HomeFeuilletonGeschichteVor 55 Jahren: Vernichtung der KP Indonesiens

Vor 55 Jahren: Vernichtung der KP Indonesiens

Ab 1. Oktober 1965 entfaltete die Militärjunta Suhartos in Indonesien ein antikommunistisches Massaker, dem eine Million Menschen zum Opfer fiel. Die Kommunistische Partei wurde völlig ausgelöscht.

Jakarta. Indonesien ist nicht nur das bevölkerungsreichste muslimisch geprägte Land der Erde, sondern hatte einst auch die weltweit größte kommunistische Partei, die nie in Regierungsverantwortung stand – also die drittgrößte nach der KP Chinas und der KPdSU. Die Kommunistische Partei Indonesiens (Partai Komunis Indonesia, PKI) verfügte über mehr als drei Millionen Mitglieder – bis 1965. Am 30. September dieses Jahres wurde der so genannte G30S-Putsch inszeniert, der den Kommunisten in die Schuhe geschoben wurde, woraufhin eine Militärjunta unter General Suharto an die Mach kam und ab 1. Oktober 1965 die PKI systematisch verfolgte, zerschlug und im physischen Sinn liquidierte – bis zu eine Million PKI-Mitglieder und ‑Anhänger fielen dem mörderischen Suharto-Terror in den Jahren 1965 und 1966 zum Opfer. Die Auslöschung der PKI und der antikommunistische Massenmord sind bis heute unaufgearbeitet.

Erstes Komintern-Mitglied Asiens

Die Wurzeln der kommunistischen Bewegung Indonesiens reichten in die niederländische Kolonialzeit zurück. 1914 wurde die „Indische Sozialdemokratische Vereinigung“ (Indische Sociaal-Democratische Vereeniging, ISDV) gegründet, zunächst noch mit mehr niederländisch-stämmigen als einheimischen Mitgliedern. Im Mai 1920 erfolgten, unter dem Eindruck der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und der Etablierung der Russischen Sowjetrepublik, die Umbenennung der ISDV in Kommunistische Union Indiens (Perserikatan Komunis di Hindia, PKH) und der Beitritt zur Kommunistischen Internationale. Die PKH war das erste eigenständige asiatische Mitglied der Komintern und schlug einen marxistisch-leninistischen Kurs ein. Im Zuge der Bolschewisierung der Sektionen nahm sie 1925 den Namen PKI an, verstärkte die gewerkschaftliche Arbeit und gewann deutlich an Aktivisten und Unterstützung. Im November 1926 scheiterte ein antikolonialer Aufstandsversuch unter Führung der PKI, woraufhin die Partei von den niederländischen Behörden verboten und ihre Mitglieder verfolgt wurden. Die Illegalität dauerte bis 1945, die Unterdrückung der indonesischen Kommunisten wurde natürlich durch die japanischen Besatzer während des Zweiten Weltkrieges nahtlos fortgesetzt.

Wachsender Einfluss nach dem Zweiten Weltkrieg

Im bewaffneten Kampf gegen die Rekolonialisierung durch die Niederlande wuchsen die PKI, ihre „Volksjugend“-Organisation sowie ihre Milizen stark an, 1949 war der Widerstand erfolgreich und die Regierung in Den Haag musste die Unabhängigkeit Indonesiens anerkennen. Die folgende antiimperialistische Regierung von Präsident Sukarno wurde zwar kritisiert, aber in einigen Grundzügen auch mitgetragen, v.a. nachdem Sukarno auf internationaler Ebene die konstruktive Zusammenarbeit mit der UdSSR und der VR China suchte und die Bewegung der Blockfreien Staaten mitinitiierte. In dieser Zeit wurde die PKI zur Massenorganisation, mit zunächst einer Mitgliederzahl von 1,5 Millionen Mitte der 1950er Jahre, die sich im folgenden Jahrzehnt nochmals verdoppelte. Bei den Parlamentswahlen 1955 erreichte die PKI 16 Prozent der Stimmen, in Ostjava sogar 30 Prozent. Das kontinuierliche Erstarken der kommunistischen Bewegung in der indonesischen Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt die wichtigste Massenorganisation des Landes war, sowie die antiimperialistische Politik riefen allerdings die islamisch-reaktionären Kräfte in der Armee auf den Plan, die mit den USA verbündet waren. Sie wollten Sukarno absetzen, die PKI zerschlagen und das Land wieder auf proimperalistischen Kurs bringen, was zu den Ereignissen vom 30. September und 1. Oktober 1965 führte.

