Bei der Unterhauswahl in Japan wird die nationalkonservative Regierung trotz Verlusten bestätigt. Die Rechtsopposition ist die Wahlgewinnerin, die Kommunisten erleiden eine Niederlage.
Tokio. Am vergangenen Sonntag fanden in Japan die Wahlen zum Repräsentantenhaus statt. Dieses ist als „Unterhaus“ die entscheidendere Kammer der Nationalversammlung und somit indirekt bestimmend für die Regierungsbildung. 465 Mandate waren zu vergeben, davon 289 über ein regionales Mehrheitswahlrecht, nur 176 im Verhältniswahlrecht. Diese Tatsache wiederum führte zu der demokratisch fragwürdigen Situation, dass eine Partei mit lediglich einem Drittel der Stimmen eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze erreichen konnte.
Regierungsmehrheit hält trotz Verlusten
Dass dies die seit 1945 fast durchgehend regierende, dem Charakter nach konservativ-nationalistische „Liberaldemokratische Partei“ (LDP) des amtierenden Premierministers Fumio Kishida ist, erklärt zugleich denn Zweck des Mehrheitswahlrechts: Es soll, wie überall, große, „staatstragende“ Parteien bevorzugen, andererseits kleinere oder neue Parteien benachteiligen – damit eben alles „beim Alten bleibt“. Und das ist auch bei der japanischen Unterhauswahl 2021 gelungen: Die LDP ging als erste durchs Ziel und erreichte 261 Mandate, was zwar ein Minus von 15 Sitzen, aber eben trotzdem bereits eine absolute Mehrheit im Repräsentantenhaus bedeutet. Diese Regierungsmehrheit wird abgesichert durch den bisherigen (und vermutlich künftigen) Koalitionspartner, die konservativ-buddhistische „Gerechtigkeitspartei“ (Komeito, 32 Mandate, +3). Gemeinsam liegen die beiden Parteien mit 293 Abgeordneten deutlich über dem nötigen Quorum von 233.
Reformistische und linke Opposition verliert
Die mehr oder minder linke Opposition gegenüber der nationalkonservativen Regierung hatte im Vorfeld der Wahlen limitierte Übereinkommen geschlossen, um sich in den Mehrheitswahlkreisen nicht gegenseitig Stimmen wegzunehmen und stattdessen jeweils nur einen Kandidaten/eine Kandidatin aufzustellen. Auch inhaltlich einigte man sich auf eine politische Plattform, die sich im Wesentlichen für soziale, demokratische und ökologische Reformen einsetzt. Diese Bemühung der Bündelung der Mitte-links-Kräfte hat sich nicht bezahlt gemacht: Die linksliberale oppositionelle Hauptpartei, die „Konstitutionell-Demokratische Partei“ (KDP), verlor gleich 13 Mandate und hält nur noch 96. Die ideologisch „eurokommunistische“ Japanische Kommunistische Partei (KPJ) unter ihrem seit 21 Jahren amtierenden Vorsitzenden Kazuo Shii musste ebenfalls Verluste hinnehmen, nämlich von zwei Sitzen – sie stellt nun zehn Abgeordnete, der Stimmenanteil beträgt aber immerhin 7,25 Prozent (minus 0,65 Prozentpunkte). Die neue linke Protestpartei „Reiwa Shinsengumi“ erhielt drei Sitze, die einst starken Sozialdemokraten blieben bei einem einzigen Vertreter im Repräsentantenhaus. Alles in allem ist dies eine deutliche Niederlage für die „linke“ Opposition (im weitesten Sinn). Vor allem die KPJ und „Reiwa Shinsengumi“ hätten mit einem markanteren und kämpferischen Auftritt vielleicht mehr Erfolg gehabt als in Form bereitwilliger Juniorpartner der KDP.
Rechtsopposition im Aufwind
Da nun sowohl die konservativen Regierungsparteien als auch die links-mittige Opposition insgesamt Stimmen und Mandate verloren haben, finden sich die Wahlgewinner bei der Rechtsopposition: Der strahlende Sieger – gemessen an den Zugewinnen – ist die neokonservative, relativ weit rechtsstehende „Erneuerungspartei“ (Ishin), die sich von zuvor zehn auf gleich 41 Sitze steigern konnte. Auch die reformkonservative „Demokratische Volkspartei“ konnte sich, eher überraschend, auf elf Abgeordnete (plus drei) steigern. Für die Regierungsbildung haben die Erfolge der rechten Opposition zwar keine Auswirkung, doch sowohl innerhalb der Gesamtopposition als auch im rechtskonservativen Lager deutet der Aufstieg von Ishin neue Kräfteverhältnisse an. Man darf damit rechnen, dass es vermehrt diese Partei sein wird, die sich um oppositionelle und eben reaktionäre Themenführerschaft sowie die mediale Oppositionsinszenierung bemühen wird.
Radikalkapitalismus gestärkt, revolutionäre Alternative fehlt
Dass es offensichtlich nicht möglich war, als harmlose reformistische Opposition zu punkten, ist gewiss ernüchternd – v.a. für die KDP. Eigentlich war man davon ausgegangen, nach den falschen Versprechungen, Krisen und Korruptionsfälle der wirtschaftlich-sozial gesehen „neoliberalen“, d.h. letztlich radikalkapitalistischen Abe-Ära reüssieren zu können. Doch die Wählerinnen und Wähler stimmten nicht für ein zumindest ansatzweise progressives Gegenmodell, sondern für noch strengeren Konservativismus, Nationalismus und Neoliberalismus, während die Regierungsmehrheit ebenfalls hielt. Insofern sind die gesamtgesellschaftlichen politischen Verhältnisse klar. Es wäre zu wünschen, dass sich die tatsächlich linken Kräfte und nicht zuletzt die KPJ von den leeren Versprechungen des bürgerlichen Reformismus verabschieden, um von der japanischen Arbeiterklasse wieder als eigentliche Alternative wahrgenommen zu werden. Eine Abkehr von parlamentaristischen Illusionen und die Aufnahme eines revolutionären und wirklich klassenkämpferischen Weges wären gegenwärtig aber wohl zu viel verlangt.
Quelle: Der Standard