Gastautor: Dr. Wolfgang Häusler, geboren 1946 in St. Pölten. Studium der Geschichte und Kunstgeschichte. Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien. Zahlreiche Bücher zu Themen der historischen Landeskunde, Geschichte des österreichischen Judentums und des 19. Jahrhunderts. Zuletzt: Ideen können nicht erschossen werden. Revolution und Demokratie in der österreichischen Geschichte 1789–1848–1918 (Molden 2017). Er forscht und publiziert im (Un)Ruhestand weiterhin zu dieser Thematik.
Vor 175 Jahren, am 7. März 1849, wurde der im mährischen Kremsier tagende Reichstag, das erste österreichische Parlament, mit Militärgewalt aufgelöst, viele Abgeordnete der Linken vertrieben und mit Todesurteilen bedroht. Die Tradition der habsburgischen Dynastiegeschichte und der Gegenrevolution ist in Österreich stärker als die der demokratischen und sozialen Revolution. Trotz alledem bleiben die Träger ihrer für lange Zeit unterdrückten Ideen die siegenden Geschlagenen.
Gegen Demokraten helfen nur Soldaten
Im 1864 und seitdem in vielen Auflagen erschienenen Zitatenschatz des deutschen Volkes des Berliner Oberlehrers Georg Büchmann finden sich nur zwei, allerdings signifikante Geflügelte Worte zum Stichwort Demokratie.
Die Ablehnung der ihm vom Frankfurter Paulskirchenparlament angebotenen deutschen Kaiserwürde am 3. April 1849 kommentierte der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. mit dem bösen Satz: „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten! Adieu.“ Das war ein Zitat aus dem gegenrevolutionären Demokratenlied des Juristen Wilhelm von Merckel, das zum Titel einer Schrift des Generalmajors Gustav von Griesheim „gegen fremdes Mordgesindel“ wurde. So begründete der schwankende Herrscher gegenüber seinen Vertrauten den Abscheu vor dem „imaginären Reif aus Dreck und Letten, mit dem Ludergeruch der Revolution“. Sein Bruder Wilhelm wird bald die Erhebung in der Pfalz und in Baden im Blut ersticken – der„Kartätschenprinz“ sollte 1871 Deutscher Kaiser, gefeiert als Wilhelm der Große, werden.
Ludwig Uhland hatte dies geahnt, als er sich am 23. Jänner 1849 gegen die kleindeutsche, Österreich ausschließende Lösung im Frankfurter Paulskirchenparlament aussprach: Es solle „kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt ist“. Der gelehrte Dichter von Lesebuchballaden, namentlich des Guten Kameraden, und patriotischer Dramen war liberaler Politiker im württembergischen Landtag. Den Soldaten, die das nach Stuttgart gehetzte Frankfurter Parlament am 28. Mai 1849 auflösten, trat er mutig entgegen.
Zum Stichwort Demokraten ist aus dem Wien des Kriegsrechts und Belagerungszustands im Herbst 1848 Schlimmes zu zitieren: Geißelhiebe des Dichterlings und Denunzianten Josef Weyl: „Vom Schmutz: Republikaner, / Vom Unflat: Demokrat / Fegt‘ rein der Serežaner, / Befreite der Kroat.“ Die Serežaner, im Kleinkrieg gegen die bosnisch-osmanischen Truppen erprobte, abenteuerlich bewaffnete Rotmäntler aus der Militärgrenze, waren die gefürchtete Elite- und Gardetruppe des kroatischen Banus Jelačić, der an der Seite von Feldmarschall Fürst Windischgrätz im Oktober 1848 die Wiener Revolution blutig unterdrückte. Weyl, von Beruf Polizeioffizial, wurde der Hausdichter des Wiener Männergesangvereins; von ihm stammt der erste alberne Text zum Donauwalzer, im Fasching 1867 über Königgrätz hinwegtröstend: „Wiener seid froh, oho, wie so …“
Das Demokratikum im renovierten österreichischen Parlament ist eine multimediale Dokumentation der Geschichte des Parlamentarismus. Sie beginnt mit den lapidaren Sätzen: „Unsere Demokratie ist das Kind der Revolution von 1848. Es ist ein hartes Ringen.“ Wahr gesprochen, doch werden die Unterdrückung der Revolution und ihre Folgen nicht konkret dargestellt. Am Ursprung der modernen Demokratie steht der österreichische konstituierende Reichstag in der Hofreitschule, dann in die mährische Kleinstadt Kremsier verlegt, vom ohnmächtigen Herrscher Ferdinand dem Gütigen versprochen im März, durch die Sturmpetition erkämpft und auf den Barrikaden behauptet im Mai: Das allgemeine Männerwahlrecht war Sieg und Fundament der bürgerlich-demokratischen Revolution.
Die Abgeordneten der Linken dieses im März 1849 gewaltsam geschlossenen Kremsierer Reichstags erlitten Vertreibung und Verfolgung, ja Verurteilung zum Tod – keine leere Drohung, wie die Erschießung Robert Blums als Absage an das Frankfurter Paulskirchenparlament am 9. November 1848 zeigte. „Der Mörder Windischgrätz“, wie das Volkslied zu Ehren des zur Verteidigung Wiens gekommenen Abgeordneten treffend sang, hatte diesen Akt bewusst in Absprache mit seinem Schwager Fürst Felix Schwarzenberg, dem neuen Ministerpräsidenten, gesetzt. Die vielfach nach den USA emigrierten Abgeordneten der Linken des Reichstags, wurden als Hochverräter noch bis in die 1850er Jahre mit bei einer willfährigen Justiz bestellten Todesurteilen bedroht: Hans Kudlich, damals Jusstudent, dann erfolgreicher Arzt, der Priester der Revolution Dr. Anton Füster, Feldkaplan der Akademischen Legion, der Mediziner Dr. Josef Goldmark, der nach 20 Jahren die Unrechtmäßigkeit der Verfahren aufzeigte, Dr. Ernst von Violand, der im Reichstag die Abschaffung der Adelstitel und ‑privilegien gefordert hatte. Unsere kritische Aufmerksamkeit sollte nicht den Feldherren und ihren Herrschern, sondern vielmehr diesen vergessenen und vertriebenen Wegbereitern der Demokratie gelten.
Die Tatsache, dass alle wichtigen Hauptstädte der Habsburgermonarchie im Zuge der militärischen Gegenrevolution belagert, beschossen und erobert wurden, ist aus dem Geschichtsbewusstsein verdrängt. Die nationalpolnische Bewegung wurde in Krakau schon zu Ostern unterdrückt. Windischgrätz, bereits in Wien im März mit militärischen Vollmachten ausgerüstet, bezwang den Prager Pfingstaufstand. Radetzkys Wiedergewinnung der Lombardei wurde von Grillparzer publikumswirksam besungen („Glückauf, mein Feldherr…“). Die Eroberung Wiens im Oktober war die größte Militäraktion gegen eine Hauptstadt vor der Vernichtung der Pariser Commune 1871, mit Tausenden Toten. Noch kämpften die Ungarn in wechselndem Verlust und Gewinn von Budapest bis zur Kapitulation von Világos; mit Komorn fiel „der Freiheit letzte Schanz“ (Heinrich Heine) im Oktober 1849. Venedig wurde ausgehungert – mit den Bomben des erfinderischen Artilleristen Uchatius sollte im ersten Luftangriff der Kriegsgeschichte von Luftballons aus der revolutionären Markusrepublik ein Ende gemacht werden.