Putschinszenierung und realer Militärputsch

Am letzten Septembertag vor 55 Jahren wurden sechs Generäle der indonesischen Arme entführt und ermordet, was als Auftakt zu einem politischen Umsturz interpretiert wurde. Es ist recht evident, dass es sich um eine gezielte Inszenierung handelte, heute liegen viele Indizien für eine Beteiligung der CIA sowie des westdeutschen BND vor. Armeegeneral Suharto übernahm, offiziell zur Niederschlagung des angeblichen Putschversuches, schrittweise die Macht (Sukarno wurde erst 1967 offiziell abgesetzt) – und putschte also wirklich. Das ihm unterstellte Militär und islamische Banden zogen in den Vernichtungskrieg gegen die antiimperialistische Linke sowie insbesondere die PKI, der auf absurde Weise der inszenierte Putschversuch fälschlich angelastet wurde. Unter diesem Vorwand wurde die Partei abermals verboten, was bis heute – auch unter „demokratischen“ Verhältnissen – gültig ist. Doch es ging um wesentlich mehr als eine bloße Illegalisierung: Die PKI sollte vernichtet werden, damit der Marxismus-Leninismus und die kommunistische Bewegung nachhaltig ihren Masseneinfluss in Indonesien verlieren. Hierfür schreckte die Militärjunta nicht davor zurück, einen Bürgerkrieg zu entfalten, ein Terrorregime zu etablieren und im unmittelbaren Anschluss an die Machtergreifung eine halbe Million Kommunisten und Linke in einem regelrechten Massaker zu ermorden. In den folgenden Monaten starben 500.000 weitere PKI-Aktivisten durch die Hand der reaktionären, tatsächlichen Putschisten im Dienste der USA und des Imperialismus, darunter auch der PKI-Parteivorsitzende: Dipa Nusantara Aidit wurde am 23. November 1965 auf Java verhaftet und umgehend erschossen. Hunderttausende weitere Menschen wurden durch die Suharto-Diktatur (bis 1998) in Gefängnisse und Konzentrationslager verbracht, viele in abgelegene Regionen des Inselstaates deportiert, durch Misshandlungen, Folter und brutale Zwangsarbeit gebrochen. Diejenigen, die aus der Haft wieder entlassen wurden, trafen danach der Verlust aller Bürgerrechte sowie Berufsverbote.

Imperialistische Unterstützung für Massaker an Kommunisten

Obwohl das Ausmaß des Massakers an den indonesischen Kommunisten in Nordamerika und Westeuropa durchaus bald bekannt war, wurde das Vorgehen der Militärjunta von den Regierungen der USA und Großbritanniens sogar ausdrücklich begrüßt. Der US-Imperialismus wertete die Vernichtung der PKI als wichtigsten Beitrag des Jahrzehnts im Kampf gegen den Sozialismus – neben dem eigenen verbrecherischen Vietnamkrieg –, weswegen die Machtergreifung Suhartos sowie sein folgendes Diktaturregime mit Waffen, Geld, Geheimdienstinformationen und Logistik unterstützt wurde. Auch mit dieser westlichen Hilfestellung wurde die kommunistische Bewegung Indonesiens vollständig liquidiert. Durch den Verlust aller Kader und die Beseitigung eines Großteils der PKI-Mitgliedschaft, durch den Bestand eines nationalistisch-islamischen Regimes bis in die Gegenwart, mittels Durchsetzung antikommunistischer Geschichtslügen – gerade um das Jahr 1965 – und das aufrechte Verbot kommunistischer Organisierung und Ideologie konnte sich nie wieder eine linke Kraft in Indonesien konstituieren. Das große Erbe der PKI ist ausgelöscht und es wird wohl noch länger dauern, bis sich in Indonesien wieder eine revolutionäre Arbeiterbewegung für den Sozialismus etablieren kann. Doch sie wird wiedererstehen und schlussendlich siegen. Der Imperialismus und seine reaktionären Handlanger vor Ort haben eine Million indonesischer Revolutionäre ermordet und die revolutionäre Bewegung um Jahrzehnte, vielleicht ein Jahrhundert zurückgeworfen. Aber irgendwann wird ein neues, noch stärkeres Millionenheer an Revolutionären kommen, das die Völker Indonesiens in die Freiheit führt und mit den imperialistischen Verbrechern abrechnet.

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