22 Jahre nach Kriegsende und über fünf Jahre nach Einrichtung eines entsprechenden Sondergerichts soll dem ersten kosovo-albanischen UÇK-Kommandanten der Prozess gemacht werden.
Den Haag/Priština. Vor dem 2015 durch die EU und den Europarat initiierten Sondergericht für Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges 1998–1999 wurde nun das erste Verfahren eröffnet. Angeklagter ist Salih Mustafa, ehemaliger Kommandant und Geheimdienstoffizier der selbst ernannten paramilitärischen „Befreiungsarmee des Kosovo“ (Ushtria Çlirimtare e Kosovës, UÇK). Ihm wird vom US-amerikanischen Chefankläger Jack Smith Folter und Mord vorgeworfen. Konkret geht es um Vorfälle im April 1999 in einem Gefangenenlager, in dem Kosovo-Albaner „inhaftiert“ waren, denen die UÇK „Kollaboration“ mit den jugoslawischen Behörden unterstellte. 16 Zeugen sollen in den nächsten Wochen gegen Mustafa aussagen, darunter auch einige seiner überlebenden Opfer. Ein etwaiges Urteil wird verbindlich sein, denn das Haager Sondergericht ist in das Justizsystem des Kosovo integriert.
So erfreulich es ist, dass endlich – nach so vielen Jahren – gegen die schweren Verbrechen der UÇK prozessiert wird, so darf man bezüglich der kommenden Tätigkeiten vorerst skeptisch bleiben. Der von 1993 bis 2017 existierende Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), in dessen Kontinuität das neue Tribunal steht, hatte eine eindeutige Schlagseite: Verurteilt wurden insbesondere Serben, während Kroaten und Bosniaken milder behandelt und Kosovo-Albaner überhaupt durchwegs freigesprochen wurden. Es wird zu beweisen sein, dass es dem neuen Haager Gericht ernst ist mit einer tatsächlichen juristischen Aufarbeitung der Verbrechen der einstigen US‑, NATO- und EU-Verbündeten.
Antiserbischer Terrortrupp als NATO- und EU-Verbündeter
Darüber hinaus wäre es höchst an der Zeit, in grundlegender Weise die Mär von der „Befreiungsarmee“ UÇK aufzugeben: Die UÇK wurde Mitte der 1990er Jahre explizit als bewaffnete Terrororganisation gegen den jugoslawischen Staat gegründet, die bereits vor Kriegsbeginn dutzende Mordanschläge verübt hat. Im Kosovo-Krieg von 1999 fungierte sie einerseits als Bodentruppe des NATO-Bombardements, ihr eigentliches Ziel war klar die ethnische Säuberung des Kosovo von Serben und anderen Minderheiten, um dann ein rein albanisches Gebiet zu erhalten. Die UÇK ist auf diese Weise verantwortlich für zahlreiche Morde an Zivilpersonen, für Vertreibungen und schwere Misshandlungen. Und es ist ein offenes Geheimnis, dass sie mit der organisierten Kriminalität verbunden war, denn abgesehen von den Finanzhilfen des westlichen Imperialismus verschaffte sich die UÇK ihre Gelder durch Drogen- und Organhandel. Insofern müsste man freilich auch die prominentesten Führer der UÇK wie Hashim Thaçi oder Ramush Haradinaj endlich zur Verantwortung ziehen.
Das ist aus zwei Gründen natürlich nicht allzu einfach und eher unwahrscheinlich. Einerseits sind diese und andere ehemalige UÇK-Terroristen heute „angesehene“ Politiker im Kosovo, wieder andere sind hochrangige Offiziere in der Polizei und Armee. Andererseits müssten die USA, die NATO und die EU eingestehen, dass sie im Kosovo-Krieg gegen Jugoslawien mit Kriminellen und Terroristen zusammengearbeitet und diesen dann auch noch ein pseudostaatliches Protektorat auf serbischem Territorium geschenkt haben. Insofern würden noch weitere Personen auf die Haager Anklagebank gehören, darunter der damalige US-Präsident Bill Clinton, NATO-Generalsekretär Javier Solana, der britische Premier Tony Blair sowie natürlich Gerhard Schröder und Joschka Fischer aus der BRD – sie alle haben nicht nur terroristische ethnische Säuberungen durch die UÇK begünstigt, sondern einen Angriffskrieg ohne UNO-Mandat begonnen, den übrigens auch der seinerzeitige österreichische SPÖ-Bundeskanzler Viktor Klima begrüßte. Aber so viel Ehrlichkeit, dass man die eigenen Kriegsverbrechen zugibt, kann man vom Imperialismus freilich nicht erwarten.
Quelle: ORF