Die traditionelle Zugabe des Radetzkymarschs beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker demonstriert weltweit die negative Revolutionssymbolik einer verzerrten Erinnerungskultur. Aufgrund einer Anregung von Josef Goebbels sollte dieses Konzert im ersten Kriegsjahr 1939, damals am Silvestertag, dem Kriegswinterhilfswerk dienen und Wien als „Stadt des Optimismus, der Musik und Geselligkeit“ präsentieren. Zu recht mehrt sich Kritik am gedankenlosen Mitklatschen des Radetzkymarschs als heimlicher Hymne im Selbstverständnis der Republik: Johann Strauß Vater begleitete mit dem Marsch den Auszug der Wiener Freiwilligen, deren Anwerbung auch auf Widerstand gestoßen war; Werbehütten wurden zertrümmert. Die dann auf den italienischen Kriegsschauplatz in Marsch gesetzten Rekruten waren Kanonenfutter in den Kämpfen um die Unterwerfung Oberitaliens. Daniel Barenboim wagte es im Weltkriegsgedenkjahr 2014, in Kenntnis des Sachverhalts das hochgestimmte Publikum um das Unterlassen des Klatschens zu bitten; zuletzt hat der Fernsehmoderator Martin Thür die Frage der Sinnhaftigkeit dieser demonstrativen Unterwerfung unter die Militärmacht gestellt, was entrüstete Reaktionen hervorrief und vergeblich blieb. Diese fragwürdige Tradition wurzelt in der Wiedereroberung der durch die Revolution erschütterten Monarchie durch die kaiserliche Armee: Die Buchstaben WIR für die Initialen von Windischgrätz, Jelačić und Radetzky ließen sich Offiziere als Majestätsplural des 18-jährigen Kaisers Franz Joseph in die Säbelklingen eingravieren. Die Statuen der Feldherren (und ihrer Offiziere und Soldaten) halten nicht nur Wache am Heldenberg, auch im Aufgang zur Ruhmeshalle des Arsenals sollten sie zum Projekt gebliebenen triumphalen Denkmal des jungen Kaisers in der Ruhmeshalle geleiten. Zu den dreien gesellte sich noch Julius von Haynau, der sich in Italien und Ungarn durch grausame Unterdrückungsmaßnahmen, namentlich die Exekution der dreizehn Generale in Arad, einen furchtbaren Namen schuf. Der unterwürfige Wiener Gemeinderat erhob die Feldherren der Gegenrevolution zu Ehrenbürgern, gültig bis zum heutigen Tag. Windischgrätz wurde diese Ehrung nicht zuteil – sein fatales Bombardement am 31. Oktober hatte das Dach der Hofbibliothek in Flammen gesetzt, und sein Versagen gegenüber der Kriegsführung der ungarischen Unabhängigkeitsarmee wie seine Intransigenz gegenüber notwendigen Reformen führten zur Absetzung vom Kommando. Die Wiener Nationalgarde widmete Radetzky einen kostbaren Ehrensäbel nach dem Entwurf Eduard von der Nülls; der Dank war die Auflösung der Nationalgarde. Die Armee revanchierte sich bei Grillparzer mit einem Ehrenbecher, wichtige Schaustücke im Radetzkysaal des Heeresgeschichtlichen Museums, wo die genannten Militärs widersinnig als „Protagonisten der Revolution“ mit ihren Porträts und Reliquien ehrenvoll präsentiert werden. Der in fünf Jahren vollendete Arsenalgroßbau und die beiden die Namen von Franz Joseph und Kronprinz Rudolf tragenden Kasernen demonstrierten bei Stadterweiterung und Ringstraßenplanung weiterhin Wachsamkeit gegenüber möglicher revolutionärer Erhebung.
In der Neuen Rheinischen Zeitung vom 7. November schrieb Karl Marx zum Fall von Wien: „Die kroatische Freiheit und Ordnung hat gesiegt und mit Mordbrand, Schändung, Plünderung, mit namenlos verruchten Untaten ihren Sieg gefeiert.“ Der „Verrat der Bourgeoisie“ habe die Gegenrevolution ermöglicht: „Die ganze Geschichte zeigt keine schmachvollere Erbärmlichkeit als die der deutschen Bourgeoisie“, sie mache „die Kontrerevolution ihrer eigenen Despoten“.
Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass nicht mit der aufsteigenden, unbestritten fortschrittlichen Phase der Märzrevolution der Ereignisse vor 175 Jahren gedacht wurde, sondern erst im Oktober, mit der Niederlage der Revolution, zahlreiche Erinnerungsveranstaltungen als Parallelaktion stattfinden, die sich in Unkenntnis voneinander vielfach zeitlich überschneiden. Auch die eigentliche demokratische Revolution im Mai und die Eröffnung des Reichstags am 22. Juli 1848 durch Erzherzog Johann wurden übersehen. Unter Beteiligung des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wurde immerhin der Zusammentritt des Frankfurter Paulskirchenparlaments am 18. Mai 1848 offiziell gewürdigt; allerdings blieben die österreichischen Abgeordneten, mit der verhängnisvollen Polarisierung großdeutsch oder kleindeutsch, unbeachtet.
Die Gegenrevolution versuchte mit allen Mitteln das Andenken an die unterdrückte und verunglimpfte Revolution zu tilgen. Erst die Niederlage von Solferino 1859 machte eine Liberalisierung notwendig. Schwierig genug konnte die Setzung des Obelisken für die Märzgefallenen am Schmelzer Friedhof 1864 durchgesetzt werden. Das 1888 auf den Zentralfriedhof übertragene Monument wurde Achse und Signal der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung unter der Führung von Victor Adler. Die im Jubiläumsjahr 1898 gipfelnden Massenkundgebungen galten dem Kampf um das allgemeine Wahlrecht, das erst 1907 auf dem Stand von 1848 errungen werden konnte. Die Gräber von Victor und Friedrich Adler, Bürgermeister Karl Seitz und (seit 1948) Otto Bauer angesichts des Märzobelisken bezeugen diese identitätsstiftende Verbindung mit der bürgerlich-demokratischen Revolution, eine heute zum Schaden der Partei zur Gänze vergessene Tradition. Das deutschnationale Lager verstand sich zunächst in der schwarz-rot-goldenen Tradition von 1848; Königgrätz 1866 und Bismarcks Reichsgründung 1871 brachten eine Wende im Bewusstsein der Burschenschaften, die mit dem Vordringen des Antisemitismus ihren Anspruch verrieten, in der Nachfolge der Akademischen Legion zu stehen. Die Christlichsozialen versagten sich dem Revolutionsgedenken mit Bürgermeister Lueger grundsätzlich; lediglich der „Bauernbefreier“ Hans Kudlich fand hier, in verkürzter Perspektive, Anerkennung. Von bürgerlicher Seite waren es Einzelgänger wie der vergessene Demokrat Ferdinand Kronawetter und vor allem der große Geologe Eduard Suess, die das Erbe der Revolution hochhielten. Vergeblich war Dr. Adolf Fischhof, der erste politische Sprecher der Märzrevolution, für die Gleichberechtigung der Nationalitäten im Geist von 1848 eingetreten.
Gegenwärtig droht übermächtiger Sis(s)i‑Kult die kritische Auseinandersetzung mit der Modernisierungsproblematik der Habsburgermonarchie zu überwuchern. Dieses tourismusfördernde Surrogat in allen Medien reicht von harmlosem Filmkitsch und pseudoemanzipatorischem Musical über belletristische Geschichtsklitterung zu pornografischem Schund in der jüngsten höchst erfolgreichen Fernsehserie dieses Namens, deren Fortsetzung droht. Selbst die Arbeiterbewegung wird in diese Räuberpistole einbezogen. In Sisi’s Amazing Journey , einer „aufregenden Fahrt voller Adrenalin mit Sisi durch das unterirdische und überirdische Wien“, just in der Habsburgergasse angesiedelt, scheint der Tiefpunkt der Vermarktung der Dynastiegeschichte erreicht zu sein. Hier aufzuklären und gegenzuhalten, ist Pflicht.
Doktoren der Revolution: Hermann Jellinek
Dr. juris Heinrich Heine meinte retrospektiv mit seinem Wort von den „Doktoren der Revolution“ sich selbst und den befreundeten, stolz den Titel tragenden Doktor der Philosophie Karl Marx, aus der gemeinsamen Pariser Emigrationszeit des Vormärz. Ihnen, meinte der an die „Matratzengruft“ Gefesselte mit bitterer Ironie, werde „die Zukunft gehören“. Von dieser Generation der um 1820, wie Marx und Engels, geborenen Protagonisten der demokratischen Revolution in Österreich, soll die Rede sein.
Das Frontispiz meines Buches zum Thema Revolution und Demokratie in der österreichischen Geschichte (2017) bildet das Porträt von „Dr. Hermann Jellinek, standrechtlich erschossen am 23. November 1848“ – als Titel wählte ich sein vor der Hinrichtung gesprochenes Wort: „Ideen können nicht erschossen werden.“ Worin bestand das Hochverratsverbrechen des 25-jährigen Philosophen und Publizisten aus der mährischen Judengasse, das er mit dem Leben büßte? Die Familiengeschichte der Jellineks offenbart die unterschiedlichen Perspektiven der Emanzipation: Bruder Adolf wurde hochgeachteter Prediger und Wiener Oberrabbiner (der liberale Gelehrte mochte diesen Titel nicht), der magyarisierte Mór(icz) wurde erfolgreicher Unternehmer im modernen Budapest; Getreidebörse und Straßenbahn gehen auf ihn zurück. Hermanns (protestantisch getaufte) Neffen erlangten Spitzenpositionen in Wissenschaft und Wirtschaft: renommierte Universitätsprofessoren für Staatsrecht und Germanistik neben dem international erfolgreichen Geschäftsmann Emil Jellinek, der sich dem Automobilsport verschrieb; von seiner Tochter Mercédès, sie war Modell für den Undinebrunnen im Badener Kurpark und fand ihr Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof, erhielt die beim Rennen von Nizza 1901 erfolgreiche Marke ihren Namen.
