Im Juli 2021 feiert die Kommunistische Partei Chinas ihr 100-jähriges Bestehen. Ihre Geschichte hat heroische und revolutionäre Seiten, ihre Gegenwart ist umstritten.
Peking. Mit viel Pomp beging man in der Volksrepublik China am 1. Juli 2021 das 100. Jubiläum der Kommunistischen Partei (中國共產黨, KPCh). Das proklamierte Datum ist freilich nicht ganz zutreffend, denn der 1. Nationale Parteitag der KPCh fand eigentlich erst ab 23. Juli 1921 in Shanghai statt. Damals kamen in einem unscheinbaren Gebäude, das heute natürlich ein Museum ist, im französischen Konzessionsbezirk im Südwesten der Stadt 13 Delegierte zusammen, darunter ein gewisser Mao Tse-tung. Sie repräsentierten kommunistische Zellen aus sechs Städten und letztlich wohl nicht mehr als insgesamt 60 Mitglieder. Der prominenteste chinesische Marxist jener Zeit, der Pekinger Universitätsprofessor Li Dazhao, nahm nicht an der Versammlung teil, jedoch regen Anteil am Gründungs- und Aufbauprozess. Anwesend waren hingegen zwei ausländische Vertreter, die auf Lenins Veranlassung von der Kommunistischen Internationale aus Moskau entsandt worden waren, um die Gründung der KPCh zu unterstützen. Aufgrund polizeilicher Repression wurde der Parteitag am 30. Juli unterbrochen und auf ein Boot auf dem See Nan Hu bei Jiaxing verlegt. Dort endeten die Beratungen am 2. August 1921 und die Gründung der Kommunistischen Partei Chinas war gewissermaßen offiziell.
Bürgerkriege und Gründung der Volksrepublik
Man könnte an dieser Stelle nun einfach schreiben: Der Rest ist Geschichte. Denn die historischen Folgen dieser überschaubaren Zusammenkunft in den Wirren der ersten chinesischen Republik waren und sind von immenser, ja sogar globaler Bedeutung. Ab 1924 kam es zur Zusammenarbeit mit der Kuomintang („Nationale Volkspartei“, KMT), um die Kräfte gegen den Imperialismus und für die chinesische Einheit und Selbstbestimmung zu bündeln. 1927 löste Chiang Kai-shek das Bündnis mit den Kommunisten auf, es folgten Verfolgung und Bürgerkrieg. In diese Zeit fallen jedoch auch ein bedeutendes Wachstum der KPCh, die Gründung der Volksbefreiungsarmee durch Mao Tse-tung, der Guerillakampf sowie der „Lange Marsch“ 1934/35, der Maos Mythos begründete. Ab 1936 bekämpften KMT und KPCh nochmals gemeinsam die japanischen Aggressoren, nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zum finalen revolutionären Bürgerkrieg, den die kommunistischen Kräfte bis 1949 siegreich beendeten (das „nationalchinesische“ KMT-Regime zog sich nach Taiwan zurück). Die Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 markierte zunächst einen Meilenstein in der Geschichte der proletarischen Weltrevolution und eine massive Stärkung des sozialistischen Lagers.
Von der Kulturrevolution zum „Sozialismus chinesischer Prägung“
Der darauffolgende Rest ist dann eine andere Geschichte: Spätestens ab 1957 kam es zum Bruch zwischen der sowjetischen KPdSU unter Chruschtschow und der KPCh. Kann man an diesem Punkt die Vorbehalte Maos gegen die neuen Moskauer Linien noch als antirevisionistischen Standpunkt werten, so bedeutete die Entwicklung des „Maoismus“ in weiterer Folge ebenso ein Abgehen vom Marxismus-Leninismus. Die chinesische „Kulturrevolution“ ab 1966 ist als linksradikale Kampagne Ausdruck dieses Scheiterns – und die Rechnung wurde 1976, nach dem Tod Maos präsentiert: Deng Xiaoping leitete unter dem Vorwand einer „Modernisierung“ eine neue Wende ein, die neben einer Industrialisierung auch „marktwirtschaftliche Entwicklungselemente“ vorsah. Diese „Deng Xiaoping-Theorie“ ersetzte gemeinsam mit der „Theorie des dreifachen Vertretens“ (Jiang Zemin) faktisch marxistische und maoistische Prinzipien, Hu Jintao strebte schließlich nur noch eine „harmonische Gesellschaft“ an. Heute gelten die Gedanken des immer noch amtierenden Xi Jinping über den „Sozialismus chinesischer Prägung“ als entscheidende Grundlage der Tätigkeit der KPCh und der politischen und wirtschaftlichen Führung der Volksrepublik China. Trotz bemühter Marxismus-Bekenntnisse der KPCh erscheint die Frage, ob es nicht besser wäre, einen Sozialismus sozialistischer Prägung anzustreben, mehr als naheliegend und berechtigt.
100 Jahre Partei, 72 Jahre Volksrepublik
Nach 100 Jahren hat die Kommunistische Partei Chinas zweifellos eine gewisse Erfolgsgeschichte vorzuweisen: Die Revolution im bevölkerungsreichsten Land der Welt war 1949 eine große Errungenschaft. Die Steigerung der Mitgliederzahl von 13 Delegierten beim Gründungskongress 1921 auf beinahe 80 Millionen Parteimitglieder im Jahr 2021 ist einzigartig. Trotz diverser Fehlentwicklungen und ‑orientierungen in der Folgezeit hat die VRC unter Führung der KPCh in etwas mehr als 70 Jahren immense Fortschritte gemacht, etwa in der (kapitalistischen) Entwicklung der Produktivkräfte, in der wissenschaftlich-technischen Entwicklung, auch in der Bekämpfung der Armut. China hat sich zu einem politischen, ökonomischen und absehbar militärischen Global Player aufgeschwungen, der die Hegemonialposition der USA zunehmend infrage stellt.
Ob diese gesamte chinesische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte noch viel mit den Zielen der kommunistischen Weltbewegung zu tun hat, ist in derselben umstritten. Manche hoffen immer noch auf einen großen sozialistischen „Masterplan“ hinter dem chinesischen Staatskapitalismus mit „patriotischen“ Privatkapitalisten, andere attestieren der VRC mittlerweile sogar einen imperialistischen Charakter. Grundsätzlich kann man es bei einer Beurteilung der Kommunistischen Partei Chinas und seiner Führung zum 100. Geburtstag wohl mit Lenin halten: Will man jemanden richtig einschätzen, so darf man nicht auf seinen Mund, sondern muss man auf seine Hände achten.