Port-au-Prince. Politische und soziale Krisen erschüttern die Welt. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Haiti sahen sich beispielsweise im vergangenen Jahr mit einer zunehmenden Zahl an Bandenüberfällen und Entführungen ebenso wie mit Treibstoff- und Stromknappheit, einem sich vertiefenden politischen Stillstand und einem tödlichen Ausbruch der Cholera konfrontiert.
Krise auf vielen Ebenen
Bandengewalt ist kein neues Problem in dem Karibikstaat, aber sie hat zugenommen, insbesondere nachdem die Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Juli 2021 die monatelange politische Instabilität verschärft hat.
Haitis de-facto-Führer, Premierminister Ariel Henry, den Moise nur wenige Tage vor seiner Ermordung für das Amt ausgewählt hatte, sieht sich einer Legitimationskrise gegenüber. Es kommt immer wieder zu massiven Protesten. Die Pläne zur Abschaffung der Benzinsubventionen haben zu öffentlichen Protesten unter den Haitianerinnen und Haitianer geführt, die bereits mit steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen hatten.
Verschärfend war eine Treibstoffblockade durch eine Gang, die das Varreux-Terminal kontrollierte. Die wochenlange Blockade führte zu Wasser- und Stromengpässen in ganz Port-au-Prince, auch in Krankenhäusern, die Cholera-Patientinnen und ‑Patienten behandeln.
Jede Krise verschärfte die andere, und ein Beamter der Vereinten Nationen sagte, Haiti stehe vor einer „Cholera-Zeitbombe“, da durch die Instabilität und die Gewalt ganze Stadtviertel abgeschnitten seien. Im November erlangten die haitianischen Behörden die Kontrolle über das Varreux-Terminal zurück, was die Wiedereröffnung von Tankstellen ermöglichte.
Internationale Einmischung
Als die Bandengewalt in Port-au-Prince im Oktober eskalierte, rief Henry, der haitianische Premierminister, dazu auf, internationale Streitkräfte nach Haiti zu entsenden. Er tat dies nach eigener Angaben, um vermeintlich die Ordnung wiederherzustellen und einen humanitären Korridor zu sichern, der die Versorgung der Hauptstadt mit Treibstoff und Wasser ermöglicht.
Die Forderung wurde von den Vereinten Nationen und den USA unterstützt, sie löste jedoch neue Proteste aus. Viele Haitianerinnen und Haitianer, darunter auch führende Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft, lehnten die Aussicht auf eine ausländische Intervention ab.
Die Bemühungen Washingtons, eine „Nicht-UN-Mission unter der Führung eines Partnerlandes“ nach Haiti zu entsenden, sind seitdem ins Stocken geraten. Es ist der Regierung von Biden nicht gelungen, eine andere Nation dazu zu bewegen, die Führung einer solchen Truppe zu übernehmen.
Statt der direkten Intervention vor Ort haben die USA und ihre Verbündeten, vor allem Kanada, laut Al Jazeera News eine Reihe von Sanktionen gegen haitianische Politiker und andere Personen verhängt, die angeblich Banden und andere destabilisierende Aktivitäten wie Drogenhandel und Korruption in der Regierung unterstützen.
Die Lage im Land hat neben Protesten und dem Ruf nach internationaler Einmischung auch zu einer großen Auswanderbewegung geführt.
Quelle: Zeitung der Arbeit/Al Jazeera News