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Wenn der Postmann nicht mehr klingelt

Kürzlich sorgte US-Präsident Trump für Aufsehen, als er vermehrte Briefwahlstimmen bei den kommenden Wahlen als potenzielle Quelle von Betrug und Fälschung ausmachte. Dahinter steht auch eine Kampagne gegen den öffentlichen Postdienstleister der Vereinigten Staaten.

Washington. Die US-amerikanische Bundespost (United States Postal Service, USPS) ist zum umstrittenen Diskussionsgegenstand geworden. Präsident Donald Trump hatte unterstellt, ihre Unzuverlässigkeit könne im Bereich der Briefwahlstimmen zu Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst beitragen. Tatsächlich geht es aber um mehr, nämlich um die Zerstörung des staatlichen Konzerns. Es mag auf den ersten Blick eigenartig anmuten, dass ein Regierungschef eine eigene Bundesbehörde ruinieren und letztendlich in dieser Form abschaffen möchte, doch es sind die Profitinteressen des nordamerikanischen Monopolkapitals, die auch in dieser Angelegenheit die Grundlage des präsidentiellen Handelns bilden.

Trumps Großspender als Postmaster General

Der USPS verfügt über eine lange Geschichte: Der staatliche Postdienstleister der USA wurde 1775 auf dem zweiten Kontinentalkongress auf Initiative (und zunächst unter Leitung) Benjamin Franklins geschaffen, damals noch unter dem Namen „US Post Office Department“. Bis 1971 war sein Vorsitzender, der auf den bedeutsam klingenden Titel „US Postmaster General“ hört, automatisch Mitglied der Bundesregierung und somit im Ministerrang – dies hat dann Richard Nixon geändert. Und damit sind wir auch schon bei den aktuellen Vorgängen: Im Mai 2020 ernannte Trump einen gewissen Louis DeJoy überraschend zum neuen Postmaster General und CEO des USPS. Das gründete sich zunächst auf Dankbarkeit und Käuflichkeit: DeJoy und dessen Lebensgefährtin, die ihrerseits vor Kurzem als kommende US-Botschafterin in Kanada nominiert wurde, zählen zu den verlässlichsten Großspendern der Republikanischen Partei sowie der Wahlkampagnen Trumps – rund 1,5 Millionen Dollar haben die beiden in die Bemühungen zur Wahl und Wiederwahl Trumps bislang gesteckt. Da kann man im Gegenzug schon mal einen Vorstandsposten in einem wichtigen Staatsbetrieb erhalten, auch wenn man in der fraglichen Branche keinerlei operative Erfahrung vorzuweisen hat. Allerdings ist dies keineswegs nur Selbstzweck oder Versorgungsjob.

Zuerst ruinieren…

Mit ca. 633.000 Angestellten, 31.000 Postämtern und einem Jahresumsatz von 71 Milliarden Dollar ist der USPS ein Großunternehmen. Dass dieses per Gesetz die sichere Versorgung aller Einwohnerinnen und Einwohner der USA garantieren soll und dabei bislang auch noch recht gut funktioniert, ist dem Kapital ein Dorn im Auge. Daher ging man daran, USPS gezielt zu ruinieren. Zunächst wurden Überstundenbezahlungen für die Angestellten untersagt, was zu Folgendem führte: Die Amtsangestellten, Sortierer und Briefträger konnten ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen, weswegen vermehrt Verzögerungen und Verlangsamungen bei den Sendungen und Zustellungen auftraten; gleichzeitig bedeutete die neue Regelung für die Angestellten vermehrten Stress, aber weniger Lohn; außerdem mussten die Öffnungszeiten der Postämter eingeschränkt und manche gänzlich geschlossen werden; und natürlich führte dies zur Bevorzugung und Bevorteilung der privaten Konkurrenten des USPS wie FedEx und UPS. Unterm Strich stand das erwünschte finanzielle Ergebnis, nämlich ein USPS-Verlust von fast neun Milliarden Dollar im vergangenen Geschäftsjahr. Corona-Pandemie und begonnene Wirtschaftskrise haben die Situation nun zusätzlich verschärft, es droht die Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit. Die Demokratische Partei beantragte daher, aus dem Staatshaushalt 25 Milliarden Dollar zuzuschießen, um die postalische Grundversorgung zu sichern, doch Trump, seine Regierung und die republikanischen Senatoren verhinderten dies.

…dann privatisieren

Warum nur? Berechtigte Frage, simple Antwort: Die Trump-Administration will den USPS ganz bewusst und absichtlich in die Pleite treiben, um zu zeigen, dass der Staat doch ein überaus schlechter Unternehmer sei, wie das Defizit unweigerlich belegt. Dann bliebe freilich wieder einmal keine andere Option übrig, als den Staatskonzern zu privatisieren – zumindest die lukrativen Filetstücke. Dann fällt natürlich auch die gesetzlich verankerte flächendeckende Zustellgarantie durch USPS, die international wichtige Einbindung in den Weltpostverein steht gemäß Trump-Isolationismus ohnedies schon in Frage, und die Arbeitenden bei privatkapitalistischen Zustellern lassen sich bekanntlich auch wesentlich besser ausbeuten als Staatsangestellte. Im Ergebnis hätte man die Zerstörung der öffentlichen Grundversorgung, eine Verteuerung der Gebühren und natürlich größere Marktanteile und Profite für die privaten Monopole in diesem Bereich. Und der neue Postmaster General des USPS soll die Sache für Trump und das US-Monopolkapital nun zu Ende bringen – von der Unternehmensspitze aus. Seltsam, wenn ein CEO den eigenen Betrieb ruinieren soll und auch selbst will? Nicht zwingend. Denn Louis DeJoy ist Finanzinvestor – nicht nur bei der Republikanischen Partei, sondern bizarrer Weise auch bei den privaten USPS-Konkurrenten J. B. Hunt und UPS. So etwas kann man nicht erfinden, möchte man meinen, doch der Kapitalismus schafft genau solche Realitäten, zulasten der Arbeitenden und der Bevölkerung, zugunsten des Profitprimats und der Reichen. Und eine ordnungsgemäße und sichere Briefwahl wäre ohne funktionierenden staatlichen USPS dann wohl tatsächlich nicht mehr durchführbar.

Quelle: New York Times

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