St Pölten/Wien. In Österreich ist wieder einmal „Sparen“ angesagt – zumindest für die arbeitende Bevölkerung. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verkündet, alle müssten den Gürtel enger schnallen, während sie sich gleichzeitig über sogenannte „Lifestyle-Teilzeit“ empört. Unterstützung bekommt sie von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, der öffentlich fordert: Wer gesund sei und keine Verpflichtungen habe, müsse mehr leisten. Doch was wie ein Aufruf zu Fairness und Leistung getarnt wird, ist ein Angriff auf jene, die ohnehin schon die Hauptlast der Krise tragen – vor allem Frauen und Beschäftigte in belastenden Branchen.
Die ganze Debatte ist ein Lehrstück darüber, wie Politik im Dienste des Kapitals gemacht wird. Während Produktivitätsgewinne steigen und Konzerne fette Gewinne einfahren, wird der arbeitenden Bevölkerung eingeredet, sie sei „nicht leistungsbereit genug“. Gleichzeitig wird jede ernsthafte Debatte über Arbeitszeitverkürzung – bei vollem Lohn- und Personalausgleich – konsequent vermieden. Warum? Weil das den Interessen der Konzerne widerspricht, die von prekären, flexiblen und überlasteten Arbeitsverhältnissen profitieren.
Realität statt „Lifestyle“
Die Erzählung von der „Lifestyle-Teilzeit“ ist nicht nur herablassend, sie ist auch schlicht falsch. Laut einer Auswertung des Momentum Instituts werden in sogenannten „Frauenbranchen“ überdurchschnittlich viele Stellen nur in Teilzeit ausgeschrieben. Im Gesundheits- und Sozialbereich etwa, wo 75 Prozent der Beschäftigten Frauen sind, sind rund 30 Prozent der offenen Stellen reine Teilzeitjobs. Ähnliche Zahlen gelten für den Handel, die Gastronomie und den Erziehungsbereich.
Die Gründe dafür sind strukturell: Einerseits fehlen ganztägige und flächendeckende Kinderbetreuungsangebote – was echte „Wahlfreiheit“ in der Arbeitszeit unmöglich macht. Andererseits bieten Unternehmen gezielt Teilzeit an, weil sie davon profitieren: Mehrarbeit bei Teilzeitkräften ist billiger als Überstunden bei Vollzeitbeschäftigten.
Teilzeit als Überlebensstrategie
Was in den politischen Sonntagsreden verschwiegen wird: Viele Menschen arbeiten Teilzeit, weil sie gar nicht anders können. Sie kümmern sich um Kinder, pflegebedürftige Angehörige oder schützen schlicht ihre eigene Gesundheit vor einem Job, der in Vollzeit krank macht. Gerade in der Pflege, im Handel oder der Gastronomie sind die Arbeitsbedingungen oft so belastend, dass ein Vollzeitpensum für viele schlicht nicht machbar ist.
Statt diese Realitäten ernst zu nehmen, wird die Schuld den Einzelnen zugeschoben. Wer nicht 40 Stunden pro Woche schuften will, gilt als unsolidarisch – dabei ist es genau dieses System, das Solidarität verhindert. Denn während Millionen Menschen unter Zeitdruck, Existenzangst und Burnout leiden, werden die Gewinne aus ihrer Arbeit privatisiert.
Die richtige Antwort: Arbeitszeitverkürzung
Was wir stattdessen brauchen, ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Produktivität ist in den letzten Jahrzehnten massiv gestiegen – die Arbeitszeit aber kaum gesunken. Warum? Weil die Profite aus dieser Effizienzsteigerung einseitig abgeschöpft werden. Dabei wäre eine 30-Stunden-Woche nicht nur sozial und gesundheitlich sinnvoll, sondern auch ökonomisch klug: Weniger Arbeitslosigkeit, bessere Verteilung von Sorgearbeit und mehr Kaufkraft. Die aktuelle Debatte zeigt einmal mehr: Diese Politik wird nicht im Interesse der arbeitenden Menschen gemacht, sondern im Interesse der Konzerne und der Reichen.
Quelle: ORF/Kleine Zeitung