HomeInternationalesKolumbien: Ausnahmezustand in Catatumbo – Friedensprozess vor dem Scheitern

Kolumbien: Ausnahmezustand in Catatumbo – Friedensprozess vor dem Scheitern

Angesichts der eskalierenden Gewalt im Nordosten Kolumbiens hat Präsident Gustavo Petro den rechtlichen Ausnahmezustand, den „estado de conmoción interior“, für die Region Catatumbo ausgerufen. Die Entscheidung erfolgte nach einer Reihe von Angriffe, die der Guerillagruppe ELN (Nationale Befreiungsarmee) zugeschrieben werden. Laut Behördenangaben kamen bei Kämpfen zwischen der ELN, einer abtrünnigen Splittergruppe der ehemaligen FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) sowie durch gezielte Angriffe auf Zivilistinnen und Zivilisten in der Region mindestens 80 Menschen ums Leben.

Die humanitäre Lage gilt als katastrophal. Nach Angaben des Büros des Bürgerbeauftragten wurden rund 36.000 Menschen aus ihren Dörfern nahe der Grenze zu Venezuela vertrieben. Viele von ihnen fliehen ohne Perspektive in das Nachbarland, während über 7.000 Menschen weiterhin in den Gemeinden Tibú, Teorama und San Calixto eingeschlossen sind.

Ausnahmezustand: Ein Mittel gegen die Krise oder militärische Eskalation?

Der „estado de conmoción interior“ ist eine rechtliche Ausnahmemaßnahme in Kolumbien, die nur in Situationen schwerwiegender Störungen der öffentlichen Ordnung ausgerufen werden kann. Die Maßnahme, die zuletzt 2008 angewendet wurde, erlaubt dem Präsidenten Notstandsbefugnisse, um die Ordnung wiederherzustellen. Sie gilt zunächst für 90 Tage und kann mit Zustimmung des Senats um weitere 90 Tage verlängert werden. In diesem Zeitraum kann die Regierung Dekrete erlassen, die die Rechte und Freiheiten der Bevölkerung vorübergehend einschränken, um gegen die Ursachen der Krise vorzugehen.

Der Ausnahmezustand stellt allerdings keine Lösungen für die strukturellen Probleme der Region dar. Vielmehr wird befürchtet, dass die Maßnahme zu einer Militarisierung der Region führt, die vor allem die Zivilbevölkerung trifft. Die Region Catatumbo, bekannt für ihre strategische Bedeutung im Drogenhandel, fehlt es an Infrastruktur, sozialen Programmen und wirtschaftlicher Entwicklung – all das, was ein nachhaltiger Friedensprozess erfordert hätte.

Der Friedensprozess auf der Kippe

Die jüngsten Angriffe und die darauf folgende Ausrufung des Ausnahmezustands markieren eine neue Krise für den ohnehin fragilen Friedensprozess in Kolumbien. Noch im Jahr 2016 galt das Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC als historischer Durchbruch. Doch seitdem hat die mangelnde Umsetzung zentraler Vereinbarungen, wie Landreformen und Sicherheitsgarantien, dazu geführt, dass viele ehemalige Kämpferinnen und Kämpfer sowie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer ins Visier geraten sind. Über 400 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Friedensabkommens wurden seit 2016 ermordet, während Andere als Reaktion auf die politischen Morde wieder zu den Waffen gegriffen haben.

Die aktuellen Spannungen haben die Bemühungen von Präsident Petro, mit verschiedenen bewaffneten Gruppen eine „totale Friedenspolitik“ zu verfolgen, empfindlich gestört. Letzte Woche brach die Regierung die Friedensgespräche mit der ELN ab und warf der Gruppe „Kriegsverbrechen“ vor. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung, sondern auch gegen eine FARC-Splittergruppe, die selbst Friedensgespräche mit der Regierung führt.

Ein Konflikt ohne Ende?

Die Gewalt in Catatumbo zeigt, dass der kolumbianische Staat nicht in der Lage ist, die Grundursachen des Konflikts – extreme soziale Ungleichheit, Landkonzentration und die Dominanz multinationaler Konzerne – anzugehen. Der Ausnahmezustand mag kurzfristig die Gewalt eindämmen, doch ohne tiefgreifende Reformen wird Kolumbien keinen nachhaltigen Frieden erreichen.

Die Leidtragenden bleiben die marginalisierten Gemeinschaften: indigene Völker, afrokolumbianische Gemeinden und Kleinbauernfamilien, die zwischen den Fronten der bewaffneten Gruppen und der staatlichen Sicherheitskräfte gefangen sind. Der kolumbianische Staat, durchsetzt von Korruption und wirtschaftlichen Eliten, hat diese Bevölkerungsgruppen systematisch im Stich gelassen.

Internationale Solidarität erforderlich

Der kolumbianische Konflikt ist nicht nur ein lokales Problem, sondern ein Ausdruck der globalen kapitalistischen Ausbeutung. Internationale Konzerne profitieren weiterhin von den Ressourcen Kolumbiens, während die Arbeiterklasse die Kosten trägt.

Quelle: Telesur/jW

- Advertisment -spot_img
- Advertisment -spot_img

MEIST GELESEN