Seit über 300 Jahren befindet sich ein aztekischer Kopfschmuck, der als „Montezumas Federkrone“ bekannt ist, in Österreich. Der mexikanische Präsident López Obrador erneuerte nun das Ersuchen, das Artefakt ins Ursprungsland zu überführen.
Mexiko-Stadt/Wien. Zum Tag des indigenen Widerstands am 12. Oktober kündigte Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador an, Österreich abermals um die Rückgabe der so genannten „Federkrone Montezumas“ zu ersuchen. Der fragliche Kopfschmuck befindet sich im Weltmuseum (ehemals Museum für Völkerkunde) in der Wiener Hofburg. Die Forderung ist wahrlich nicht neu, scheiterte zuletzt aber auch daran, dass eine gemeinsame mexikanisch-österreichische wissenschaftliche Untersuchung zu dem Schluss kam, dass das Objekt einen Transport über den Atlantik nicht unbeschadet überstehen würde – für die Republik Österreich eine recht bequeme Ausrede, einen berühmten Kunstschatz nicht ans Herkunftsland übergeben zu müssen. Zwar dürfte es sich dabei formell gesehen nicht um koloniales Raubgut im engeren Sinn handeln, trotzdem erscheint eine Rückführung nicht gerade unangebracht: nicht, um Montezumas Rache zu entgehen, sondern aus moralischen und politischen Gründen. Doch imperialistische Politik und Moral vertragen sich selten.
Von Tenochtitlan nach Wien
Das umstrittene Exponat mit einer beachtlichen Größe von ca. 1,16 mal 1,75 Metern hat eine lange und weite Reise hinter sich: Der aztekische Herrscher Montezuma II. soll das Stück einst (1519/1520) dem Konquistador Hernán Cortés überreicht haben – angeblich mehr oder minder als freiwilliges Geschenk –, und auf diese Weise gelangte es zunächst an den spanischen Hof nach Valladolid. Ende des 16. Jahrhunderts hat Erzherzog Ferdinand II. von Tirol die Krone erworben, und so kam sie schließlich in die ethnographische Sammlung der österreichischen Habsburger und ins Kunsthistorische Museum nach Wien. Dort hielt man den Gegenstand lange Zeit für einen Mantel, ehe die amerikanische Anthropologin Zelia Nuttall 1892 dessen wahre Funktion als Kopfschmuck nachwies. Seither wird die Federkrone in fächerartiger Halbkreisform ausgestellt, von innen nach außen reihen sich verschiedene Vogelfedern – darunter vom Flamingo und des Quetzal-Vogels – sowie Goldplättchen, auf der Rückseite gibt es Lederriemen zur Befestigung am Kopf. Gleichzeitig wurde aber auch festgestellt, dass es sich nicht um eine Herrschaftsinsignie und schon gar nicht um die Krone Montezumas handelt, sondern vermutlich um einen zeremoniellen Kleidungsgegenstand eines aztekischen Priesters. Die falsche Bezeichnung hielt sich trotzdem unverdrossen bis heute, sowohl in Österreich als auch in Mexiko, wodurch wiederum ihr Wert politisch aufgeladen wird.
Tag des indigenen Widerstands
Es erscheint eher unwahrscheinlich, dass das altmexikanische Artefakt tatsächlich Wien verlässt und nach Mexiko-Stadt übersiedelt, wo seit den 1950er Jahren eine Kopie im Nationalmuseum für Anthropologie zu sehen ist (warum nicht einfach austauschen?). Die nunmehrige Ankündigung von López Obrador, seiner Ehefrau, der Historikerin Beatriz Gutiérrez Müller, auf deren anstehender Reise nach Wien ein Rückführungsersuchen mitzugeben, hat vor allem symbolische Bedeutung im Lichte der Aufarbeitung des Kolonialismus und der Unterdrückung der indigenen Bevölkerung Amerikas. In diesem Sinne wurde auch der 12. Oktober, ausgehend von Venezuelas damaligen Präsidenten Hugo Chávez, 2002 neu interpretiert als „Tag des indigenen Widerstands“. Vielerorts wurde (und wird) das Datum nämlich als „Kolumbus-Tag“ begangen, der an die Landung von Christoph Kolumbus am 12. Oktober 1492 in der „Neuen Welt“ – konkret auf den Bahamas – erinnern soll. Vor dem Hintergrund der Entkolonialisierung, des Antiimperialismus und der Rechte der indigenen Völker ist dies schon länger umstritten, in einzelnen amerikanischen Staaten (z.B. Kuba) wurde der „Kolumbus-Tag“ gänzlich abgeschafft, in anderen sowie sogar in Teilen der USA gilt er inzwischen als „Tag der Indigenen“, „Tag der Dekolonisation“ oder „Tag der Interkulturalität“. Andere wollen sich die Erinnerung an die europäische Landnahme aber nicht nehmen lassen: Sie zelebrieren den 12. Oktober gar als „Tag der Rasse“ – nämlich der spanischen und spanischstämmigen. In Spanien selbst handelt es sich um einen Nationalfeiertag unter dem Titel „Tag der Hispanität“.
Quelle: ORF