Hermann Jellinek studierte in den Vormärzjahren in Leipzig und Berlin. Seine Religionskritik verlief in der Auseinandersetzung mit Feuerbach parallel zu Marx und Engels, deren frühe Schriften er mit der junghegelianischen Philosophie kennenlernte. Seine Schlussfolgerungen führten zur Erforschung der sozialen Realität und deren Veränderung, diese müsse von der zentralen Kategorie der Arbeit ausgehen: „Nur die Natur ist der Grund und Boden aller materiellen Interessen. Der Mensch bearbeitet die Natur, die reale Kritik untersucht die Arbeit. (…) Nur durch die reale Kritik werden die Epochen in ihren wesentlichen, nicht logischen, sondern realen Unterschieden erkannt werden.“
Nicht in schroffer Entgegensetzung von „Masse“ und „Kritik“, wie in der Hegelschule, sondern nur durch Einsicht in die Notwendigkeit revolutionärer Veränderung könne und müsse Philosophie praktisch werden: „Die Bedeutung der Entwicklung der letzten 12 Jahre (vor 1847) besteht darin, dass durch ihre Arbeiten eine Erforschung der menschlichen Arbeit erst möglich sein wird, eine Forschung, die einen Willen zu erzeugen und leidenschaftliche Menschen zu schaffen vermag.“ Wegen seiner in Religionsfragen kritisch-radikalen Schriften ausgewiesen, eilte der junge Doktor der Philosophie nach Wien, wo er am 17. März, dem Tag des Begräbnisses der Märzgefallenen, eintraf. Sein publizistisches Debüt in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Kritischer Sprechsaal traf den Nerv des Sturmjahrs und zerstörte trügerische Euphorie: „Die Märzrevolution hat das Volk gemacht, der Pöbel, auf den die Bourgeoisie so stolz herabblickt, das Gesindel, welches der hohe Adel für Bestien erklärte, die Märzrevolution war das große Werk der Volksmassen.“ Er bezeichnete das Grundproblem der bürgerlichen Revolution: die Wechselwirkung der revolutionären Intelligenz mit der Massenbewegung in Wandel und Krise der technisch-industriellen und sozialen Revolution des Kapitalismus.
Demokratie wuchs für Jellinek früh in die soziale Dimension. In der liberalen Allgemeinen Österreichischen Zeitung, die an die Stelle von Metternichs Österreichischem Beobachter getreten war, forderte er am 13. April die „Zertrümmerung“ der „Privilegien des Besitzes“ durch ein „soziales Wahlgesetz“, gegen das „feudale System“, unter der „klaren Anerkennung der Volkssouveränität“, ferner „Aufhebung der Adelsprivilegien, Befreiung des Bauernstandes, Anerkennung des vierten Standes, Gleichstellung aller Konfessionen“ – ein vorweggenommenes vollständiges Programm für die angekündigte Verfassung: „Das Wiener Volk wird doch wahrlich seine eigene blutig vollbrachte Revolution nicht verspotten lassen. (…) Die Massen sind jetzt zu einer bestimmten politischen Bewegung gekommen, sie werden sich nach der Metternich’schen Weise nicht mehr regieren lassen.“ Diese klare Sprache wollten die Liberalen nicht verstehen, so lehnte etwa Heinrich Laube, nachmals Hofburgtheaterdirektor, das „norddeutsche Verstandeszeug“ ab. Ein früher Antisemit, der streitbare Priester und Gründer der Wiener Kirchenzeitung Dr. Sebastian Brunner, verunglimpfte Jellinek in dem Flugblatt Das politisch-literarische Schabesgärtle als „Rabulist, Sophist, Sozialist, Anarchist, Fatalist, Antichrist, Talmudist“. Am 20. Juli wurde der Demokratische Verein, dem Jellinek von der ersten Stunde an angehörte, Ziel tätlicher Angriffe. „Die Religion ist der Gesellschaft notwendig wie einem Narren das Irrenhaus“, resümierte Jellinek (Der Radikale, 17.10.).
Unter den Wiener Demokraten war der Journalist im Blick auf die Bestrebungen der Tschechen, die vom Slawenkongress zum Prager Pfingstaufstand und dessen Niederwerfung führten, einer der wenigen auf der Seite der Linken, welche der Sympathie „für unsere lang unterdrückten Brüder in dem Augenblicke, wo sie sich befreien“, treu blieben: „Kein Volk hat das Recht, ein durch Sprache und sonstige Nationaleigentümlichkeiten von ihm unterschiedenes zu beherrschen. Jedes Volk muss sich selbst regieren. (…) Die deutsche Herrschaft über die Czechen, das ist ein nationaler Eigendünkel, dieser ist wieder eine Chimäre. (…) Die Czechenfresser sind Deutschlands Feinde.“ (16.6. und 24.6.) Entschieden stellte sich Jellinek gegen die Verherrlichung Radetzkys – seine Siege seien „ihrem Zwecke nach ein Hohn und Spott auf die Freiheit“ (25.7.). Der Reichstag votierte in der Tat mehrheitlich gegen eine Dankadresse an den Feldherrn.
Von der Kompromissformel der „demokratischen Monarchie“ kamen die Wiener Demokraten angesichts der immer offener agierenden Gegenrevolution ab; der Begriff der „sozialen Demokratie“ war geboren und verbreitete sich rasch. Im Ausgang der Reichstagswahlen, von denen Arbeiter als „abhängig“, daher unmündig, de facto ausgeschlossen blieben, sah Jellinek „die Herrschaft des Mittelstandes“ verwirklicht; man müsse „im Namen des Volkes, im Namen des Rechtes, im Namen der Revolution diese für permanent erklären“ (12.7.). Von der nach rechts rückenden Allgemeinen Österreichischen Zeitung Ernst von Schwarzers, für die Jellinek gemeinsam mit Dr. Andreas Freiherr von Stifft d. J. schrieb, wechselten die Kollegen zur Tageszeitung Der Radikale, gegründet von Dr. Alfred Julius Becher. Dieser 1803 in Manchester geborene, neue Wege suchende Musikkritiker und Komponist war mit Otto Nicolai Gründer der Philharmonischen Konzerte (1842). Hier knüpfte sich die Verbindung mit dessen Lebensgefährtin Karoline von Perin an, die den Demokratischen Frauenverein als notwendige Ergänzung der Emanzipationsbewegung gründete.
Der erratische Unternehmer des Vormärz und geschäftstüchtige Zeitungsherausgeber Ernst von Schwarzer war Minister der öffentlichen Arbeiten geworden. Die Maßnahme der existenzbedrohenden Lohnkürzung bei den Notstandsarbeiten begründete er in seinem Blatt, dem Besitzbürgertum nach dem Mund redend, mit der Notwendigkeit, „das Gesindel der Arbeitsscheuen auf die eine oder andere Weise zu zwingen, wieder zu Fleiß und Ordnung zurückzukehren“. Der Konflikt eskalierte im brutalen Durchgreifen von Nationalgarde und Munizipalwache gegen die Protestierenden, unter ihnen viele Frauen und Jugendliche, das 22 Tote und Hunderte Schwerverletzte forderte, in der sogenannten Praterschlacht vom 23. August. Am 28. August wurde diese Krise im Demokratischen Verein diskutiert, mit einem prominenten Gast: Karl Marx, der von Köln über Berlin angereist war. Der Chefredakteur der Neuen Rheinischen Zeitung sprach „sehr geistvoll, scharf und belehrend“, dass es sich nun auch in Wien wie im Pariser Juni um den „Kampf zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat“ handle, demgegenüber es gleichgültig wäre, wer Minister sei. Jellinek wendete ein, „dass der Wiener Arbeiter keine soziale Anschauung habe, dass er sich in der Augustbewegung nur um fünf Kreuzer geschlagen“ habe – eine Kontroverse, die dennoch zur Klärung in der Beurteilung des Sozialprotests und seiner Niederwerfung führte. Es sei angemerkt, dass die in Vorbereitung des 200. Geburtstagsgedenkens von Marx erschienenen umfangreichen Marx-Biografien von Inhalt und Bedeutung seiner zehn Tage in Wien keine Notiz nehmen: der Amerikaner Jonathan Sperber, der Brite Gareth Stedman Jones, der Deutsche Jürgen Neffe schweigen ebenso dazu wie jüngst der aus Australien stammende Cambridge-Professor Christopher Clark, der in seinem Buch Frühling der Revolution (2023) auch die Reflexion von Eric Hobsbawms Werk zum 19. Jahrhundert vermissen lässt.
Der Konflikt um die Stellung Ungarns in der Monarchie spitzte sich seit September mit dem Einmarsch des kroatischen Banus Jelačić in Ungarn zu; der nationale Konflikt eskalierte zum offenen Krieg. Für Jellinek ging es um „Freiheit oder Untergang der Demokratie“ (12.9.), im „letzten Kampf der Dynastie mit den Völkern“ (14.9.). „Der Demokrat lässt sich nicht einschüchtern. Zumal jetzt. Entweder Sieg oder Tod – ein drittes erkennen wir nicht an.“ (26.9.) „Die Selbstregierung der einzelnen Nationen bahnt den Weg zur sozialen Demokratie.“ (10.10.) Angesichts des Konflikts vom 6. Oktober, in dessen Verlauf Kriegsminister Theodor Baillet-Latour, der den Einfall der Grenzertruppen gesteuert hatte, erschlagen wurde, stellte Jellinek grundsätzlich fest: „Die Revolution vom 6. war eine Kriegserklärung der Wiener Bürger gegen den Hof selbst.“ (15.10.) Und grundsätzlich: „Wisst ihr, wo die Gerechtigkeit ruht? In der sozialen Demokratie und nirgends anders. (…) Diese Demokratie wird noch große Kämpfe kosten.“ (18.10.) Gegenüber der zögerlichen Haltung des Reichstags, des Gemeinderats und des Nationalgardekommandos forderte Jellinek: „Das bewaffnete Volk muss angreifen. Der Oberkommandant an der Spitze soll den Befehl zum Angriff erteilen. (…) Eine Exekutivgewalt muss eingesetzt werden.“ „Die Volkskämpfe richten sich jetzt aber nicht gegen die absolute Monarchie, auch nicht gegen die Verletzung der konstitutionellen Form, sondern sie kehren sich tatsächlich gegen die Dynastie im alten Sinne des Wortes.“ (25.10.)
Aus diesen Artikeln vor dem tragischen Endkampf vom 28. bis 31. Oktober konstruierte das von Windischgrätz eingesetzte Standgericht, nach den Hinrichtungen Blums und des Nationalgardeoberkommandanten Messenhauser, die Anklage gegen Becher und Jellinek „wegen Verbrechens der hochverräterischen Aufwiegelung des Volkes zur bewaffneten Empörung und offenen Widerstandes gegen die k.k. Truppen“. Amalie Hempel, die Jellinek in Leipzig bei gemeinsamen politischen Aktivitäten kennengelernt hatte – am 25. September war die Tochter Hermine Antonie geboren worden, eine interkonfessionelle Heirat war damals nicht möglich –, erflehte von Windischgrätz Begnadigung. Der Fürst versprach neuerliche Untersuchung. Diese bestand in einem „ordentlichen kriegsrechtlichen Verfahren“, in dem gleichfalls das anbefohlene Todesurteil gefällt wurde. Es wurde am 23. November um 7 Uhr morgens im Stadtgraben vor dem Neutor an Becher und Jellinek vollstreckt. Von Amalie Hempel wissen wir nur noch, dass sie 1852 als Dienstmagd starb.
Die Willkür dieser Exekutionen war klar – der Dramatiker Eduard von Bauernfeld sprach es offen aus: „Man brauchte einen Juden und hatte sonst keinen zur Hand.“ Dass Metternich in einem Gespräch mit Lord Palmerston Jellinek „einen Galgenvogel von einem Juden“ nannte, gereicht dem gestürzten Staatskanzler wahrlich nicht zur Ehre.
Arbeiterbewegung und soziale Demokratie: Ernst (von) Violand
Im Bildungsprozess von Demokratie, Arbeiterbewegung und Sozialismus in der bürgerlichen Revolution stand Dr. Ernst Franz Salvator von Violand in erster Reihe. Der Biograf tut dem revolutionären Demokraten Unrecht, wenn er ihn mit dem ererbten Adelstitel nennt. In der ersten Reichstagssitzung verlangte Violand die Weglassung aller Titel, auch der Paragraph über die Abschaffung der Adelsvorrechte und ‑prädikate des Verfassungsentwurfs geht auf ihn zurück. Dass das Vaterland dem „in hohem Grade überspannten, wütenden Republikaner“ (so die Kartei des Informationsbüros der Polizei) mit dem Hochverratstodesurteil Adel und Doktorat aberkannte, war nur die Konsequenz, mit der sich die Privilegienordnung von einem so missratenen Mitglied distanzierte. Der Urgroßvater war ein Handelsmann aus Savoyen und wurde von Josef II. 1766 in den Reichsritterstand erhoben, zur Belohnung bürgerlicher Verdienste. Die Nachfahren traten in den Staatsdienst, Großvater und Vater waren höhere Beamte im Straßenbauressort. Violand kam 1818, im selben Jahr wie Marx, in Wolkersdorf an der Brünnerstraße zur Welt. Er studierte Jus und habilitierte sich 1846 als Privatdozent. Im Dienst des NÖ Landrechts, dem Sondergerichtshof des Adels, dem nur Adelige angehören konnten, kritisierte er feudale Rechtsungleichheit und die Fideikommisse. Unsere Tagung fand vor dem nur von wenigen Teilnehmern bemerkten barocken Justizthron des Landrechts im NÖ Landhaus statt. Mit seinem Freund Hans Kudlich (im Oktober hatte Violand vergeblich versucht, im Marchfeld den Landsturm gegen die kaiserlichen Truppen aufzubieten) – gelang ihm die Flucht aus Kremsier. Er emigrierte in die USA, blieb als Forty-Eighter politisch und militärisch im Sezessionskrieg aktiv. Violand starb in Peoria/Illinois 1875 „an den Folgen von Überarbeiten und Nahrungssorgen“.
Vor seiner Emigration gab er „Die soziale Geschichte der Revolution in Österreich“ heraus, erschienen bei Otto Wigand in Leipzig, von Arnold Ruge, Bruno Bauer, Ludwig Feuerbach bis Moses Heß und Engels der Hauptverleger der junghegelianischen, radikaldemokratischen und frühsozialistischen Literatur in Deutschland. Die Vorrede datiert vom Januar 1850. Grundlegend ist die Erkenntnis des „Kampfes der Gesellschaft mit der Idee des Staates“, deren Spaltung „in die herrschende Klasse und die abhängige Klasse“. Auch in der bürgerlichen Demokratie bestehe „der Despotismus des Kapitals“ weiter. Violand war ein wacher Beobachter der sozialen Probleme hinter den Kulissen des Biedermeier: „Österreich hatte ein Proletariat, welches dem von Frankreich nicht viel nachstand“, es gab „schauderhaftes, massenhaftes Elend“. Mit Hungerkrisen, Prostitution, Arbeits- und Obdachlosigkeit zeichnete er die Folgen des „schaudervollen Elends dieser Fabrikssklaven“, die „von den Behörden als Gesindel, wie eine Herde Vieh behandelt“ würde – „eine Revolution gelingt nur dem armen Volke vereint mit der begeisterten Jugend.“ Nach dem Scheitern der parlamentarischen Verankerung der Revolution müsse der Kampf im Bündnis von Demokraten und Proletariat fortgesetzt werden: „Demnach geht das Bestreben der sogenannten sozialen Demokraten dahin, mittelst einer Diktatur jedes Privilegium abzuschaffen und die die Arbeit beherrschende Macht des Kapitals zu brechen. (…) Dieses Streben mit seiner sittlichen Berechtigung wird jedenfalls der Kampf der Zukunft, und zwar vor allem in Frankreich, sein. Ja, er hat schon begonnen und seine erste Schlacht im Juni des Jahres 1848 zu Paris geführt. Wenn auch besiegt, rüsten sich doch die sozialen Demokraten, von der Idee des Rechts begeistert, mit ihrem darniedergetretenen ungeheuren Anhang der ausgebeuteten Besitzlosen zu neuem erbittertem Kampf. (…) Die Demokraten und die sozialen Demokraten (sind) allein diejenigen, welche für die Herrschaft des Rechtes, für die Idee des Staates streiten, und sich beide nur dadurch unterscheiden, dass die ersteren wohl die von der Vernunft geforderte Freiheit und Gleichheit, aber nicht die Bedingungen, unter denen sie allein bestehen kann, anstreben, während die letzteren auch diese, und zwar mit Gewalt, einführen wollen.“
Violands Klassenanalyse beruft sich auf das Werk von Lorenz Stein aus Eckernförde, der vom dänischen König nach Paris entsendet worden war, um den Sozialismus und Kommunismus des heutigen Frankreichs zu studieren und darzustellen. Das 1842 mit diesem Titel erschienene Buch öffnete den Zeitgenossen die Augen für die soziale Dynamik der bürgerlichen Revolution und des aufsteigenden Kapitalismus, in Frankreich wie in Deutschland. Die wesentlich erweiterte Neufassung des Steinschen Buches (Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage, 1850) half Violand, seine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse zu einem theoretischen Modell der Widersprüche der bürgerlichen Revolution auszubauen. Die Einsicht, dass der Gesellschaft gegenüber dem Staat die primäre Stellung zukäme und dass die ökonomischen Gesetze der „volkswirtschaftlichen“, „industriellen“ Gesellschaft ihre Klassenstruktur bestimmten, ermöglichten es Violand, seine spontane Parteinahme für die unterdrückten und ausgebeuteten Massen in ein klares Revolutionskonzept einzufügen. Stein hatte gefolgert, dass der „Kampf im Herzen der Gesellschaft“ zur „Diktatur“ der nichtbesitzenden Klasse, des Proletariats, führen müsse, aber die Entschärfung des drohenden Konflikts durch „soziale Reform“ verlangt, deren Träger das monarchische Staatsoberhaupt sein sollte. 1854 berief ihn Minister Leo Graf Thun-Hohenstein an die neu organisierte Wiener Universität. Steins soziologisch begründete „Verwaltungslehre“ stand in der starken Tradition des aufgeklärten Absolutismus und seiner von Sonnenfels begründeten „Polizeiwissenschaft“. Wohlbestallt und nobilitiert lebte und lehrte Lorenz von Stein, unermüdlich publizierend, bis zu seinem Tod (1890) in seiner Weidlingauer Villa. Die Wiener Universität setzte ihm umgehend ein Denkmal in ihrem Arkadenhof (1891).
