Am zweiten Tag des Internationalen Treffens der kommunistischen und Arbeiterparteien in der Türkei wurden die Debatten und Diskussionen fortgesetzt. Diskutiert wurde über den Krieg in der Ukraine ebenso wie über die Unterdrückung des palästinensischen Volkes.
Izmir. Die Diskussionen über die Strategie und Taktik der kommunistischen Bewegung, die Einschätzung verschiedener weltpolitischer Ereignisse und die Berichte über die Situation in den verschiedenen Ländern wurden am zweiten Tag des Treffens in Izmir fortgesetzt. Zahlreiche Parteien, darunter die Kommunistische Partei Luxemburgs, die Kommunistische Partei Pakistans, die Kommunistische Partei Venezuelas und die Kommunistische Partei Vietnams berichteten in der Konferenz.
Sich verschlechternde internationale Situation
Die Kommunistischen Partei Mexikos sprach über die sich verschlechternde internationale Situation. Sie sieht den Grund dafür im verschärften Wettkampf zwischen den kapitalistischen Ländern. Dieser spiegle „sich in der russischen Invasion in der Ukraine sowie in den Spannungen in Taiwan und anderen Gebieten Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas“ wider, die in der Konkurrenz „zwischen den USA und China sowie den Verbündeten, die beide haben,“ ihren Ursprung haben.
Diese Zusammenstöße und Konfrontationen auf „wirtschaftlicher, kommerzieller, politischer, ideologischer, diplomatischer und jetzt auch militärischer“ Ebene haben nach der Meinung der KP Mexikos nichts gemeinsam mit den Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter oder der Völker der Welt. Die Vorstellung, dass die BRICS-Staaten und die angestrebte multipolare Weltordnung etwas an der kapitalistischen Barbarei und Ausbeutung ändern würden, sei eine Illusion. Die BRICS würden selbst danach streben, die führende Rolle innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise zu übernehmen. Den Aufstieg der BRICS-Staaten interpretiert die Kommunistische Partei Mexikos als Hinweis „auf eine beschleunigte Entwicklung des Kapitalismus und all seiner Übel“. Diese Entwicklung findet ihrer Auffassung nach nicht nur in China statt, sondern ist ein generelles Phänomen sowohl in den „Produktionsverhältnissen“ als auch in der Theoriebildung. Als exemplarisch dafür verwiesen sie auf die von der KP China entwickelte Theorie vom Marktsozialismus, der im Widerspruch zur politischen Ökonomie des Sozialismus steht.
Die KP Mexikos kritisierte in ihrem Beitrag den Zustand der internationalen kommunistischen Bewegung. Die kommunistischen Parteien der dritten Internationale sind aus dem Zerfall und der völligen Degeneration der sozialdemokratischen Parteien der zweiten Internationale hervorgegangen. Für die mexikanische Partei ähneln einige Parteien der internationalen kommunistischen Bewegung allerdings mittlerweile jenen sozialdemokratischen Parteien, „z.B. in der Frage der Beteiligung an bürgerlichen Regierungen oder in der Politik der Klassenzusammenarbeit“.
Auf ihrem letzten Kongress widmete sich die Partei einer Auswertung der Ideologie der „Progressivismus“. Dieser bildet in Lateinamerika seit einem Vierteljahrhundert verschiedene Regierungen. Zu Beginn wurden sie als ein „ganz neuer Weg zur Überwindung des Kapitalismus“ bewertet. Faktisch haben diese Regierungen die kapitalistische Produktionsweise nicht angegriffen. Im Gegenteil haben sie die Ausbeutung verschärft, weil sie die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung paralysiert haben. Die Kommunistische Partei Mexikos kritisierte außerdem explizit jene Parteien, die sich nicht mit der Kommunistischen Partei Venezuela solidarisierten „unter der irrigen Prämisse der ‚antiimperialistischen Front‘“.
Sind die Niederlande ein reiches Land?
Die Neue Kommunistische Partei der Niederlande widmete sich in ihrem Beitrag der Situation der Arbeiterklasse in ihrem Land. Die Partei berichtete, dass in den Niederlanden 900.000 Menschen – darunter 221.000 Kinder – in Armut leben. Gleichzeitig nehmen die gesundheitlichen Probleme in der niederländischen Arbeiterklasse zu. Immer mehr Menschen leiden an Herzinfarkten, Diabetes, chronischem Stress, Angstzuständen, Depressionen und anderen psychischen Beschwerden. Dies würde aber nicht alle Menschen gleichermaßen treffen. Selbst bürgerliche Statistiken weisen auf einen direkten Zusammenhang mit dem Einkommen hin, berichteten die niederländischen Genossinnen und Genossen in ihrem Beitrag. Die arbeitenden Menschen „in der untersten Einkommenskategorie“ seien „dreimal häufiger“ davon betroffen. Die Partei weist außerdem darauf hin, dass „22,2 Millionen Niederländer zudem nicht alphabetisiert“ sind.
Gleichzeitig ist die Arbeiterklasse in den Niederlanden völlig unzureichend organisiert. Das Kapital nutzt dies, um den Klassenkampf zu verschärfen. Die „Arbeitsbelastung steigt, die Kapitalisten nehmen eine zunehmend feindselige und aggressive Haltung“ gegenüber jedem Versuch der Organisierung in den Betrieben ein. Die größte Gewerkschaft der Niederlande propagiere zugleich weiterhin „Klassenfrieden oder, in ihren eigenen Worten, das „ ‚Gleichgewicht zwischen Arbeit und Kapital‘“.
