinder aus Familien mit geringerem Einkommen einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit von Übergewicht ausgesetzt. Die Kinder jener Eltern, die bei der Befragung „Haben Schwierigkeiten mit unserem monatlichen Einkommen auszukommen“ angekreuzt hatten, fielen zu 45,6 Prozent in die Definition von Übergewicht der WHO und zu 38,9 Prozent in jene der International Obesity TaskForce (IOTF). Die Kinder jener Eltern, die die Option „Wir kommen mit unserem Einkommen kaum über die Runden“ gewählt hatten, weisen auch sehr hohe Zahlen auf: 35,3 Prozent (WHO-Definition) und ebenfalls 35,3 Prozent (IOTF-Definition). Die Studie kam deshalb zum Schluss, dass die sozioökonomischen Faktoren eine sehr große Rolle bei der Kindesentwicklung spielen:
„Bezugnehmend auf die sozioökonomischen Faktoren kann beobachtet werden, dass ein niedrigeres Bildungsniveau und ein reduziertes Einkommen mit einem erhöhten Risiko für ÜG korrelieren.“
Eine vom Robert-Koch-Institut in Bezug auf die BRD durchgeführte Studie kommt auf ähnliche Resultate. Dort kam man zum Schluss, dass der Anteil adipöser Kinder in sozial benachteiligten Familien um 9,9 Prozent höher sei, als bei Familien, bei denen das Einkommen stimmt.
Bewegung und gemeinsame Mahlzeiten
Dies mag einerseits an der Ernährung liegen. Geringverdienende Familien müssen auch bei den Lebensmitteln sparen. Von Haushaltshilfen, die Einkauf und Kochen für sie erledigen würden, kann ohnehin keine Rede sein. Die soziale Benachteiligung hat aber auch Folgen für die gemeinsam erlebte Familienzeit. Wer sich Ausflüge und Reisen leisten kann, hat automatisch im Freien spielende Kinder. Wer über keine Geldmittel verfügt, muss zuhause bleiben, wo die Eltern fernsehen und das Kind seine Freizeit vor einer Konsole verbringt.
Je weniger Aufmerksamkeit den Kindern geschenkt wird (bzw. durch die Lebensumstände geschenkt werden kann), desto häufiger ergibt sich das Problem der Inaktivität von Kindern. Esskultur und die Vielfalt von Lebensmitteln kann den Kindern nur bei gemeinsamen Mahlzeiten beigebracht werden. Müssen die Eltern jedoch arbeiten, ist das Kind auf sich allein gestellt und wird sich für den einfacheren Weg bei der Zubereitung von Mahlzeiten entscheiden. Es ist also klar ersichtlich – der Mangel an Gesundheit bei Kindern in diesem Alter lässt sich auf den kapitalistischen Teufelskreis zurückführen, in dem man die Eltern der Kinder durch Lohnarbeit und Überstunden zwängt. Dass die Psyche auch dazu beiträgt, dass Übergewicht entsteht und sich festsetzt, sollte auch nicht vergessen werden. Häufig handelt es sich bei ungesunder und übermäßiger Ernährung um eine emotionale Regulierung von Sachverhalten, denen man nicht gewachsen ist (nicht nur bei Erwachsenen). Psychosoziale Belastungsfaktoren und psychische Erkrankungen stressen den Körper noch mehr und tragen zum Mangel an Gesundheit bei. Aber auch diese Stressfaktoren haben nur allzu oft ihre Ursache im Kapitalismus selbst, in der sozioökonomischen Situation im eigenen Haushalt und in der auf Konkurrenz getrimmten Schulbildung, die sich auf die Kinder überträgt.
Quellen: