In Tirol soll die immer noch stark gefährdete Population der Fischotter bejagt werden. Dies meint zumindest der Fischereiverband, der den Tieren das Verbrechen des Fischfangs vorwirft.
Innsbruck. Der Tiroler Fischereiverband fordert, dass der Eurasische Fischotter (Lutra lutra) in den alpenländischen Gewässern „dezimiert“ wird. Anders gesagt: Die Tiere sollen gezielt abgeschossen werden. Als Begründung gibt der Fischereiverband an, dass die zwar immer noch geringe, aber wachsende Population der Fischotter an den Tiroler Flüssen zu viele Fische fressen würde. Es geht also um Futterneid: Fischer vs. Fischotter. Ja, klar: Wo kommen wir denn da hin, wenn natürlich vorkommende Wasserraubtiere den ehrbaren menschlichen Anglern die Fische wegfangen? Da muss natürlich eingegriffen werden ins Ökosystem und zum Halali auf den pelzigen Wassermarder geblasen werden.
Tatsache ist, dass die Bestände der Fischotter in Österreich in den letzten 200 Jahren massiv reduziert wurden, nämlich zunächst durch die Jagd – einerseits auf Basis unterstellter Räubergeschichten, wonach Otter Hunde und Lämmer fressen würden, anderseits, weil man aus dem Pelz der Wildtiere schicke Hauben und Kragen machen kann. Außerdem wurde dem Fischotter in den Alpenländern kontinuierlich die Lebensgrundlage und der Lebensraum zerstört, durch Verbauung und Regulierung von Flüssen, durch deren Verschmutzung, durch Nahrungsverknappung etc. – Dies führte dazu, dass der Fischotter in der Schweiz gänzlich ausgestorben war, in Süddeutschland als vom Aussterben bedroht gilt und in Österreich nur noch im Wald- und Mühlviertel, im Südburgenland und in der Oststeiermark zu finden war. Durch Schutzmaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelten sich aber auch wieder (kleinere) Populationen in Kärnten und Tirol, wobei man immer noch weit von einem historischen „Normalzustand“ entfernt ist. Doch dem Fischereiverband reicht das schon, er will die Tiere nun wieder abknallen lassen.
Das ist freilich pelzhaarsträubender Unsinn. Der Otter-Bestand an den Tiroler Fließgewässern ist immer noch so gering, dass ein langfristiges Überleben keineswegs gesichert ist – insofern ist eine menschliche Entnahme eigentlich schon ein Unding. Dass sich die Zahlen einigermaßen erholt haben, ist allerdings sogar ein gutes Zeichen, denn die Anwesenheit des Fischotters spricht für das vielerorts (wieder) intakte Ökosystem. Allerdings wären der Fischereiverband und die Landesregierung in Innsbruck wohl genau hier zur Nachbesserung gefordert, wenn sie sich Sorgen um die Fischbestände machen: Auch die Fischpopulation leidet, ganz genau wie die Otter, unter Verbauung und Verschmutzung der Flüsse sowie unter Klimawandel und Temperaturänderungen – d.h. der Mensch ist es, der die Fischbestände im großen Stil bedroht, nicht der Fischotter. Letztlich wird somit eine tierische Opfergruppe zu Tätern gemacht.
Aber womöglich haben die Tiroler Fischer zu Beginn der Fastenzeit auch noch einen anderen Hintergedanken, wenn der Fischotter ausgerechnet jetzt wieder bejagt werden soll: Brave Katholiken sollen von Aschermittwoch bis Ostern ja möglichst auf Fleisch verzichten, während Fisch zulässig ist. Schon in der mittelalterlichen Vergangenheit kamen clevere Christenmenschen auf die Idee, dass alles, was im Wasser lebt, als Fisch klassifiziert werden könnte: Am Konzil von Konstanz (1414–1418) wurde festgelegt, dass Biber und Otter fischartig genug seien, um während der Quadragesima sowie freitags auf christlichen Fastentellern zu landen. Vielleicht soll es im Heiligen Land Tirol 2021 A.D. wieder ein Revival des Otteressens geben?
Quelle: ORF