Der Klimawandel sorgt für wärmere Winter und massiven Schneeschwund. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten tiefere Lagen in den Zentral- und Ostalpen sogar weitgehend schneefrei bleiben – mit weitreichenden Folgen.
Wien/Zürich/Offenbach am Main. Die Winter in Österreich, der Schweiz und Süddeutschland werden immer milder. Dies geht aus aktuellen Untersuchungen des Deutschen Wetterdienstes, des Schweizer Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie sowie der österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) hervor. Der deutschsprachige Alpenraum und dessen Randgebiete verzeichnen signifikante Temperaturanstiege in der nichtsdestotrotz immer noch kalten Jahreszeit, mit gravierenden Auswirkungen: Es gibt immer weniger Schnee. Dies wiederum hat nicht nur Relevanz für den Wintersport und ‑tourismus oder den weißen Weihnachtstraum, sondern es geht in weiterer Folge um wesentlich mehr: Es drohen Unsicherheiten und Engpässe in der Wasserversorgung, Überschwemmungen ebenso wie Dürreperioden, Naturkatastrophen sowie der Anstieg des Meeresspiegels, mit entsprechenden Konsequenzen für die betroffenen Lebensräume und ihre Bewohner.
Für Österreich liegen bezüglich der Wintertemperaturen Daten aus einer 253-jährigen Messgeschichte vor und diese zeigen, dass der Winter 2019/20 gemeinsam mit jenem von 2006/07 der wärmste des Aufzeichnungszeitraums war, gefolgt von den Jahren 2015/16 sowie 2013/14. Dies betrifft jedoch nicht nur den Durchschnitt oder niedrige und mittlere Lagen, sondern sogar das Hochgebirge: Am Salzburger Sonnblick-Observatorium in über 3.000 Metern Seehöhe wurde in den vergangenen 134 Jahren ein Temperaturanstieg um 1,9 Grad Celsius vermerkt. Das klingt nach wenig, hat aber insgesamt weitreichende Folgen: Eine höhere Lufttemperatur sowie häufigerer Regen (statt Schneefall) reduzieren die Schneedeckendauer. Soll heißen: Es bildet sich später im Jahresverlauf eine durchgehende Schneedecke bzw. mancherorts gar keine mehr, und der vorhandene Schnee schmilzt früher. In Wien, Graz und Innsbruck gingen die Tage mit durchgehender Schneedecke in den letzten 90 Jahren um 30 Prozent zurück. Bis zum Jahr 2100 rechnen die Forschungsteams mit einem weiteren Rückgang der Schneedecken in tiefen Lagen um bis zu 90 Prozent, in höheren Lagen (ab 1.500 Metern) um immerhin 50 Prozent.
Wohlgemerkt: Diese Prognosen gehen davon aus, dass die gegenwärtige Entwicklung ungebremst fortgesetzt wird. Der Mensch hat es jedoch in der Hand, auf das Klima einzuwirken und die Erderwärmung zumindest zu verlangsamen. Im Falle einer deutlichen Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen in die Atmosphäre – etwas durch Einhaltung des Pariser Abkommens –, wären die Auswirkungen auf die winterlichen Schneedecken nur halb so massiv. Es ist allerdings mehr als fraglich, ob dies unter den Bedingungen des kapitalistischen Profitprimats möglich ist, denn der Kapitalismus zeichnet sich nicht gerade durch besondere Rücksichtnahme auf Klima und Umwelt aus.
Quelle: Der Standard