Wenn sich das Kapital nicht mehr zu helfen weiß, wird der Staat für die Drecksarbeit herangezogen. Über das Streikrecht hinweg sollen Streikende in ganz Frankreich zur Arbeit zurückbeordert werden. Ansonsten drohen Geld- und Haftstrafen.
Paris. Frankreich hat derzeit mit hohen Teuerungen und einer steigenden Inflation zu kämpfen. Unterdessen erzielten die Energiekonzerne Rekordgewinne, was zu weit verbreitetem Unmut in der Bevölkerung führte. Große Streikbewegungen erschüttern zurzeit das Land und sorgen dafür, dass zentrale Standorte von Raffinerien lahmgelegt werden.
Die Forderung der Arbeiterinnen und Arbeiter sowie der Gewerkschaft ist klar: Es braucht eine zehnprozentige Lohnerhöhung, um der voranschreitenden Teuerung etwas entgegensetzen zu können. Nachdem die Unternehmen nichts davon hören wollten, haben die Arbeiterinnen und Arbeiter zu einer der wenigen Waffen gegriffen, die ihnen geblieben ist, nämlich zur kollektiven Arbeitsniederlegung. Im Zuge des landesweiten Arbeitskampfs wurde eine Reihe von Raffinerien im Besitz von ExxonMobil und dem ebenfalls zum Ölgiganten gehörenden Unternehmen TotalEnergies lahmgelegt.
Sechs von sieben Raffinerien bestreikt
Es kam naturgemäß zu Benzinknappheiten, die einen größeren Teil der französischen Bevölkerung in Mitleidenschaft zog. Es wird berichtet, dass viele Menschen nicht zur Arbeit und Kinder nicht in die Schule gefahren werden könnten. Aber das kommt eben dabei heraus, wenn auf die Nöte der Arbeiterinnen und Arbeiter partout nicht eingegangen wird und sie gezwungen sind, sich durch einen Streik Gehör zu verschaffen. Sechs von sieben Raffinerien des Landes werden zurzeit erfolgreich bestreikt. Die Regierung hatte zunächst auf eine Lösung der Krise auf dem Verhandlungsweg gedrängt, drohte aber recht schnell mit einem direkten Eingreifen, um die Versorgung wieder in Gang zu bringen, nachdem sich in den letzten Tagen lange Schlangen vor den Tankstellen gebildet hatten.
Arbeitszwang über das Streikrecht hinweg
Die französische Regierung hat nun zu drastischen Mitteln zurückgegriffen, die ihre totale Komplizenschaft mit dem französischen Kapital wieder einmal unter Beweis stellen. Premierministerin Elisabeth Borne hat nun angeordnet, dass das Personal der Raffinerie von Port-Jerome (Normandie) zur Arbeit verpflichtet wird. Dies meldete Regierungssprecher Olivier Veran. Da sich das Monopolkapital (ExxonMobil) nicht mehr zu helfen wusste, wird nun der Staat die Drecksarbeit des Unternehmens erledigen. Man geht davon aus, dass der Staat auch rechtlich dazu befähigt sei, Raffinerien zu beschlagnahmen und die Beschäftigten im Notfall über das Streikrecht hinweg an ihren Arbeitsplatz zurückzubeordern. Denjenigen, die sich dagegen auflehnen, zurück zu ihrem Arbeitsplatz gezwungen zu werden, drohen sogar Geld- oder Haftstrafen. Die Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT) erklärte, sie werde die Bescheide vor Gericht anfechten, sobald sie diese erhalten habe.
Die CGT hat Arbeiterinnen und Arbeiter anderer Sektoren zur Unterstützung des Streiks aufgerufen. Am Mittwoch gab es Anzeichen dafür, dass sich der Arbeitskampf noch weit darüber hinaus ausweiten könnte. Ein Vertreter der französischen Bergbau- und Energiegewerkschaft (FNME) sagte der Nachrichtenagentur Reuters beispielsweise, dass Beschäftigte der EDF-Kernkraftwerke ihren eigenen Streik wegen der Gehälter wieder aufgenommen hätten, wodurch sich die Wartungsarbeiten an mindestens fünf Reaktoren, darunter die Anlage in Bugey, verzögert hätten. Darüber hinaus sind in ganz Frankreich Demonstrationen und Kundgebungen in Solidarität mit den streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter geplant.