Im April des Jahres 1850 setzten Marx und Engels in London gemeinsam mit Anhängern des Berufsrevolutionärs Louis-Auguste Blanqui und radikalen Chartisten ihre Unterschrift unter das Gründungsdokument einer „Weltgesellschaft des revolutionären Kommunismus“, in dem es bündig hieß: „Das Ziel der Assoziation ist der Sturz aller privilegierten Klassen, ihre Unterwerfung unter die Diktatur der Proletarier, in welcher die Revolution in Permanenz erhalten wird bis zur Verwirklichung des Kommunismus, der die letzte Organisationsform der menschlichen Familie sein wird.“ Dieser merkwürdige Text stimmt mit der zentralen Forderung des Kommunistischen Manifests überein – „Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie“ als erster Schritt in der „Arbeiterrevolution“, die auf die bürgerliche Revolution folgen müsse. Die Beifügung der „Demokratie“ war auch im Untertitel der Neuen Rheinischen Zeitung präsent: „Organ der Demokratie“. Der Satz komprimiert jene berühmt gewordenen politischen Formeln, die auch aus anderen Marx’schen Schriften dieser Zeit bekannt sind: Ansprache der Zentralbehörde an den Bund und vor allem Die Klassenkämpfe in Frankreich, seit März 1850 in Hamburg (als Versuch einer Fortsetzung der Neuen Rheinischen Zeitung als Politisch-ökonomische Revue) erschienen – Analyse und zugleich Appell zur Erneuerung der Revolution: „die kühne revolutionäre Kampfparole (…) Sturz der Bourgeoisie! Diktatur der Arbeiterklasse!“ Parallel zu Planck definierte Marx den „revolutionären Sozialismus“ als „die Permanenzerklärung der Revolution, die Klassendiktatur des Proletariats als notwendigen Durchgangspunkt zur Abschaffung der Klassenunterschiede überhaupt“. Hier ist zu betonen, dass diese für das politische Programm von Marx und den Marxismus so folgenschwere Wendung von der Demokratie zur Diktatur als Mittel der Durchsetzung der Revolution in der Analyse der Krise der Wiener Revolution wurzelt. An ihrem tragischen Wendepunkt, wir sahen es, nahm er die Niederlage im Oktoberkampf zum Anlass, von den „mörderischen Todeswehen der alten Gesellschaft, den blutigen Geburtswehen der neuen Gesellschaft“ zu sprechen. Marx sah „nur ein Mittel, diese Geburtswehen abzukürzen, zu vereinfachen, zu konzentrieren, nur ein Mittel, den revolutionären Terrorismus“. In diesem aufrüttelnden, aggressiven Text musste der „Verrat der Bourgeoisie“ an ihrer eigenen Revolution die Rückwendung zum jakobinischen Höhepunkt der Großen Französischen Revolution begründen – und jene folgenschwere Rechtfertigung der terreur als Mittel der Selbstbehauptung der Republik gegen äußere und innere Feinde.
Violand, dessen Formulierung zu Beginn des Jahres 1850 Priorität zukommt, hatte von den Debatten und dem Revolutionskonzept der Londoner Emigration zweifellos Kenntnis durch seine von der Polizei beobachteten Kontakte. Allerdings hat Marx schon im September 1850 – infolge der Orientierung auf die als notwendig erkannte umfassende Kritik der politischen Ökonomie und eine langfristige, nicht voluntaristische Revolutionsperspektive – mit der auf sofortige revolutionäre Aktion drängenden sogenannten Fraktion Willich-Schapper abrupt gebrochen, die einen Sonderbund gründeten. Der Bund der Kommunisten zerbrach daran. Der ehemalige preußische Offizier August von Willich – unter ihm hatte Engels in der Reichsverfassungskampagne in der Pfalz 1849 gedient – wurde später General im Sezessionskrieg auf republikanischer Seite. Der Forststudent, frühere Gießener Burschenschafter, Teilnehmer am Frankfurter Wachensturm und Urgestein der revolutionären Bünde in Paris, vollzog noch, nach der Aussöhnung mit Marx, den Anschluss an die in der Internationalen Arbeiter-Assoziation erneuerte Arbeiterbewegung – ein früher Berufsrevolutionär, auf den die Parole des Manifests der Kommunistischen Partei „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ zurückgeht. Marx resümierte die Erfahrungen der Revolution in der konsequenten Kette von „Klassenkampf, Diktatur des Proletariats, Aufhebung aller Klassen zu einer klassenlosen Gesellschaft“ in dem Brief an Joseph Weydemeyer in New York (5. März 1852).
Das Problem des Verhältnisses von Demokratie und Diktatur als Mittel der Revolution setzte sich fort: Marx und der Anarchist Bakunin bezichtigten einander in der kurzen, krisenreichen Geschichte der I. Internationale des Strebens nach der Diktatur. In seiner Kritik des reformistischen Gothaer Programms (1875) rief Marx die „Diktatur des Proletariats“ in Erinnerung. Diesen polemischen Text, der vor der ausschließlich parlamentarischen Perspektive warnte, publizierte Engels erst 1891. Engels projizierte ferner die „Diktatur des Proletariats“ rückschauend auf die Pariser Commune von 1871. Hier knüpfte Lenin an, mit der im Züricher Exil Ende 1916 verfassten, philologisch peniblen Zusammenstellung der Marx-Engels-Zitate zum Zentralthema „Marxismus und Staat“ – das „blaue Heft“, das er am Vorabend der Oktoberrevolution zur grundlegenden Strategie, in seiner für die Machtübernahme maßgebenden Schrift Staat und Revolution zusammenfasste.
In der marxistisch-leninistischen Rezeption dieser komplexen Entwicklung eines zentralen Begriffs der Revolutionstheorie waltete vielfach Auslassung der „Linksabweichung“ des Jahrs 1850. Festzuhalten bleibt, dass in dieser Auseinandersetzung das Begriffsfeld social, Socialismus, sociale Demokratie vom Fremdwort zur zentralen Kategorie des Revolutionsverständnisses wurde. Violands Soziale Geschichte hat jedenfalls in dieser folgenschweren Terminologie Priorität.
In der Krise der Ersten Republik 1926 definierte das Linzer Parteiprogramm der österreichischen Sozialdemokratie „zwischen Reformismus und Bolschewismus“ (Norbert Leser) die „Diktatur des Proletariats“ – defensiv für den Fall einer „Gegenrevolution der Bourgeoisie“ und einer „Sprengung der Demokratie“: „Wenn sich aber die Bourgeoisie gegen die gesellschaftliche Umwälzung, die die Aufhebung der Staatsmacht der Arbeiterklasse sein wird, (…) widersetzen sollte, dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen.“ Eine problematisch verbalradikale, von den Gegnern begierig aufgegriffene Formulierung, die Max Adler gegen die Bedenken von Julius Deutsch und Otto Bauer durchsetzte – und gleichzeitig die „soziale Demokratie“ als Ziel nannte! Mit dem Programmpunkt der „klassenlosen Gesellschaft“ lebte dieses Dilemma des Austromarxismus fort. Als „Partei der Reform“ reflektiert die gegenwärtige Sozialdemokratie nicht mehr ihren revolutionären Ursprung, und der Plan A, den Bundeskanzler Christian Kern für die Nationalratswahl 2017 in Auftrag gab, bezeichnete sich als „Programm für Wohlstand, Sicherheit & gute Laune“, mit völliger Verwischung der Klassenanalyse – das (vor)letzte Wort der von ihren Ursprüngen abgekoppelten österreichischen Sozialdemokratie in ihrer schweren, von inhaltsleeren Personaldebatten gekennzeichneten Krise? Ein Satz Violands klingt im Ursprung aus der Tiefe der Zeit: „Hätten alle anderen Menschen das Herz, den Mut, die Begeisterung für Recht und Gerechtigkeit, hätten sie die Uneigennützigkeit wie die Proletarier Wiens, ich bin überzeugt, die Erde wäre ein Paradies.“
Im Verfassungsausschuss des Wien-Kremsierer Reichstags führte der geschulte Jurist Violand das Wort. In Paragraph 1 formulierte er das immer noch gültige Prinzip der Demokratie: „Alle Staatsgewalten gehen vom Volke aus, und werden auf die in der Constitution festgesetzte Weise ausgeübt.“ Diese Antizipation der Volkssouveränität konnte allerdings so nicht durchgesetzt werden; selbst der liberale Kompromiss der oktroyierten Verfassung vom März 1849 wurde mit dem Silvesterpatent 1851 eliminiert, Neoabsolutismus begann. Sein Porträt, das ihn auf dem Höhepunkt seiner politischen Tätigkeit als Reichstagsabgeordneter zeigt, in der Uniform und mit dem Säbel der Nationalgarde, signierte Violand mit dem trotz alledem die Zuversicht auf den historischen Fortschritt bezeugenden Satz: „Die Demokraten der Gegenwart können fallen, aber die Sonne der wahren Völkerfreiheit wird auf ihre Leichenhügel strahlen.“
Väter und Söhne: Andreas von Stifft d. J.
