Die Sowjetunion existierte noch bis zum Ende des Jahres 1991. Ihrer Auflösung war ein unbeholfener Versuch einiger führender Kader der Partei, des KGB und des Innenministeriums im August 1991 vorausgegangen, die Union zu erhalten. [1]
Das Staatskomitee für den Ausnahmezustand (Russische Abkürzung: GKTschP), das unter der Führung des Vizepräsidenten Gennadi Janajew einige Minister der Unionsregierung, den Chef des KGB Wladimir Krjutschkow und weitere Gegner des schleichenden Verfallsprozesses der sozialistischen Union vereinigte, hatte den Präsidenten der UdSSR und den Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow auf der Krim in seiner Datscha festgesetzt und übernahm die Führung der Staatsgeschäfte. Als oberstes Ziel wurde die Bewahrung der Sowjetunion verkündet.
Das Komitee berief sich dabei auf die Ergebnisse des unionsweiten Referendums vom 17. März 1991, bei dem die Mehrheit für den Erhalt der UdSSR plädiert hatte.
Damit verhalfen sie dem Moskauer Stadt- und Parteichef Boris Jelzin zu seinem Ruhm. Er stoppte die Panzer und rief zum Generalstreik auf. Spezialeinheiten des KGB weigerten sich, ohne schriftlichen Befehl gegen die Protestierenden vorzugehen. Nach drei Tagen wurde Gorbatschow wieder nach Moskau gebracht. Welche Rolle er selbst in der ganzen Inszenierung spielte, blieb bis zu seinem Tod im Jahr 2022 ungeklärt.
Wenige Monate nach den Ereignissen, am 8. Dezember 1991, besiegelten die Präsidenten von Russland, der Ukraine und Belarus das Ende der Sowjetunion. „Ich fügte mich der Realität, dass der Sozialismus in der Sowjetunion 100 Jahre zurückversetzt wurde“, war das Resümee des kubanischen Präsidenten Fidel Castro. [2]
Jelzin wurde schließlich zum ersten Präsidenten des neuen russischen Staates, der Russischen Föderation. Unter ihm setzte ein Wettlauf der Diebe des gigantischen Volksvermögens um die besten Stücke in der russischen Industrie, dem Finanzsektor oder auch der Landwirtschaft ein. Oligarchen, meist relativ junge Leute aus den Reihen oder dem Umfeld des früheren sowjetischen Jugendverbandes „Leninscher Komsomol“, die nun ihre Taschen vollstopften, stahlen zusammen, was sie nur kriegen konnten. Präsident Jelzin, der sich und Russland durch seine offensichtliche Trunksucht zum Gespött der Welt machte, war ihr willfähriges Werkzeug.
Langzeitfolgen für die kommunistische Weltbewegung
Der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) ist zu verdanken, dass es ein jährlich stattfindendes internationales Forum gibt, bei dem sich kommunistische und Arbeiterparteien aus der ganzen Welt austauschen können, das IMCWP (International Meeting of Communist and Workers Parties). Vor 25 Jahren fand dieses erstmals in Athen statt, und wird seither unter maßgeblicher Beteiligung in verschiedenen Ländern abgehalten. [3]
Auch Institutionen wie der Weltgewerkschaftsbund (WGB), der Weltbund Demokratischer Jugend (WBDJ) oder der Weltfriedensrat wurden unter massivem Einsatz von KKE-Seite nicht nur gerettet, sondern wieder in aktive Instrumente der Arbeiter‑, Jugend- und Friedensbewegung verwandelt.
Mit der Gründung der Europäischen Linkspartei im Jahr 2004 wurde ein Pol von revisionistisch-sozialdemokratischen Parteien geschaffen, die sich bewusst vom kommunistischen Parteienspektrum abgrenzten. Die „Götter“ dieser Bewegung wechselten und verschwanden wieder, erst war es Fausto Bertinotti von der „Rifondazione Comunista“ aus Italien, dann Alexis Tsipras aus Griechenland und schließlich Gregor Gysi aus der BRD. Das einende Band in dieser Vereinigung ist die Befürwortung der EU (die EL ist eine „Europäische Partei“ im Sinne der EU-Gesetzgebung und wird auch von der EU gefördert), die Absage an alles Kommunistische, die Übernahme bürgerlicher Geschichtslügen über die Sowjetunion und den Sozialismus und die Verbreitung der Illusion, mit der Beteiligung linker Kräfte an bürgerlichen Regierungen könne ein gesellschaftlicher Fortschritt erreicht werden. Alle bisherigen Beispiele haben das Gegenteil bewiesen: Linke Parteien in Regierungen von EU-Staaten wurden zu Erfüllungsgehilfen der arbeiterfeindlichen und imperialistischen Politik, die das Kapital brauchte.
