In Luzern wurde ein Konzert der weltberühmten Sopranistin Anna Netrebko gecancelt. Schließlich ist die Frau in Russland geboren – und das geht gar nicht!
Luzern/Wien. Am 1. Juni dieses Jahres hätte die österreichisch-russische Sängerin Anna Netrebko im Kultur- und Kongresszentrum von Luzern (KKL) auftreten sollen. Dieses Event wurde nun abgesagt, nachdem die vorgesehenen Räumlichkeiten hierfür plötzlich nicht mehr zur Verfügung stünden, wie es hieß. Der Absage war politischer Druck der Luzerner Stadt- und Kantonsregierung vorausgegangen, wobei Sozialdemokraten, Konservative und Grüne in trauter Eintracht gemeinsam ein Auftrittsverbot für Netrebko verlangten. Der Stadtrat erwartete durch Netrebko offenbar sogar eine „Bedrohung der öffentlichen Ordnung“, was doch einigermaßen bizarr anmutet.
Im Allgemeinen wird der 52-jährigen Sopranistin gerne unterstellt, sie distanziere sich nicht ausreichend von Wladimir Putin und dem Krieg in der Ukraine. In Wahrheit hat Netrebko den russischen Einmarsch sehr wohl wiederholt verurteilt und zum Frieden aufgerufen. Ironischer Weise ist das – eine mögliche Friedenslösung – nun der unmittelbare Anlass für Netrebkos Ausladung. Zwei Wochen nach dem Konzert veranstaltet die Schweizer Bundesregierung eine internationale „Friedenskonferenz“ (ohne Russland), nämlich in einem Luxushotel am Bürgerstock, d.h. in unmittelbarer Nähe zu Luzern. Diese geografische und zeitliche Nähe ist natürlich untragbar.
Netrebko würde man wohl erst in Ruhe lassen, wenn sie ihr Geburtsland öffentlich verteufeln und das russische Volk zu Untermenschen erklären würde – denn das erwartet man sich anscheinend in Washington, Brüssel, Berlin und v.a. Kiew sowie offenbar auch im „neutralen“ Bern. Dass die antirussische Hetze selbst vor Kunst und Kultur im Allgemeinen, vor der größten Sopranistin der Gegenwart im Konkreten nicht Halt macht, sagt viel über die politische Kultur der Verantwortlichen aus.
Was sagen eigentlich der österreichische Außenminister Schallenberg oder Kunst- und Kulturminister Werner Kogler dazu, wie hier mit einer österreichischen Staatsbürgerin und internationalen Künstlerin umgegangen wird?
Quelle: Der Standard