HomeFeuilletonGeschichteVor 90 Jahren: Bücherverbrennungen im faschistischen Deutschland

Vor 90 Jahren: Bücherverbrennungen im faschistischen Deutschland

Der 10. Mai 1933 markierte den Höhepunkt der deutsch-faschistischen Bücherverbrennungen „wider den undeutschen Geist“. In der sozialistischen und antifaschistischen DDR beging man den wiederkehrenden Jahrestag als „Tag des freien Buches“.

Vor 90 Jahren, am 10. Mai 1933, fanden die deutsch-faschistischen Bücherverbrennungen ihren Höhepunkt: Der NS-Studentenbund organisierte in Berlin und 18 weiteren Universitätsstädten „Aktionen wider den undeutschen Geist“. Nachdem indizierte Werke, die von marxistischen, jüdischen, pazifistischen oder sonstigen oppositionellen Autoren stammten, in Bibliotheken und Büchereien gesammelt worden waren, wurden sie zu einem Scheiterhaufen gesammelt verbrannt.

Die Veranstaltungen hatten einen feierlichen Charakter, der auf die symbolische Hinrichtung des Ungeistes verwies, und wurden von „Feuersprüchen“ begleitet. Nacheinander nannte man Schriftsteller und bezichtigte sie einer Abweichung von NS-Doktrinen, woraufhin die Bücher ins Feuer geworfen wurden. So begann das Ritual mit dem Ausruf: „Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung! Ich übergebe der Flamme die Schriften von Marx und Kautsky.“

Acht weitere Rufer folgten und nannten dabei insgesamt 15 Autoren. Unter diesen befanden sich neben Karl Marx u.a. Heinrich Mann, Erich Kästner (der persönlich anwesend war), Erich Maria Remarque, Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky und Sigmund Freud. Aber auch die Bücher ungenannter Schriftsteller wurden verbrannt, sodass es insgesamt 94 waren, darunter Brecht, Döblin, Feuchtwanger, Heine, Ringelnatz, Seghers, Kafka, Einstein, Karl Liebknecht oder Rosa Luxemburg. Zu den betroffenen Österreichern zählten Horváth, Kraus, Polgar, Musil, Salten, Schnitzler, Werfel, Zweig oder Bertha von Suttner. Aus dem fremdsprachigen Bereich wurden u.a. Werke von Ernest Hemingway, Upton Sinclair, Jack London, Maxim Gorki und Wladimir Majakowski sowie natürlich Lenin verbrannt. Am Ende hielt Goebbels vor zigtausenden Zuschauern am Berliner Opernplatz, der heute den Namen August Bebels trägt, eine Rede neben dem Aschehaufen der deutschen Kultur und Literatur.

Wenngleich der 10. Mai den Höhepunkt der Bücherverbrennungen darstellte, so gab es solche schon zuvor, nämlich ab März 1933, sowie danach, bis in den Juni hinein. Im besetzten und annektierten Österreich fand am 30. April 1938 in Salzburg eine Bücherverbrennung statt. Die betroffenen zeitgenössischen Autoren waren der Verfolgung ausgesetzt und gingen ins Exil, einige, wie z.B. Ossietzky, Erich Mühsam oder Rudolf Hilferding, wurden durch das NS-Regime ermordet. Auch in diesem Sinne hatte sich Heinrich Heines Warnung bewahrheitet: „Dies war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

Die Bücherverbrennungen der Nazis waren eine bewusste Inszenierung zur Repression und Gleichschaltung im „Dritten Reich“. Sie richteten sich gegen die politische, v.a. marxistische Opposition, aber auch gegen liberales, aufklärerisches, pazifistisches oder emanzipatorisches Gedankengut, das geeignet war, der NS-Propaganda entgegenzuwirken. Die Unterordnung von Kunst und Kultur, von Literatur, Bildungseinrichtungen, Medien und Wissenschaft gehörte zu den Stabilisierungsfaktoren der faschistischen Systems, das unter Ausschaltung jeglicher Kritik ihren weitgehend ungehemmten Masseneinfluss entfalten konnte. Dies wiederum war eine der Voraussetzungen, um die Verbrechen der folgenden Jahre bis 1945 „rechtfertigen“ und durchführen zu können.

Die Bücherverbrennungen sind auch exemplarischer Ausdruck der Unkultur, der Wissens- und Wissenschaftsfeindlichkeit sowie des reaktionären Welt- und Menschenbildes des deutschen Faschismus. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass dies nur der ideologische Überbau über der zutiefst materiellen offenen, terroristischen Diktatur des Monopol- und Finanzkapitals bildete. Trotzdem darf man alten und neuen Nazis mit den Worten des US-amerikanischen Historikers Henry Jones sen. einen Rat geben, denn dieser empfahl angesichts der Berliner Bücherverbrennung vor 90 Jahren, „dass im Stechschritt marschierende Idioten die Bücher lieber lesen sollten, als sie zu verbrennen.“

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