„Ich hoffe, wir werden uns beide in einem Convent noch neben einander finden.“ Dieser Satz steht in einem Brief, an „Herrn Dr. Stifft in Wien“, datiert Harburg 6. Mai 1849. Absender des von der Polizei abgefangenen Schreibens war Marx, der auf eine neue Revolutionswelle hoffte – und, mit Selbstironie, auf einen Konvent in Deutschland wie in der Großen Französischen Revolution. Dresden hatte sich erhoben, der Aufstand wurde durch Teilnehmer wie Richard Wagner, Gottfried Semper und Michail A. Bakunin berühmt, die Reichsverfassungskampagne rief noch einmal die republikanischen und demokratischen Kräfte in der Rheinpfalz und in Baden zum Kampf. Ungarn und Venedig hielten stand. Auch in diesem Fall: Die reichliche Marx-Biografik nahm von dieser Beziehung zu den Wiener Doktoren der Revolution und zur Arbeiterbewegung keine Notiz, gleichfalls die Trierer Großausstellung 2018.
Wer war dieser Freiherr von Stifft, dem Marx das singuläre Angebot machte? – Der Konvent von 1793 war für Marx „das Maximum der politischen Energie, der politischen Macht und des politischen Verstandes“ der bürgerlichen Revolution. Aus dem Jahr 1850 stammt eine Äußerung von Marx, dass er Stifft „für den größten Redner, den schärfsten philosophischen Denker und den bedeutendsten Sozialisten in ganz Deutschland“ halte.
Generationenkonflikt ist ein Leitthema der Revolutionsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Stiffts Großvater Andreas Joseph aus Weinviertler Bauernfamilie stieg zum nobilitierten Leibarzt des Kaisers Franz auf. Als reaktionärer und intriganter Ohrenbläser seines Herrn suchte und fand er nicht nur in der Kollegenschaft Opfer – er schaltete etwa den „Weisen von Prag“, den Theologen, Mathematiker und Philosophen Bernard Bolzano aus. Stiffts Grabstein, auf den Zentralfriedhof zu den sogenannten kleinen Ehrengräbern der Gruppe O übertragen, fasst kaum die Fülle seiner Titel und Auszeichnungen, die Brust seiner Büste im Hof der Universität kaum die Orden. Sein Sohn Andreas von Stifft der Ältere wurde Gutsherr von Rosenau im Waldviertel – das Freimaurerschloss des Grafen Schallenberg aus dem 18. Jahrhundert kam dann an Georg Ritter von Schönerer, den antisemitischen Deutschnationalen. Der ältere Stifft gehörte der liberalen Fraktion der NÖ Landstände an. Im ungeliebten Dienst des NÖ Landrechts stand der 1819 geborene Sohn, mit seinem Kollegen Violand kritisch gleichgesinnt. Vater und Sohn erlebten den Ausbruch der Märzrevolution im NÖ Landhaus. Stifft hatte eingehend die Theorien der Frühsozialisten studiert, zugleich gab er sich einem mystischen Christentum hin – „die Gedanken des Sozialismus und Kommunismus erfreuen sich eines hohen Alters“, meinte er mit Berufung auf die Apostelgeschichte. Gegen den liberalen Kompromiss begründete Stifft in der Allgemeinen Österreichischen Zeitung – hier kam er mit Jellinek zusammen – das Prinzip der Demokratie, er forderte politische Gleichstellung der Arbeiter bei den Wahlen und war einer der ersten, die in Österreich ausdrücklich von der sozialen Demokratie sprachen. Stifft trat für die nationalen Ansprüche der Ungarn, Italiener und Polen ein, anders als viele Demokraten forderte er das Recht auf Selbstbestimmung auch für Tschechen und Südslawen mit dem Leitgedanken eines „Sozialismus der Völker“.
In der Praterschlacht stand Stifft auf der Seite der Opfer; in fulminanten Artikeln nahm er Partei für die unterdrückte Pariser Arbeiterschaft im blutigen Juni. Wie Jellinek schied er aus der Allgemeinen Österreichischen Zeitung Schwarzers aus. Am 2. September, dem Vorabend des Leichenbegängnisses für die Opfer, kamen Stifft und Marx im Arbeiterverein zusammen, der seine Sitzungen in den noblen Sträußelsälen beim Josefstädter Theater abhielt. Im Anschluss an Marx, der über Lohnarbeit und Kapital sprach – Keimzelle seiner künftigen Kritik der politischen Ökonomie! – sprach Stifft über die Unmöglichkeit des „aus dem Absolutismus künstlich zusammenkomponierten Österreich“, er forderte ein Bündnis von Arbeitern, Studenten und Demokraten und wurde nach diesen „freiheitsbegeisterten Worten“ zum Ehrenmitglied des Arbeitervereins ernannt.
Im Oktoberkampf trat Stifft an die Spitze des neu gewählten Wiener Gemeinderats. Im verworrenen Kräftespiel zwischen Reichstagspermanenz, Nationalgardeoberkommando, Studentenkomitee und demokratischem Verein verstand es Stifft, „ein halbes Schock erfahrener Zöpfe zu einem Leitseil zusammenzubinden“ und „die kühnen Absagebriefe des Gemeinderats an Windischgrätz“ zu richten. Nach dem Sieg der Gegenrevolution zog sich Stifft, dem sein Familienhintergrund das Schicksal vieler seiner Gesinnungsgefährten und Kollegen ersparte, in die innere Emigration zurück. Für die Zeitgenossen wurde er zum skurrilen Einzelgänger. Man sah ihn, mit Bücherpaketen unter dem Arm, mit sich selbst sprechend, durch das Wien der Ringstraßenzeit schlurfen, „Sommer und Winter im gleichen abgetragenen Rocke, mit schäbigem Hute und stets mit rotem Regenschirm bewaffnet“, wie Die Presse zu seinem Tod am 13. Dezember 1877 berichtete. Von dem ihm zustehenden beträchtlichen Erbteil (86 978 fl. 95 2/3 Kr.) hatte er nichts angerührt; er vermachte es seinen Angehörigen. Er hinterließ außer einigen alten Möbeln, Silberbesteck und einer goldenen Uhr „zwei Kisten mit Makulaturpapier“; davon blieben nur wenige Briefe erhalten. In diesen Jahrzehnten hatte Stifft, der zu den Gründungsmitgliedern der Schriftstellervereinigung Concordia (1859) zählte, eine Fülle von (unaufgeführten) Dramen und vielbändigen Romanen verfasst, auch Reiseerinnerungen, in denen er immer wieder sein Bekenntnis zu den Ideen und Zielen der Revolutionen von 1789 und 1848, auch zur beginnenden Arbeiterbewegung verschlüsselte – der alte Freiherr von Stifft der Jüngere, der wohl begabteste publizistische Wortführer der Sache der Volkssouveränität, weitergedacht zur sozialen Demokratie und zum Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Siegende Geschlagene
Trotz alledem: die Niederlagen von 1859 und 1866, Solferino und Königgrätz, zwangen Österreich auf die Bahn des Konstitutionalismus. Das Pensum von 1848 war aufs neue aufgegeben. Das allgemeine gleiche (Männer-)Wahlrecht spannte in diesem unaufhaltsamen demokratischen Modernisierungs- und Emanzipationsprozess den Bogen vom Revolutionsjahr zur Wiedereinführung 1907.
Das geltende Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger unserer Bundesverfassung geht auf den Kremsierer Entwurf zurück. Als im Jahr 1867 der österreichisch-ungarische Dualismus konstruiert wurde, drängte die Zeit, um auch in der cisleithanischen Reichshälfte staatliche Rechtsgrundlagen zu schaffen. So schrieb der Abgeordnete Eduard Sturm aus Brünn zum Beratungsprotokoll des Grundrechtskatalogs das lapidare Wort „Alles 1849!“. So kam es in der Tat. Auch die Verfassungsgeber der Ersten Republik wollten sich nicht auf heikle Grundsatzfragen einlassen und rezipierten kurzerhand die Staatsbürgerrechte vom Dezember 1867. Der Artikel 19 (allerdings durch den Vertrag von Saint-Germain derogiert, d. h. außer Kraft gesetzt), bleibt eine denkwürdige Erinnerung an das große Versöhnungswerk der Parlamentarier von Kremsier: „Alle Volksstämme des Reiches sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache. Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt.“
Mit diesem Konzept nationaler Autonomie schufen die Parlamentarier von Wien und Kremsier ein Modell, das sich über die historischen Kronländer hinaus auf eine Gliederung in Kreise hätte stützen können – die Königsidee des tschechischen Historikers und Politikers František Palacký, dessen austroslawisches Konzept zu Unrecht von den Deutschen mit russisch orientiertem Panslawismus gleichgesetzt wurde. Mit den sozialdemokratischen Konzepten Karl Renners, Otto Bauers und des Rumänen Aurel Popovici wurde das Erbe von 1848/49 weitergedacht. Das Prinzip der Personalautonomie in Kurien wurde entwickelt; mit den Ausgleichsversuchen in der Bukowina und Mähren, geplant in Galizien, am Abend der Habsburgermonarchie schien eine Chance auf nationale Befriedung gegeben. Es war zu spät.