Im Jahr 2013 bildete sich in Europa – ebenfalls unter Federführung der griechischen KKE – ein loser Zusammenschluss, die „Initiative kommunistischer und Arbeiterparteien Europas“ heraus, zu deren Gründungsmitgliedern die Partei der Arbeit Österreichs (PdA) zählt. [4]
Die Entwicklung in Österreich
Nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es die größte Konfusion. In der Kommunistischen Partei Österreichs warf die erst kurz im Amt befindliche Doppelspitze von Walter Silbermayr und Susanne Sohn alles hin, nachdem der Plan gescheitert war, das zu diesem Zeitpunkt noch üppige Parteivermögen in eine Stiftung zu überführen, über die sie bestimmen wollten. Ihr Plan mit der Stiftung war aus der absehbaren Absetzung entstanden, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine überwiegende Mehrheit der Parteiorganisationen für die Einberufung eines außerordentlichen Parteitages entschieden. Silbermayr und Sohn und die Gruppe um sie hatten sich eingebildet, sie könnten zu Lieblingen der antikommunistischen Medienöffentlichkeit werden, indem sie die Partei und ihre Vergangenheit öffentlich diskreditieren. Dieser Ruhm währte nur kurz. Nach ihrem Rücktritt interessierte sich niemand mehr für sie.
Nachdem ein Drittel des Zentralkomitees mit den beiden Parteivorsitzenden nicht nur zurück‑, sondern aus der Partei ausgetreten war, und mit ihnen noch weitere – vor allem jüngere – Parteimitglieder, war der 28. Parteitag, der im Juni 1991 in Graz stattfand, vor allem damit beschäftigt, die in der Partei Verbliebenen zusammenzuhalten. Viel politische Substanz hatte das nicht, es kam eine ganz dürre, nichtssagende politische Erklärung des Parteitages heraus. [5]
Die auf diesem Parteitag gewählte kollektive Führung mit drei Bundessprechern (Margitta Kaltenegger, Julius Mende, Otto Bruckner) hielt nur eine Periode durch, und es gab mit Walter Baier ab dem 29. Parteitag (1994) wieder einen Parteivorsitzenden. Dessen wichtigstes Werk bestand in der Folge darin, die Partei in eine beliebige Linkspartei zu verwandeln, massiver Widerstand der Basis wurde mit bürokratischen Mitteln abgewürgt, und schließlich wurden kritische Geister ausgeschlossen (Helmuth Fellner, Elisabeth Rizy), andere gingen von selbst.
So entstand im Jahr 2005 die Kommunistische Initiative Österreich (KI). Sie war bewusst nicht als Partei angelegt, sondern als Sammlungsbewegung. Ein Grund dafür war auch, dass man abwarten wollte, wie die KPÖ Steiermark ihre innerparteiliche Rolle weiter anlegen würde. Ein weiterer bestand darin, eine gewisse Offenheit bezüglich der künftigen Entwicklung zu zeigen.
