HomeKlassenkampfFrauenVor 50 Jahren: Frauenwahlrecht in der Schweiz

Vor 50 Jahren: Frauenwahlrecht in der Schweiz

Erst im Jahr 1971 erhielten die eidgenössischen Frauen auf Bundesebene das Wahlrecht – von Gnaden der Männer und bei weiterem Widerstand, der bis 1990 anhielt.

Am 31. Oktober 1971 fanden in der Schweiz Parlamentswahlen statt, wobei die 200 Abgeordneten des Nationalrats sowie rund drei Viertel des Ständerats bestimmt wurden. Stärkste Partei im Nationalrat wurde damals die liberale, „staatstragende“ Freisinnig-Demokratische Partei (FDP, 49 Sitze) vor den Sozialdemokraten (SP, 46 Sitze). Die linkssozialistisch-kommunistische Partei der Arbeit (PdA) erreichte immerhin fünf Mandate. Das alles ist eigentlich nicht weiter von Bedeutung, da ohnedies, wie üblich, eine Konzentrationsregierung der „Bundesratsparteien“ gebildet wurde.

Von weiterreichender Relevanz war jedoch die Tatsache, dass die eidgenössischen Parlamentswahlen von 1971 die ersten bundesweiten Stimmabgaben markierten, bei denen auch Frauen wahlberechtigt waren. Bis dahin war das Wahlrecht in der Schweiz auf den männlichen Teil der Bevölkerung beschränkt, die Frauen waren demokratiepolitisch ausgeschlossen. Dass es derartig lange dauerte, bis in der Schweiz auf Bundesebene das Frauenwahlrecht eingeführt wurde, hat verschiedene Gründe: Zum einen beriefen sich die Gegner auf das althergebrachte Prinzip, dass das Wahlrecht an den aktiven Wehrdienst gebunden sein müsse, wie in der Bundesverfassung von 1848 festgelegt. Außerdem brauchte es zur Einführung des Frauenwahlrechts einer besonderen Zustimmung zu diesem: Die Männer mussten einerseits in einer Volksabstimmung darüber entscheiden, andererseits bedurfte es auch einer Mehrheit der Kantone, die sich dafür auszusprechen hatte.

1945 und 1954 wurden Vorstöße der PdA noch abgelehnt, erst im Februar 1959 kam es zu einer ersten Volksabstimmung (oder vielmehr: Männerabstimmung). Das Ergebnis war ernüchternd, denn zwei Drittel der Teilnehmer votierten gegen das Frauenwahlrecht, wobei aber auch nur SP und PdA zu einem „Ja“ aufgerufen hatten. Auch bezüglich der Kantone gab es eine deutliche Ablehnung, lediglich in der Romandie sah es besser aus – dort wurde den Frauen immerhin auf kantonaler Ebene das Stimmrecht zugestanden. Damit war jedoch ein Durchbruch erreicht, nachdem Frauenvereine schon seit 100 Jahren die vollen Bürgerinnenrechte verlangt hatten. Im Tessin und in einigen Deutschschweizer Kantonen schloss man sich den französischsprachigen Kantonen im Westen an. 1965 wurde außerdem klar, dass es ohne Frauenwahlrecht keinen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention geben würde. Aber auch die Bewegung radikalisierte sich: Feministische Gruppen erhielten Aufwind durch die 68er-Bewegung, als diese auch die Eidgenossenschaft erreichte, 1969 organisierten sie eine große Demonstration vor dem Bundesrat in Bern. Die Stimmung kippte, alle Regierungsparteien, der Gewerkschaftsbund und der Bauernbund unterstützten nun die Einführung des Frauenwahlrechts, weswegen es am 7. Februar 1971, 123 Jahre nach der Bundesverfassung, eine neue Männerabstimmung gab.

Diesmal war der Ausgang ein anderer als zwölf Jahre zuvor: Knapp 66 Prozent der männlichen Stimmbürger votierten nun für das Frauenwahlrecht, auch unter den Kantonen stellte sich die nötige Mehrheit ein. Am 16. März 1971 wurde die entsprechende Regelung rechtswirksam, womit eben vor 50 Jahren, am 31. Oktober 1971, zum ersten Mal Frauen an der Parlamentswahl teilnehmen konnten. Und sie waren auch wählbar: Erstmals zogen Frauen in den Nationalrat ein, wenngleich sie zunächst lediglich elf von 200 Mandaten besetzten.

In den deutschsprachigen Kantonen der Ost- und Innerschweiz setzte sich der männliche Widerstand gegen die politische Gleichberechtigung jedoch fort, auf kantonaler Ebene wurde zum Teil zögerlich nachgezogen. Erst 1990, vor gerade einmal 31 Jahren, fiel die letzte Bastion des rein männlichen Stimmvolkes mit der Einführung des Frauenwahlrechts auch auf kantonaler Ebene in Appenzell-Innerrhoden, wofür sogar nochmals ein entsprechendes Urteil des Eidgenössischen Bundesgerichts nötig war. Kurz gesagt: In Bezug auf das Frauenwahlrecht hat sich die Schweiz, die gerne als besonders demokratisch dargestellt wird, nicht gerade progressiven Ruhm erworben. Die späte Umsetzung von 1971 wird in Europa nur noch vom kleinen Nachbarn Liechtenstein im negativen Sinn übertroffen: Dort wurde das Frauenwahlrecht erst im Juli 1984 eingeführt.

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