5 Euro Bezahlung pro Monat (!), fehlende Absicherung und kaum Aussichten, reguläre Arbeit zu finden: Tageswerkstätten für Behinderte werden oft als Vorzeigeinstitutionen der Inklusion präsentiert, verwehren jedoch grundlegendste soziale Rechte.
Wien. Geht es um Staatshilfen für große Konzerne, werden schon mal über Nacht Lösungen gefunden. Doch wenn das Schicksal von Menschen mit Behinderung auf dem Spiel steht, mahlen die Mühlen des Parlamentarismus langsam. 2019 kritisierte die Volksanwaltschaft in einem ausführlichen Bericht die rechtliche (oder besser: rechtlose) Situation von rund 22.000 Menschen in Behindertenhilfewerkstätten. Der Menschenrechtsbeirat hat die Thematik gar schon 2014 aufgezeigt. Heuer, im Februar 2021, bemüßigte sich der Nationalrat dazu, den Bericht der Volksanwaltschaft erstmals zu debattieren.
Dabei wären entschiedene Schritte längst überfällig. Wem eine Arbeitsfähigkeit von unter 50 % attestiert wird, fällt bis heute um sämtliche AMS-Unterstützungsleistungen um und wird so von Sozial- und Behindertenhilfe abhängig. Ohne Fördermöglichkeiten und Unterstützung bei der Arbeitssuche bleibt ein „normaler“ Job völlig außer Reichweite. Einzige Alternative zum Nichtstun ist für viele Betroffene die Tätigkeit in einer Beschäftigungstherapiewerkstätte.
Kein Lohn, keine Pension
In diesen Werkstätten wird oft körperlich anstrengende Arbeit geleistet, die Arbeitszeiten sind exakt geregelt und je nach Grad der Beeinträchtigung werden durchaus Tätigkeiten ausgeführt, für die andere bezahlt werden. Die Volksanwaltschaft nennt etwa Verpackungsarbeiten, Produktfertigung, Sortieren von Gemüse und Außenarbeiten an einem Bahnhof. Statt Lohn gibt es ein Taschengeld, das je nach Bundesland und Träger zwischen 5 und maximal 200 Euro pro Monat beträgt, durchschnittlich sind es etwa 20 Euro. So sind die Betroffenen gezwungen, von Sozialleistungen abhängig zu bleiben – würde ihre Arbeit halbwegs anständig bezahlt, sähe das bei vielen anders aus.
Die Entrechtung der Betroffenen setzt sich fort: Es gibt keinen Anspruch auf Pension, nicht einmal ein regulärer Krankenstand existiert, weshalb viele Menschen mit Behinderung im Erkrankungsfall ihren Platz in den Einrichtungen verlieren. Denn die Stellen sind gerade am Land rar gesät; Urlaubsanspruch oder gar betriebliche Mitbestimmung gibt es einfach nicht. Kurz: Erwachsene werden in die Rolle von Kindern gedrängt.
Die meisten bleiben ein Leben lang in diesen Einrichtungen und schaffen nie den Übertritt in den regulären Arbeitsmarkt. Genau das ist der gelebte Umgang mit Menschen mit Behinderung in Österreich: Von Inklusion reden, sozialen Ausschluss und Degradierung zu Bittstellern praktizieren.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Printausgabe der Zeitung der Arbeit (Nr. 2/2021). Unsere Druckausgabe erscheint ca. 4x jährlich und kann hier kostenlos abonniert werden: Zeitung der Arbeit abonnieren.