Die Neue Kommunistische Partei der Niederlande wurde in den vergangenen Jahren bis in die Führung der Partei stark verjüngt. Dieser Schritt sichere die kontinuierliche Arbeit der Partei für die nächsten Jahre. Sowohl die Jungendorganisation CJB als auch die Partei selbst würden daran arbeiten, ihre Positionen in der Arbeiterklasse auszubauen und zu verbessern. An den Neuwahlen im November wird sich die Partei nicht beteiligen. Stattdessen wird sie sich darauf konzentrieren ihre Strukturen in den Nachbarschaften und in den Betrieben auszubauen.
Intensivierte Ausbeutung und neue Abhängigkeiten
Die Kommunistische Partei Pakistans führte in ihrem Beitrag aus, wie das Land von den verschärften innerimperialistischen Konflikten betroffen ist. Die pakistanischen Genossinnen und Genossen gehen davon aus, dass dieser Wettkampf nicht nur in Pakistan die Ausbeutung „massiv intensiviert“ hätte, „sondern in den meisten asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Ländern“.
Pakistan sei von zweierlei Export durch imperialistische Blöcke betroffen: Einerseits dem Export von Kapital, andererseits dem Export von Waren. Die Hauptakteure sind in ihren Augen die USA und China sowie internationale Finanzinstitute, die neue Formen der Verschuldung der Länder und eine daraus folgende Abhängigkeit entwickelt haben. Die Partei analysiert, dass das Land „zwischen diesen beiden imperialistischen Blöcken eingeklemmt ist“.
Die volksfeindliche Politik der westlichen Kreditinstitute habe für Pakistan schwerwiegende Konsequenzen. „Die Inflation und die Leitzinsen sind in die Höhe geschossen, und es werden unerträgliche Steuern auf Erdölprodukte und Elektrizität erhoben, einschließlich des täglichen Bedarfs. Dies hat zu einem außerordentlichen Anstieg von Arbeitslosigkeit und Armut geführt; vor allem bei der Arbeiterklasse, der Mittelschicht und den Angestellten sind die Auswirkungen tiefgreifend und machen es für sie immer schwieriger, ihre ohnehin knappen Lebensgrundlagen zu verwalten,“ erklärt die KP Pakistans.
Auf der anderen Seite grenzt das Land mit China an ein Land, das sich selbst als sozialistisch bezeichnet. Im Rahmen des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) habe die Volksrepublik im Land investiert. Ihr Vorgehen unterscheide sich dabei kaum vom Vorgehen des Westens. China hat vordergründig in den pakistanischen Energiesektor (Kohle, Wasser, Uran) investiert. Bei diesen Investments handele es sich allerdings um Kredite im eigentlichen Sinne. Schöpfe Pakistan beispielsweise nicht die mit den chinesischen Konzernen vereinbarten und gar nicht erst erzeugten Kapazitäten aus, müsse es den vollen Preis zurückzahlen. Die Kommunistische Partei Pakistans führte in ihrem Beitrag noch weitere Beispiele für die imperialistische Politik Chinas in ihrem Land an.
Freiheit für Palästina!
Die Kommunistische Partei Palästinas und die Palästinensische Volkspartei machten in ihrem Beitrag deutlich, welche katastrophalen Konsequenzen die israelische Besatzungs- und Okkupationspolitik für das palästinensische Volk hat.
Die Kommunistische Partei Palästinas führte aus, dass man seit dem Ende des zweiten Weltkriegs mit einer Besetzung des Landes zu kämpfen hat. Nach dem ersten Weltkrieg war das Land britisches Mandatsgebiet und wurde von der Kolonialmacht Großbritannien verwaltet. Dies nutzten die zionistischen Siedler, die damals bereits in das Land kamen, um die antikolonialen Bestrebungen der arabischen Bevölkerung in Palästina zu bekämpfen.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Staat Israel als Reaktion auf den Holocaust 1948 gegründet. Damit einher ging die organisierte Vertreibung der arabischen Bevölkerung durch zionistische Siedler: Die Nakba. Hunderttausende Palästinenserinnen und Palästinenser wurden damals vertrieben oder ermordet. Den Nachkommen verweigert Israel entgegen UN-Resolutionen bis heute die Rückkehr in ihre Heimat. Sie leben in Flüchtlingslagern im Gazastreifen, auf der Westbank, im Libanon, in Syrien und Jordanien. Seit 35 Jahren dauert zudem die israelische Besetzung der Westbank an. Damit einher geht eine weitere Vertreibung des palästinensischen Volkes und der Versuch, durch den Bau neuer Siedlungen, dieses Gebiet an Israel anzugliedern. Israel ignoriert bis heute jede UN-Resolution und kann das machen, weil es durch den imperialistischen Westblock gedeckt wird, wie die KP Palästinas ausführte.
Die Palästinensische Volkspartei hob die Verbrechen Israels im Gazastreifen hervor. Der Angriff auf ein Krankenhaus, das Bombardement einer orthodoxen Kirche und der Zivilbevölkerung ebenso wie die Belagerung. Die Palästinensische Volkspartei unterstrich die Forderung nach einem eigenständigen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt.
Der zweite Tag des Treffens fand einen würdigen Abschluss mit einem Abendessen, zu dem das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Türkei alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen hatte. Eine der TKP nahestehende Band begleitete den Abend mit Liedern der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung.