Die künftige Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr muss nun ständig beweisen, dass sie keine Kommunistin ist, und sie gibt ihr Bestes dabei.
Graz. Das Bemühen der künftigen Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr, Gott und der Welt zu versichern, dass „K“ zwar für „kommunistisch“ stehe, aber man keineswegs kommunistisch sein will, treibt seltsame Blüten.
So versicherte sie der „Kronen Zeitung“: „Ich vertrete überhaupt keine Ideologie“. Sonst hätte sie ja gleich der KPdSU beitreten können, meint sie (hätte sie nicht, denn das konnten nur Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion). Zum Thema KPdSU wäre noch zu ergänzen, dass sie aber sehr wohl auf Kosten der KPdSU und der sowjetischen Arbeiterklasse ein Jahr auf der Parteihochschule in Moskau studierte, allerdings schon gegen Ende des Perestroika-Desasters, muss man hinzufügen, und da war die ideologische Konfusion auch in der KPdSU schon weit verbreitet.
Die „Regime im Osten“
Heute bezeichnet sie – ebenfalls in der „Kronen Zeitung“ – die ehemals sozialistischen Länder als „Regime im Osten“.
Der kroatischen Zeitung „Jutarnji list“ vertraute sie allerdings an, ihr Vorbild wäre Josip Broz Tito. Also doch eine Ideologie, eine titoistische? Schwer zu sagen, denn auch das wird umgehend relativiert. Jedenfalls taugen solche Aussagen dazu, im Milieu der Grazerinnen und Grazer, die ihre Wurzeln in Ländern des ehemaligen Jugoslawien haben, Sympathien und Wählerstimmen zu gewinnen.
Auch der Zeitung des Großbürgertums, „Die Presse“, vertraute Kahr an, dass die „Ideologie des Ostens“, wie der Fragesteller die herrschende Ideologie der einstmals sozialistischen Länder bezeichnet, niemals ein Hoffnungsträger für sie war, und das, obwohl sie sich, wie bereits erwähnt, von der KPdSU ein Jahr lang aushalten ließ, ebenso wie ihr Vorgänger Ernst Kaltenegger übrigens. „Kommunismus und Demokratie“ würden in Graz sehr gut zusammenpassen, verrät sie, und zwar, weil die Grazer KP immer dafür eingetreten sei, dass alle Gemeinderatsparteien in allen Ausschüssen vertreten seien. Eine sehr bescheidene Auslegung von Demokratie für eine Partei, die unter der Losung „Alle Macht den Räten“ gegründet wurde. Aber auch diese Aussage dient in allererster Linie der Abgrenzung von den ehemaligen sozialistischen Ländern, in denen es nach Auffassung der künftigen Grazer Bürgermeisterin wohl überhaupt keine Demokratie gegeben haben dürfte, weil das alles „Regime“ waren, mit Ausnahme von Tito-Jugoslawien vielleicht.
Dabei hätte der Grazer Gemeinderat allen Grund, über die Legitimation der bürgerlichen Demokratie zu sprechen, wenn – wie bei dieser Wahl – nur mehr weniger als 50% der Wahlberechtigten zur Wahl gehen. Ganz zu schweigen von jenen, die zwar hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, aber an Wahlen nicht teilnehmen dürfen.
Landesprogramm in der Praxis bedeutungslos
So verständlich es ist, dass Elke Kahr genervt ist, wenn sie ständig zu welthistorischen Themen befragt wird, anstatt zur Grazer Stadtpolitik, so sehr trifft auf ihre Verrenkungen ein Satz des italienischen Philosophen und Kommunisten Domenico Losurdo zu, den er zur Beschreibung des Zustands vieler KPs nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schrieb: Auf das politische Hiroshima folgte das ideologische Nagasaki.
Gerne verweist die steirische KP – vor allem in innerlinken Debatten – auf ihr eigenständiges Landesprogramm. Es ist in der Praxis bedeutungslos, wie die wichtigste Repräsentantin der Partei, die künftige Grazer Bürgermeisterin, anschaulich unter Beweis stellt.