In unserer Zeit, die von sozialen Krisen und massenhaften Migrationsbewegungen, von der Begegnung und Konfrontation von Kulturen, Sprachen, Konfessionen, ethnischen Gruppen und Nationen herausgefordert wird, in unseren Tagen, da blutige Konflikte den Weltfrieden gefährden, lohnt es sich wohl, über den Sinn und die Aktualität des im österreichischen Vielvölkerreich geprägten Prinzips der Gleichberechtigung der Nationalitäten nachzudenken.
Demokratie beginnt in Österreich nicht erst mit der Gründung der Republik 1918. In der Sprache der bürgerlichen und sozialen Revolutionen des 19. Jahrhunderts ist hier, so scheint es, von sehr gegenwärtigen Fragen und Aufgaben die Rede. 1848 mit all seinen tragisch gescheiterten und unterdrückten Hoffnungen ist in diesem Sinn keineswegs ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte Österreichs und Europas. Nicht zuletzt: Das Verhältnis der Menschen- und Bürgerrechte zur Politik, in Rechtsstaat und Demokratie, ist gerade anhand der Geschichte der österreichischen Verfassung und ihres revolutionären Ursprungs exemplarisch zu studieren.
Die revolutionären Demokraten von 1848 dachten und handelten an der Seite der Arbeiterbewegung über die bürgerlich-kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung hinaus, weiter zur sozialen Demokratie. Die Frage nach Glücken oder Scheitern von Revolution ist mit der Erinnerung an 1848, mit diesem radikalen Schritt des historischen Reichs in die Moderne, verbunden. Die Achtundvierziger, viele von ihnen getötet, geächtet und vertrieben, bleiben selbst in ihrer Vergessenheit wahrhaft die „siegenden Geschlagenen“, wie sie der Revolutionsdichter Ferdinand Freiligrath nannte.
Hinweise auf Quellen und Literatur in den Publikationen des Verfassers:
Wolfgang Häusler, Die Revolution von 1848 und die österreichischen Juden. Eine Dokumentation, in: Das Judentum im Revolutionsjahr 1848 (Studia Judaica Austriaca 1), Wien-München 1974, 5–63; Konfessionelle Probleme in der Wiener Revolution von 1848, ebd. 64–77; Demokratie und Emanzipation, ebd. 92–11; Hermann Jellinek. Seine Entwicklung zum revolutionären Demokraten, in: Beiträge zur Neueren Geschichte Österreichs (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 20), Wien 1974, 345–362; Hermann Jellinek (1823–1848). Ein Demokrat in der Wiener Revolution, in: Jb. des Instituts für Deutsche Geschichte 5 (1976) 125–175; Ernst Violand (1818–1875). Der Lebensweg eines österreichischen Demokraten, in: Jb. des Instituts für deutsche Geschichte 6 (1977) 181–213; Vom Standrecht zum Rechtsstaat. Politik und Justiz in Österreich (1848–1867), in: Justiz und Zeitgeschichte (Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Geschichte der Gesellschaftswissenschaften 1), Wien 1977, 1–42; Das Gefecht bei Schwechat am 30. Oktober 1848 (Militärhistorische Schriftenreihe 34), Wien 1977; Einleitung und Nachwort zu: Herbert Steiner, Karl Marx in Wien. Die Arbeiterbewegung zwischen Revolution und Restauration 1848, Wien-München-Zürich 1978, 7–26, 192–210; Ein unbekannter Aufruf Robert Blums aus der Wiener Oktoberrevolution 1848, in: Wiener Geschichtsblätter 33( 1978) 173–187; Aus den Briefen Faust Pachlers (1819–1891), in: Jb. des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 34 (1978) 239–275; Die Revolution von 1848 und die Anfänge der österreichischen Arbeiterbewegung, in: Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien 1978, 7–22; Von der Massenarmut zur Arbeiterbewegung. Demokratie und soziale Frage in der Wiener Revolution von 1848, Wien-München 1979; Die österreichische Publizistik und ihre Probleme im Revolutionsjahr 1848, in: Erich Zöllner (Hg.), Öffentliche Meinung in der Geschichte Österreichs (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichkunde 34), Wien 1979, 64–88; Demokratie und Sozialismus um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Am Beispiel des österreichischen Demokraten Ernst Violand, in: Die demokratische Bewegung in Mitteleuropa im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert. Ein Tagungsbericht, Berlin 1980, 404–420; Zur sozialen und nationalen Problematik der Revolution von 1848/49 in der Donaumonarchie, in: Erich Zöllner (Hg.), Revolutionäre Bewegungen in Österreich (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichkunde 38), Wien 1981, 110–128; „Noch sind nicht alle Märzen vorbei …“ Zur politischen Tradition der Wiener Revolution von 1848, in: Politik und Gesellschaft im alten und neuen Österreich. Festschrift für Rudolf Neck zum 60. Geburtstag, Bd. 1,Wien 1981, 85–108; Sigmund Engländer – Kritiker des Vormärz, Satiriker der Wiener Revolution und Freund Friedrich Hebbels, in: Juden im Vormärz und in der Revolution von 1848 (Studien zur Geistesgeschichte 3), Stuttgart-Bonn 1983, 83–137; Freiherr Andreas von Stifft d.J. (1819–1877). Leben und Werk eines Wiener Publizisten im Zeitalter der bürgerlich-demokratischen Revolution, in: Jb. des Instituts für Deutsche Geschichte 15 (1986) 231–283; Soziale Protestbewegungen in der bürgerlich-demokratischen Revolution der Habsburgermonarchie 1848, in: Helmut Reinalter (Hg.), Demokratische und soziale Protestbewegungen in Mitteleuropa 1815–1848/49, Frankfurt 1986, 327–359; Freiheit in Krähwinkel? Biedermeier, Revolution und Reaktion in satirischer Beleuchtung, in: Österreich in Geschichte und Literatur 31 (1987) 69–111; (Mitarbeit) Katalog Bürgersinn und Aufbegehren. Biedermeier und Vormärz in Wien 1815–1848, Wien 1987; „Aus dem Ghetto.“ Der Aufbruch des österreichischen Judentums in das bürgerliche Zeitalter (1780–1867), in: Hans Otto Horch – Horst Denkler (Hg.), Conditio Judaica. Judentum, Antisemitismus und deutschsprachige Literatur vom 18. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg, Tl. 1, Tübingen 1988, 47–70; Emanzipation und Revolution. Die Wiener Juden im Sturmjahr 1848, in: Wolfgang Plat (Hg.), Voll Leben und voll Tod ist diese Erde. Bilder aus der Geschichte der jüdischen Österreicher (1190 bis 1945), Wien 1988, 143–159; Toleranz, Emanzipation und Antisemitismus. Das österreichische Judentum des bürgerlichen Zeitalters (1782–1918), in: Anna Drabek, Wolfgang Häusler u. a.,Das österreichische Judentum. Voraussetzungen und Geschichte, Wien-München 3. A. 1988, 83–140; „Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer ausschaut, als er wirklich ist.“ – Stichworte für den Historiker aus Johann N. Nestroys vorrevolutionärer Posse „Der Schützling“ (1847), in: Römische Historische Mitteilungen 31(1989) 419–451; „Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer auschaut, als er wirklich ist.“ Historische Perspektiven zu Nestroys „Der Schützling“, in: Burgtheater Wien – Programmbuch 46, Wien 1989, 21–43; „ … garantir l´existence de l´ouvrier par le travail.“ Zu Theorie und Praxis der sozialen Grundrechte im Zyklus der bürgerlichen Revolution 1789–1848, in „Sie und nicht wir.“ Die Französische Revolution und ihre Wirkung auf das Reich, Bd. 2, Hamburg 1989, 691–718; ‚Biedermeier´oder ‚Vormärz´. Anmerkungen zur österreichischen Sozialgeschichte in der Epoche der bürgerlichen Revolution, in: Wiener Biedermeier. Malerei zwischen Wiener Kongreß und Revolution, München 1992, 35–43; „Mutter, a Brot!“ Essen und Hungern in der Wiener Vormärzliteratur, in: Manfred Gailus – Heinrich Volkmann (Hg.), Der Kampf um das tägliche Brot. Nahrungsmangel, Versorgungspolitik und Protest 1770–1990 (Schriften des Zentralinstituts für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin 74), Opladen 1994, 214–229; „Die lieben Oestreicher!