„Damit soll eine gravierende Lücke geschlossen werden. Nämlich jene Lücke, die die Sozialdemokratie schon vor einhundert Jahren und die KPÖ in den letzten Jahren endgültig – und jeweils aus freien Stücken – hinterlassen haben. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es in Österreich keine bundesweite revolutionäre Partei der Arbeiterklasse, denn es gibt keine Partei, die dies sein will. Und dieses Manko wird heute durch die Gründung der PdA behoben: Weil es notwendig ist, weil wir es wollen und weil wir es können“, begründete der heutige Parteivorsitzende Tibor Zenker in einem Referat auf dem Gründungsparteitag der PdA (12. Oktober 2013), dass die Zeit reif war für eine neue revolutionäre Partei der Arbeiterbewegung. [6]
Der heutige „Realsozialismus“
Außerhalb Europas gibt es noch Länder, die von Kommunistischen Parteien regiert werden. Das wichtigste davon – das bevölkerungsreichste Land der Erde – ist China. Das größte Verdienst der KP Chinas in der Zeit seit dem Niedergang der Sowjetunion bestand darin, hunderte Millionen von Menschen aus der bittersten Armut geholt zu haben. Das Zentralkomitee der KP Chinas besteht heute nicht nur aus Angehörigen der Arbeiterschaft, der Bauern und anderer Volksschichten, sondern auch aus Dollar-Milliardären. Dieser neue chinesische Kapitalismus ist innovativ und aufstrebend, und nach Ansicht der KP Chinas die Straße, die in die entwickelte sozialistische Gesellschaft führen wird. Das darf allerdings bezweifelt werden, denn es sieht eher danach aus, dass die KP die politischen Rahmenbedingungen für den chinesischen Turbokapitalismus schafft. Auch Vietnam geht einen ähnlichen Weg, während die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), die ebenfalls sozialistische Wurzeln hat, Züge einer dynastischen Diktatur aufweist. Es existieren zwar noch keine kapitalistischen Konzerne in der DVRK, aber die Sonderwirtschaftszonen bieten südkoreanischen Konzernen Bedingungen, von denen sie zu Hause nur träumen können.
Besonders schwer wurde das sozialistische Kuba vom Sieg des Imperialismus in Europa getroffen. Die sozialistischen Staaten waren als Handelspartner lebenswichtig, konnte doch mit ihnen ein devisenloser Austausch auf Basis der eigenen Währungen durchgeführt werden. Damit nicht genug, verschärften die USA die Sanktionen gegen Kuba, so dass die Insel bis heute unter den Folgen des Endes der Sowjetunion leidet.
Krieg der früheren Brudervölker
Schier unvorstellbar war es früher, dass Sowjetvölker gegeneinander Krieg führen würden. Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine ist genau das eingetretenen, es ist der bisher bedeutendste, aber nicht der erste Krieg dieser Art (siehe Georgien, Kasachstan, Armenien). Der Putsch in der Ukraine und der darauffolgende Krieg der ukrainischen Zentralmacht gegen die Donbass-Republiken, die sich dem neuen Putschregime nicht unterordnen wollten, kostete in acht Jahren 14.000 Menschen das Leben. Der Krieg seit 2022 führt nun zur großflächigen Zerstörung der Ukraine mit weiteren – noch unbekannten – riesigen Verlusten an Menschenleben.
Russland – der kleine regionale Imperialist mit Atomwaffen – ist heute im Krieg mit dem „kollektiven Westen“. Die etwas weniger intelligenten unter den westlichen Politikern wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock oder die baltischen und polnischen – notorisch antirussischen – Politikeliten träumen von der Zerstörung Russlands. Die riesigen Rohstoffreserven des größten Landes der Erde allein wären ein Motiv für solche Ziele. Freilich wissen die klügeren Imperialisten, dass daraus nichts wird. Also soll Russland maximal ausgeblutet werden, mit der Ukraine als Rammbock, der dabei selbst den größten Schaden nimmt. Da stört sich der „Wertewesten“ auch nicht daran, dass die „demokratische“ Ukraine ihre geschichtlichen Wurzeln im Nazikollaborateur, Juden- Russen- und Polenhasser Stepan Bandera und dessen faschistisch-nationalistischer Ideologie sieht.
Das „Ende der Geschichte“?
Der Begriff „Ende der Geschichte“ wurde vom Politikwissenschaftler Francis Fukuyama durch einen im Sommer 1989 veröffentlichten Artikel in der Zeitschrift „The National Interest“ in die Debatte eingebracht, später schrieb er auch ein Buch mit diesem Titel. Fukuyama dachte sich aus, dass der Liberalismus einen Siegeszug um die Welt antreten werde, und der Kommunismus damit endgültig besiegt sei. Er hat sich geirrt, was nicht weiter verwundert, da seine Annahmen rein spekulativen Charakter hatten. Das hinderte jedoch zur Kapitalanbetung konvertierte Linke nicht daran, den Unsinn vom „Ende der Geschichte“ wiederzukäuen.