Ein paar Sätze noch zur Sozialpolitik der Grazer (und steirischen) KP: Natürlich hilft es jedem Menschen, der von KP-Mandataren Unterstützung erhält, dabei, eine schwierige Lebenssituation vielleicht ein wenig besser meistern zu können. Das soll man auch nicht klein reden, denn es ist in Verbindung mit dem Verzicht der Mandatare auf Privilegien und Spitzengehälter wohl die wichtigste Grundlage des Erfolgs. Gleichzeitig geht es über eine individualisierte Almosenpolitik nicht hinaus. Individualisiert insofern, als mit diesem System natürlich nur jenen Menschen geholfen werden kann, die zu Elke Kahr kommen und aktiv Hilfe suchen. Ein Ersatz für eine soziale Absicherung aller Menschen kann es natürlich nicht sein, und das weiß die KP Graz sicher auch ganz genau.
Erkämpfte soziale Absicherung oder Almosen?
Die Arbeiterbewegung hat mit dem Ende der Monarchie und in den folgenden 1920er-Jahren riesige soziale Fortschritte erreicht, etwa die Arbeitslosenversicherung. In Wien wurde der soziale Wohnbau zu einem weltweiten Vorbild. Die Grundlage dieser Erfolge war die Oktoberrevolution in Russland 1917 und die Angst der Kapitalistenklasse vor ähnlichen Ereignissen in anderen Ländern. Vor diesem Hintergrund und einer Massenbewegung im eigenen Land waren auch die österreichischen Kapitalisten zu Zugeständnissen bereit. Die Lehre daraus kann nur sein, dass das richtige und wichtige Engagement, wie es die Grazer KP zeigt, nur in Verbindung mit einer sozialistischen Aufklärungsarbeit und Massenmobilisierung Erfolge in der Durchsetzung sozialer Absicherung für alle zeitigen kann. Soziale Rechte müssen im Kapitalismus sowieso immer aufs Neue verteidigt und erkämpft werden, weil auf der anderen Seite politische Akteure mit dem Vorschlaghammer an der Zertrümmerung des Sozialstaats arbeiten.
Kahrs Gehalt zahlten „Regime im Osten“
Jetzt hören wir förmlich schon die hämischen Einwände, die sagen, wenn ihr es als PdA besser wisst, warum macht ihr es nicht? Die Antwort ist: weil wir noch ganz am Anfang stehen, und weil in einer entpolitisierten Arbeiterklasse erst wieder das Bewusstsein der eigenen Lage und Stärke heranreifen muss. Das ist langfristige Arbeit, und dafür sowie für ihre Kleinheit wurde übrigens auch die KPÖ der 1920er und der 1930er-Jahre von den Sozialdemokraten verspottet. Bis 1934 kam. Dann strömten zehntausende aufrechte Sozialisten in die KPÖ. Auch heute führen alle Abkürzungen, die um des Erfolges bei Wahlen willen mit dem Verzicht auf Prinzipien und Grundsätze verbunden sind, dazu, dass die Kapitalistenklasse halt eine Kraft mehr hat, die als Verwalterin der Klassenherrschaft taugt.
Und noch eins: die steirische wie auch die Gesamt-KPÖ wurde jahrzehntelang mit dem Geld, das Treuhänder der Partei mit Handelsgeschäften mit den sozialistischen Ländern, den „Regimen im Osten“, verdienten, finanziert, und sie zehrt heute noch von diesem Reichtum. Das bedeutet, dass eine Infrastruktur, Immobilien und ein Angestelltenapparat finanziert werden konnte, der im Vergleich zur Kleinheit der Partei gigantisch ist. So wurde auch Elke Kahrs Gehalt als langjährige Bezirkssekretärin der KPÖ finanziert, bevor sie Stadträtin wurde. Mit Geld der „Regime im Osten“.
Quellen: krone.at/ORF Steiermark/Die Presse