“ Friedrich Hebbels Reflexionen zur Revolution von 1848 zwischen Tagebuchaphorismus und politischer Öffentlichkeit, in: Günter Häntzschel (Hg.), Studien zu Hebbels Tagebüchern, München 1994, 145–167; Kaiserstaat oder Völkerverein? Zum österreichischen Staats- und Reichsproblem zwischen 1804 und 1848/49, in: Richard G. Plaschka – Gerald Stourzh – Jan Paul Niederkorn (Hg.), Was heißt Österreich? Inhalt und Umfang des Österreichbegriffs vom 10. Jahrhundert bis heute (Archiv für Österreichische Geschichte 136), Wien 1995, 221–254; „Die Czechen und Polacken schütteln Ihr strupp´ges Karyatidenhaupt“ – Friedrich Hebbel und die „Bedientenvölker“ der Habsburgermonarchie, in: Hebbel-Jahrbuch 51 (1996) 151–212; Anton Heinrich Springer (1825–1891). Ein österreichischer Revolutionstheoretiker des 19. Jahrhunderts, in: Jb. des Instituts für Deutsche Geschichte 8 (1979) 175–206; Soziale Protestbewegungen in der bürgerlich-demokratischen Revolution der Habsburgermonarchie 1848, in: Rudolf Jaworski – Robert Luft (Hg.), Revolutionen in Ostmitteleuropa. Vorträge der Tagung des Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 30.November bis 1. Dezember 1990, München 1996, 173–195; Anton Heinrich Springer – der Historiker des Kremsierer Reichstages, in: Der Reichstag von Kremsier 1848–1849 und die Tradition des Parlamentarismus in Mitteleuropa, Kremsier 1998, 255–266; Die Söhne des Atta Troll. Sozialistische Utopie und Scheitern der deutschen und österreichischen Revolution im Spiegel der Satire, in: Bernd Rill (Hg.) 1848. Epochenjahr für Demokratie und Rechtsstaat in Deutschland (Berichte und Studien der Hanns-Seidl-Stiftung 77), München 1998, 347–376; (Hg. mit Ernst Bruckmüller) 1848. Revolution in Österreich (Schriften des Instituts für Österreichkunde 62), Wien 1999, darin: „Was kommt heran mit kühnem Gange“ Ursachen, Verlauf und Folgen der Wiener Märzrevolution 1848, 23–54; Dr. Ernst (von) Violand. Auf dem Weg zur „sozialen Demokratie“, in: Sigurd Paul Scheichl – Emil Brix (Hg.), Dürfen´s denn das?“ Die fortdauernde Frage zum Jahr 1848 (Reihe Civil Society der Österreichischen Forschungsgemeinschaft 3), Wien 1999, 57–73; 150 Jahre Revolution und Reaktion 1848/49, in: Österreich und Geschichte und Literatur 43(1999) 136–141; 1848 – Das Geburtsjahr der Demokratie in Österreich, in: Heiner Timmermann – Wolf T. Gruner (Hg.), Demokratie und Diktatur in Europa. Geschichte und Wechsel der politischen Systeme im 20. Jahrhundert (Dokumente und Schriften der europäischen Akademie Otzenhausen 95), Berlin 2001, 283–304; „Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer ausschaut, als er wirklich ist.“ Historische Perspektiven zu Nestroys „Der Schützling“, in Hubert Christian Ehalt – Jürgen Hein – William E. Yates (Hg.), Hinter den Kulissen von Vor- und Nachmärz. Soziale Umbrüche und Theaterkultur bei Nestroy (Wiener Vorlesungen. Konversatorien und Schriften 11), Wien 2001, 61–80; Die Wiener „Märzgefallenen“ und ihr Denkmal. Zur politischen Tradition der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848, in: Barbara Haider – Hans Peter Hye (Hg.), 1848.Ereignis und Erinnerung in der politischen Kultur Mitteleuropas (Zentraleuropa-Studien 7), Wien 2003, 251–275; „Wehe über dich, du Staat der Donau!“ Zum Österreichbild der Grenzboten und Gustav Freytags, in: MIÖG 12 (2004) 347–367; Wiener Demokraten zwischen bürgerlicher Revolution und sozialer Demokratie 1848, in: Helmut Reinalter (Hg.), Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815–1848/49 (Schriftenreihe der Internationalen Forschungsstelle „Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770–1850“ 38), Frankfurt 2005, 317–336; Versuch über die Einfachheit oder die Ordnung der Vielfalt in Politik, Bildung und Kunst der bürgerlichen Gesellschaft, in: Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. Ausstellungskatalog Albertina, Ostfildern 2006, 97–119; Im Walzertakt zur Revolution. Literarische Spiegelungen bürgerlicher Tanzkultur, in: Barbara Boisits – Klaus Hubmann (Hg.), Tanz im Biedermeier. Ausdruck des Lebensgefühls einer Epoche. Symposion Graz 2004 (Neue Beiträge zur Aufführungspraxis. Schriftenreihe des Instituts für alte Musik und Aufführungspraxis an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz 6), Wien 2006, 9–50; Marseillaise, Katzenmusik und Fuchslied als Mittel sozialen und politischen Protests in der Wiener Revolution 1848, in: Barbara Boisits (Hg.), Musik und Revolution. Die Produktion von Identität und Raum durch Musik in Zentraleuropa 1848/49, Wien 2013; Volk und Freiheit, Vaterland und Nation. Die Geburt der bürgerlichen Gesellschaft in der Zeit der Revolutionen und Völkerschlachten, in: Barbara Felsner – Christine Tropper – Thomas Zeloth (Hg.), Archivwissen schafft Geschichte. Festschrift für Wilhelm Wadl zum 60. Geburtstag (Archiv für Vaterländische Geschichte und Topographie 108), Klagenfurt 2014, 539–556; „Exzellenzen ausstopfen – ein Unfug“ oder: Revolution, Demokratie und Republik im Haus der Geschichte Österreich(s), in: Thomas Winkelbauer (Hg.), Haus? Geschichte? Österreich? Ergebnisse eine Enquete über das neue historische Museum in Wien, Wien 2016, 235–254; Ideen können nicht erschossen werden. Revolution und Demokratie 1789 – 1848 – 1918, Wien – Graz – Klagenfurt 2017; Wien und Ungarn 1848/49. Denkmäler und Stätten revolutionärer Erinnerung, in: Pál S. Varga – Karl Katschthaler – Miklós Takács (Hg.), Erinnerungen im Spannungsfeld unterschiedlicher Gedächtnisse: Galeerensklaven und 1848 (Loci Memoriae Hungaricae 4), Debrecen 2017, 193–239; Der Ursprung der „sozialen Demokratie“ im Revolutionsjahr 1848, in: ZUKUNFT 1/2018, 22–28; „… die die Arbeit beherrschende Macht des Kapitals zu brechen …“ Vom Leben und Wirken des revolutionären 1848er Demokraten Ernst Violand (1818), in: Zwischenwelt. Literatur/Widerstand/Exil 35 (1–2/2018) 50–55; Die soziale und politische Stellung der Wiener Arbeiterschaft 1848 in Praxis und Theorie des revolutionären Demokraten Ernst Violand (1818–1875).Eine Erinnerung zum 200. Geburtstag, in: Wiener Geschichtsblätter 73 (2018) 93–103; „Halloh, die Wiener Studenten“ – Die Universität als Schauplatz der Revolution 1848, in: Österreich in Geschichte und Literatur 63 (2/2019) 104–127; Schubumkehr. Von der Tradition der demokratischen Revolution 1848 zu Deutschnationalismus und Antisemitismus, in: Österreich in Geschichte und Literatur 64 (1/2020) 4–28; Österreichs Haupt- und Residenzstadt im Revolutionsjahr 1848, in: Der österreichische Donauraum. Eine operative Schlüsselzone Mitteleuropas (Truppendienst-Handbuch), Wien 2020, 307–326; „Sie und nicht wir“ – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit im revolutionären Prozess Europas und der Welt, in: Werner Drobesch – Elisabeth Lobenwein (Hg.), Politik und kulturgeschichtliche Betrachtungen, Quellen – Ideen – Räume – Netzwerke. Festschrift für Reinhard Stauber zum 60. Geburtstag, Klagenfurt 2020, 285–302; Von der politischen zur sozialen Demokratie. Andreas Freiherr von Stifft d. J. (1819–1877). Vordenker und Wortführer der Wiener Revolution, in: Wiener Geschichtsblätter 75 (2020) 73–122; Von der politischen zur sozialen Demokratie: Andreas Freiherr von Stifft d. J. (1819–1877). Vordenker und Wortführer der Wiener Revolution, in: Rudolf Zewell (Hg.), Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49, Bd. 6, Berlin 2020, 109–149; Ein Doktor der Revolution. Der publizistische Kampf des Philosophen Hermann Jellinek für Demokratie und Sozialismus in der Revolution von 1848, in: Tagebuch Nr. 4(2022) 36–40; Bürgertum und soziale Demokratie oder: Die Widersprüche der österreichischen Revolution 1848, in: Programm der Uraufführung: Es muss geschieden sein von Peter Turrini. Raimund-Spiele Gutenstein 2023, 16–21; 1848: Bürgerliche Revolution und soziale Demokratie. Ein Gespräch zur 175jährigen Erinnerung an das Sturmjahr, in: Es muß geschieden sein von Peter Turrini. Programm Theater in der Josefstadt 2024 , (8–12).