Gefordert wird die Herausgabe aller Informationen, die das mexikanische Militär über die Massenentführung von rund 43 Studierenden besitzt.
Mexiko-Stadt. Am 21. September demonstrierten vor dem Militärlager Nr. 1 in der mexikanischen Hauptstadt die Eltern der 43 im September 2014 verschwundenen Studentinnen und Studenten der Landwirtschaftsschule Ayotzinapa.
Mit großen Transparenten, auf denen unter anderem zu lesen war: „Wo sind unsere Kinder?“, „Wir sind 43 Vermisste“ und „Weil sie lebendig entführt wurden, wollen wir sie lebendig zurück“, forderten die Eltern von den mexikanischen Streitkräften die Herausgabe aller verfügbaren Informationen über die Massenentführung und das Verschwinden ihrer Angehörigen.
Mit Unterstützung von Studierenden verschiedener ländlicher Hochschulen richteten sie ein Lager außerhalb des Militärlagers ein und begannen einen unbefristeten Sitzstreik. Sie kündigten an, dass sie sich nicht fortbewegen würden, bis sie die von der Armee zurückgehaltenen Informationen erhielten.
43 Personen seit neun Jahren verschwunden
Es ist nach wie vor unklar, was damals genau geschehen ist. Aufgrund von Informationen, die von Überlebenden, Zeuginnen und Zeugen und unabhängigen Menschenrechtsuntersuchungen gesammelt wurden, ist zumindest bekannt, dass Studentinnen und Studenten der ländlichen Lehrerschule Raúl Isidro Burgos in der Stadt Ayotzinapa Busse gemietet haben, um zur Gedenkfeier des Massakers von Tlatelolco 1968 nach Mexiko-Stadt zu fahren. Auf dem Weg dorthin wurden sie in der Stadt Iguala von Polizisten angegriffen, die regelrecht auf die Busse schossen. Dabei töteten sie sechs Menschen (drei davon waren Studenten) und nahmen 43 Studenten fest, die danach nie wieder gesehen wurden.
Die damalige Regierung des Präsidenten Enrique Peña Nieto behauptete, die korrupten örtlichen Polizisten, die die Studierenden angegriffen und verhaftet hatten, hätten sie einer Gruppe von Drogenhändlern, dem Kartell Guerreros Unidos, übergeben, die sie angeblich getötet, ihre Leichen auf einer Deponie in den Bergen verbrannt und ihre Überreste im nahegelegenen Fluss San Juan entsorgt hätten.
Die Angehörigen der Studierenden und Menschenrechtsorganisationen schenkten dieser Darstellung jedoch keinen Glauben und gehen nach wie vor davon aus, dass die Bundesregierung und die Armee direkt in das Verschwinden verwickelt waren. Die Geschichte mit dem Drogenkartell wird dabei als eine Vertuschung wahrgenommen, um ein grausames Staatsverbrechen zu verbergen und hochrangige Beamte und Institutionen zu schützen.
Unter den Teppich gekehrt
Melitón Ortega, Sprecher der Familien der verschwundenen Studenten, sagte, dass sie nun hier wären, um dem Militär klarzumachen, „dass sie eine Verantwortung und eine Verpflichtung haben, die sie verleugnet haben.“
„Wir sind hier, um zu fordern, dass die Armee uns die Dokumente aushändigt, die wir brauchen. Obwohl der Präsident uns gesagt hat, dass bereits alles geliefert wurde, stellen wir fest, dass einige Berichte des Regional Intelligence Fusion Center (CRFI), auf die auch die Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Experten (GIEI) hingewiesen hat, dass das Sekretariat für Nationale Verteidigung (Sedena) sich geweigert hat, sie auszuhändigen, in den uns gegebenen Dokumenten fehlen … Wir wollen nur die Wahrheit über ihren Verbleib wissen“, fügte er hinzu. Ortega warf den Streitkräften außerdem vor, nicht nur Informationen und Berichte zu verheimlichen, sondern auch Foto- und Videobeweise im Zusammenhang mit dem Fall zu verstecken.
Sozialdemokratisches Zaudern
In seinem Wahlkampf versprach der nunmehrige sozialdemokratische Präsident Andrés Manuel López Obrador, den Fall neu aufzurollen und eine Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit einzusetzen. Aufgrund der Fälschung von Beweisen und der Manipulation der Wahrheit durch ehemalige Generalstaatsanwälte und Ermittlungsbeamte wurden jedoch nur geringe Fortschritte auf dem Weg dahin erzielt. In den letzten fünf Jahren haben die neuen Behörden jedoch auch einige Fortschritte bei den Ermittlungen verzeichnet, wie z. B. die Entdeckung der sterblichen Überreste von mindestens drei verschwundenen Studenten an Orten, die sich von denen unterscheiden, die in der Version der früheren Regierung angegeben waren. Die Behörden haben zudem mehr als 120 Personen verhaftet, darunter Polizeibeamte, Armeegeneräle und hohe Regierungsbeamte. Die meisten der Verhafteten wurden jedoch bald wieder freigelassen.
Am 20. September traf López Obrador mit den Eltern zusammen und überreichte ihnen einen Bericht über die gemeinsam vom mexikanischen Staat und den US-Behörden durchgeführten Ermittlungen. Er versicherte, dass die mexikanische Armee alle Informationen zum Fall zur Verfügung gestellt habe. Am 21. September betonte er, nachdem die Familien darauf bestanden hatten, dass die Armee über wichtige verborgene Informationen über die Studierenden verfüge, dass man „noch nicht fertig“ sei und die Untersuchung weitergehe. Kryptisch fügte er hinzu: „Die Armee ist nicht der einzige Weg, um die Wahrheit herauszufinden“.
López Obrador lud die Eltern ein, ihn am Montag im Nationalpalast zu treffen, „damit es keine Fehlinformationen, keine Manipulationen und keine Differenzen zwischen den Familien und der Bundesregierung gibt.“ Er teilte mit, dass das Innenministerium den Eltern am 25. September „eine Sammlung von allem, was die Wahrheitskommission gesammelt hat“, übergeben werde.
Quelle: PeoplesDispatch