Gekränkte Manager aus der 2. Reihe spielten brisantes Material zu Privatjettrips und opulenten Festen an die Öffentlichkeit. Dazu schweigen sich die heimischen Massenmedien großteils aus – oder plappern das PR-Wording von „korrekter Abwicklung“ nach.
Wien. „Man sollte Manager nicht für die Coronakrise bestrafen.“ – So spricht jemand, der als Vorstandschef der teilstaatlichen OMV im letzten Jahr 7,2 Millionen kassierte. Der Deutsche Rainer Seele steht seit 2015 an der Spitze des Öl- und Gaskonzerns und ist der bestverdienende Manager Österreichs. Nun veröffentlichte die Rechercheplattform dossier.at firmeninterne Zahlen. So „verdient“ Seele pro Tag nicht nur mehr als normale Werktätige im ganzen Jahr, seine Privatjet-Trips auf firmenkosten summieren sich seit 2016 auf mehr als 400.000 Euro. Auffällig häufige Destination: Irland, wo Seele ein Privatanwesen besitzt. In dieses zog sich der begeisterte Lachsangler auch im März trotz Reisewarnung auf „Home-Office“ zurück, während seine Untergebenen ungeachtet aller Gefahren wie bisher weiterarbeiten mussten.
Fete für knapp 900.000 Euro
Die Feier von „50 Jahre Gasliefervertrag mit Russland“ im Juni 2018 in der Hofburg sprengte ebenfalls das jährliche Kulturbudget so mancher mittleren Stadt: 868.559 € kosteten Ballettaufführung, Blumenschmuck, Starkoch-Bespeisung und viel weiterer dekadenter Schnickschnack für 400 handverlesene, teils extra aus Russland eingeflogene Gäste. Dass all dies nun ans Licht kommt, ist ausgerechnet „Senior Vice Presidents“, also der 2. Reihe der OMV-Bosse, zu verdanken. Diese sind aufgrund der Streichung ihrer überaus üppigen Boni und standesgemäßer Dienstwägen à la 5er-BMV neidisch auf Seele, der sich weiterhin vom eigenen Chauffeur kutschieren lässt – wenn er nicht gerade mit dem Privatjet Kurzstreckenflüge nach Klagenfurt (Kostenpunkt: 4.900 €) absolviert. Der Klimaschutz lässt grüßen. Das hat System: Während sich die OMV in teuren Image-Kampagnen als besonders nachhaltig darzustellen versucht, nennt der Boss die aktuelle Klimadebatte „hysterisch“.
Sparen beim Personal, nicht bei den Bossen
Wie erwähnt: Bei sich und seinem engsten Umfeld aus Kapitalisten und CEOs sieht Seele nicht den Ansprechpartner für die Berappung der Krisenkosten. Also schnürt er derzeit fleißig an einem Sparpaket. Gleich 200 Millionen will man an „operativen Kosten“ sparen, genaue Zahlen zum möglichen Personalabbau oder Gehaltskürzungen gibt es allerdings noch nicht. Mit „alles ist auf dem Prüfstand“ gab Seele schon einmal die Richtung vor. Das Ziel ist klar: Der zuletzt eingebrochene Aktienkurs muss wieder nach oben, Aktionäre und „leistungs“prämierte Manager wird’s freuen.
Das durchschaubare Verhalten der Medien
Wenn überhaupt, berichteten die heimischen Medien allenfalls in Form einer Gegendarstellung im Sinne der OMV-Chefetage über die ganze Angelegenheit. So bietet „Die Presse“ der Darstellung von Aufsichtsratschef Wolfgang Berndt breiten Raum; alles sei korrekt abgewickelt worden. Auch auf orf.at erfuhr man überhaupt erst durch die eh-alles-supersauber-Richtigstellungen von den Vorwürfen. Dabei stellt sich bei Millionengagen und ‑abfertigungen bei gleichzeitigen brutalen Kürzungen weniger die Frage, ob das den Firmenleitlinien entspricht, sondern wer dafür zur Rechenschaft zu ziehen ist. Was auch die Staatsholding ÖBAG einschließt, die 31,5 % an der OMV hält. Überraschend ist das Schweigen der sonst so skandallüsternen Massenmedien jedenfalls nicht, verfügt der Konzern doch über ein millionenschweres Inseraten- und Sponsoringbudget, das klare Abhängigkeiten schafft. Wenn man sich fragt, wer wirklich Macht in diesem Land hat, braucht man nur die Aufregung über die Sperrstunden-Übertretung des Bundespräsidenten mit der untertänigen Berichterstattung über superreiche Konzernbosse vergleichen.