In Kaisersteinbruch, einem Ort mit einer verborgenen Vergangenheit als Standort eines Gefangenenlagers während des Zweiten Weltkriegs, begibt sich ein Filmteam unter der Leitung von Reinhard Tötschinger auf eine Spurensuche. Ihr Ziel ist es, die Geschichte des Ortes in einem Dokumentarfilm sichtbar zu machen, indem sie verborgene Erinnerungen und unterdrückte Geschichten ans Licht bringen.
Neusiedl am See. Seit 1970 liegt Kaisersteinbruch, einst der kaiserliche Steinbruch am Leithagebirge, innerhalb der gleichnamigen Katastralgemeinde in der Großgemeinde Bruckneudorf im Bezirk Neusiedl am See im Burgenland. Kaisersteinbruch birgt dabei eine weitgehend unbekannte Geschichte: 1938 erweiterte etwa die deutsche Wehrmacht das Anhaltelager Kaisersteinbruch (Lager I) um die Kaserne. Die örtliche Bevölkerung musste aufgrund des Platzbedarfs der Wehrmacht ihre Häuser verlassen und wurde umgesiedelt, um Platz für die Errichtung des Kriegsgefangenenlagers Stalag XVII A zu schaffen. Kaisersteinbruch war das erste Kriegsgefangenenlager in der Ostmark und gleichzeitig eines der ersten Lager im gesamten Reichsgebiet.
Am 12. Februar 1934 wurden überdies die Mitglieder der sozialdemokratischen und Kommunistischen Partei (KPÖ) sowie des freien Gewerkschaftsbundes, die im Burgenland verhaftet worden waren, an diesem Ort untergebracht. Als Wachmannschaft wurden Mitglieder der Vaterländischen Front aus dem südlichen Burgenland dorthin beordert, die äußerst brutal mit den Gefangenen umgingen.
Reinhard Tötschinger, Schriftsteller und Kultursoziologe, arbeitet zurzeit an einem Dokumentarfilm über die Vergangenheit des Ortes. Tötschinger will u.a. wissen, was den Nachkommen weitergegeben wurde. In seinem Dokumentarfilm „Kaisersteinbruch – Die unsichtbare Geschichte“ will er die Geschichte des Ortes sichtbar machen.
Kaum Zeichen der Erinnerung
Im Lager in Kaisersteinbruch waren Kriegsgefangene aus 18 verschiedenen Ländern interniert. Heutzutage erinnert wenig in diesem Ort an diese trübe Vergangenheit. Ein Team von Filmemachern unter der Leitung von Tötschinger begab sich auf Spurensuche. Im alten Pfarrhaus, das vom Verfall bedroht ist, wurden noch Artefakte wie Feldflaschen und von den Gefangenen hergestellte Ringe gefunden.
„Der Ort wirkt für mich ganz tot. Der Ort hat aber eine Riesengeschichte, einerseits eine erfolgreiche, mit den ganzen Steinmetzbetrieben – italienische, deutsche –, die in Wien unzählige Palais und die Hofburg ausgestattet haben. Und dann plötzlich der Einbruch des Militärs 1912, dass das plötzlich alles riesiges Militärgebiet wurde. Und dann die Lagergeschichte, dass hier eines der größten Kriegsgefangenenlager des Deutschen Reiches platziert war“, so Tötschinger.
Entlang der einstigen Lagermauer gibt es lediglich eine kleine Gedenktafel als Erinnerung. Selbst der Friedhof für die Gefangenen ist kaum markiert und gehört nun zu Niederösterreich. Vor Kurzem wurde sogar eine Gedenktafel an einem der Gräber mutwillig entfernt. Tötschinger strebt danach, herauszufinden, was den Nachkommen überliefert wurde. In seinem Dokumentarfilm „Kaisersteinbruch – Die unsichtbare Geschichte“ möchte er die Geschichte des Ortes ans Licht bringen. Seine Suche nach verborgenen Erinnerungen und unterdrückten Geschichten im Ort wird jedoch schätzungsweise noch eine Weile andauern.
Quelle: ORF