Die USA, eine Weltmacht, die ihren Zenit längst überschritten hat, aber immer noch die Welt beherrschen will, findet heute nicht nur die Unterwürfigkeit der meisten EU- und NATO-Staaten vor, sondern ist gleichzeitig auch mit massivem Widerspruch konfrontiert. Große Länder wie Russland, China, Indien, Brasilien und noch viele weitere tanzen nicht mehr nach der Pfeife der USA. Auch auf dem afrikanischen Kontinent werden ihre imperialistischen und neokolonialen Ambitionen zunehmend kritisch gesehen. Die „Multipolarität“ existiert bereits, aber es ist eine Multipolarität verschiedener Finanz- und Kapitalgruppen mehrerer imperialistischer Zentren. Ein Staat, der die Rolle der Sowjetunion einnehmen könnte, existiert heute nicht. Das wird nicht immer so bleiben.
Die Sowjetunion, ja früher schon die Oktoberrrevolution 1917, war der Beginn einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte. Die sozialistische Revolution wird aufs Neue auf der Tagesordnung stehen.
„In diesem düsteren und bitteren Augenblick, in denen sich der Verrat durchsetzt, sollt ihr wissen, dass sich früher oder später, sehr bald erneut die breiten Avenidas auftun werden, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht“, sagte der chilenische Präsident Salvador Allende in seiner letzten Rede am 11. September 1973, kurz bevor die Faschisten ihn ermordeten.
Es braucht neue Generationen von Kommunistinnen und Kommunisten
So wird es sein. Der Kapitalismus hat Jahrhunderte gebraucht, um sich durchzusetzen. Nach den erwiesenen Abfolgen in der Geschichte aller großen Reiche, nämlich Aufstieg – Überdehnung – Niedergang, befindet er sich wohl im Stadium zwischen Überdehnung und Niedergang. Dass angesichts vieler Gefahren für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation, nicht zuletzt der atomaren Hochrüstung, der Sturz der bestehenden Ordnung und die Errichtung einer neuen Gesellschaftsordnung, in der die Konzerne entmachtet sind und das Volk selbst bestimmt, das Notwendige und Vernünftige ist, ist heute offenkundig. Dass die breit aufgestellte Herrschaftsabsicherung der Kapitalherrschaft aber nicht von selbst verschwinden wird, kann als gesichert angenommen werden. Es braucht also die Macht, die Organisiertheit und die Entschlossenheit jener Klasse, die dem Kapital diametral entgegensteht, nämlich der Arbeiterklasse, um das kapitalistische Ausbeutersystem zu überwinden. Dafür wiederum benötigt es Kampfstrukturen, die auf den Erkenntnissen der Theoretiker und Praktiker der Revolution aufbauen, die von Marx, Engels, Lenin und vielen anderen lernen und die marxistisch-leninistische Parteien bilden.
Dafür braucht es neue Generationen von Kommunistinnen und Kommunisten, die auf die resignativen, larmoyanten, bürgerlich-faulen Ausreden der meisten Linken, warum der Kapitalismus nicht gestürzt werden kann und man sich mit ihm arrangieren muss, pfeifen, und die wieder zu den Wurzeln zurückkehren:
„Mögen die herrschenden Klassen vor der kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.“ (Marx/Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, 1848).
[1] https://www.dekoder.org/de/gnose/augustputsch-1991-jelzin-gorbatschow-gktschp, abgerufen am 09.02.2023
[2] Fidel Castro Mein Leben, Berlin 2008, S. 398
[3] http://www.solidnet.org/home/
[4] https://www.initiative-cwpe.org/en/home/
[5] Siehe: Dokumentation 28. Parteitag der KPÖ, Wien 1991
[6] Referat von Tibor Zenker zur Gründungs- und Grundsatzerklärung der PdA | Partei der Arbeit (abgerufen am 12.02.2023)