Die rigorosen Lohnkürzungen für Lehrlinge in Südtirol stellen inzwischen das gesamte Ausbildungssystem in Frage, doch Unternehmen und Politik reagieren nicht.
Bozen. Das Südtiroler Arbeitsförderungsinstitut (AFI) verweist auf die negativen Auswirkungen der drastischen Senkung der Lehrlingslöhne. Diese wurde schon von einiger Zeit vorgenommen, seither bleibt das Niveau anhaltend niedrig. Ein Lehrling im Metallhandwerk beginnt z.B. mit einem Einstiegsgehalt von 529 Euro brutto pro Monat, im vierten Lehrjahr endet man bei 1.210 Euro – ein guter Notenschnitt an der Berufsschule vorausgesetzt. Ein Friseurlehrling erhält zunächst überhaupt nur 423 Euro, schlussendlich bleibt auch das Endgehalt unter 1.000 Euro. Etwas besser sieht es hingegen beispielsweise im Bereich Gastgewerbe und Beherbergung aus, der in Südtirol freilich auch besondere Bedeutung hat. Es waren natürlich die Unternehmen in den Branchen Handwerk, Handel und Dienstleistungen, die seinerzeit diese massive Kürzung der Lehrlingslöhne erzwungen haben – und nun wundert man sich, dass Lehrberufe für die Südtiroler Jugendlichen wenig attraktiv wirken, was sich in tendenziell rückläufigen Lehrlingszahlen zeigt.
Ungeachtet der Kostenreduktion gibt es aber auch die Situation, dass trotz sogar zusätzlicher Prämienzahlungen zu wenige Betriebe bereit sind, Lehrlinge auszubilden – offenbar sind den Unternehmen die Löhne und die arbeitsrechtlichen Regelungen immer noch nicht kapitalfreundlich genug. Freilich sind sie es, denen in Zukunft gut ausgebildete Fachkräfte fehlen werden, doch setzt man offensichtlich lieber auf ungelernte, mobile und damit billigere Arbeitskräfte. Die Corona-Epidemie und die kapitalistische Krise sind nun dazu angetan, die Gesamtsituation weiter zu verschärfen, denn man wird in dieser Situation erst recht nicht geneigt sein, Geld für eine anständige Lehrlingsausbildung in die Hand zu nehmen – weder von politischer noch von unternehmerischer Seite. Und so bleiben die politischen Phrasen von einer „Aufwertung der Lehre“ eben leeres Gerede, wenn das duale Ausbildungssystem so aussieht wie gegenwärtig und wenn die Lehrlingslöhne bewusst nach unten gedrückt werden. Für die jungen Menschen in Südtirol geht dies sodann mit schlechten Ausbildungsperspektiven, finanziellen und sozialen Schwierigkeiten sowie vermehrter Arbeitslosigkeit einher, denn sie sollen eben maximal ausgebeutet werden – oder als Kollateralschäden der kapitalistischen Profitmacherei in permanenter Existenzunsicherheit und Armutsgefährdung gehalten werden.
Quelle: Neue Südtiroler Tageszeitung