HomeKlassenkampfFrauenEqual Pay Day: Reformistische Illusionen, kapitalistische Realität

Equal Pay Day: Reformistische Illusionen, kapitalistische Realität

Lohnabhängige Frauen verzeichnen um beinahe 20 Prozent niedrigere Einkommen als Männer – das ist nicht einfach eine „moralische Ungerechtigkeit“, sondern bewusste Methode des Kapitalismus.

Wien. Einmal im Jahr fällt sogar der ÖVP-Frauenministerin auf, dass Frauen in Österreich signifikant weniger verdienen als Männer – dann ist unweigerlich klar, es ist wieder „Equal Pay Day“. Dieser fällt im Jahr 2020 also auf den 22. Oktober und soll symbolisch markieren, dass ab diesem Datum Frauen für den Rest des Jahres quasi unbezahlt arbeiten. Das ist natürlich nur theoretisch so, nämlich wenn man mathematisch annehmen würde, dass beide Geschlechter bis dahin gleich bezahlt würden – dann wären die weiblichen Jahresgehälter per 22. Oktober ausbezahlt. Ist aber natürlich nicht so, Frauen erhalten um ein Fünftel geringere Löhne und Gehälter als Männer, real auf das ganze Jahr verteilt. In allerlei Erklärungen finden das die Parlamentsparteien und ÖGB/AK nicht gut und wollen ein Schließen der „Lohnschere“ bzw. des „Gender Pay Gaps“, wie es Nicht-Boomer formulieren.

Unzulängliche Vorschläge der bürgerlichen Parteien

Ministerin Raab (ÖVP) schlägt zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen für Frauen sowie einen höheren Anteil von Frauen in Unternehmens- und Konzernführungen vor – beides ist Blödsinn. Es geht ja darum, dass bei gleicher Qualifikation und gleicher Tätigkeit Frauen trotzdem benachteiligt werden: Sollen sie mehr leisten müssen, um gleichbehandelt zu werden? Und das mit den Vorstandsetagen und dem Spitzenmanagement, die angeblich höhere Frauenquoten benötigen, ist fernab jeder Relevanz: Natürlich, diese gutverdienenden Damen haben dann „ihre Emanzipation in der Tasche“, wie Rosa Luxemburg es formulierte, nämlich in der Geldtasche. Aber für die Arbeiterinnen ändert das gar nichts. Die Grünen fordern einfach in gewohnt gutmütiger und naiver Weise mehr „Fairness“ ein, den NEOS fällt zur Unterbezahlung von Frauen sodann das preisverdächtig Dümmste ein, nämlich die weitere Flexibilisierung der Arbeit – sicher super für das Kapital und dessen Ausbeutungsbedürfnisse. Die FPÖ hat mit Frauen sowieso nix am Hut, kennt aber ein paar. Bei den reformistischen Positionen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsführung spielen dann aber immerhin Karenzzeiten, Kinderbetreuung und Sozialleistungen eine Rolle. Da ließe sich freilich etwas in die positive Richtung machen, geht aber – abgesehen davon, dass nicht alle Frauen Mütter sind und sein müssen – am eigentlichen Problem der Primärverteilung ebenfalls vorbei.

Keine Gleichheit im Kapitalismus

Dass Frauen um 19,3 Prozent weniger verdienen als Männer – der EU-Schnitt ist mit 16 Prozent übrigens weniger schlimm –, hat schlussendlich ursächlich mit den Mechanismen des Kapitalismus zu tun, und davon wollen die bürgerlichen Parteien klarerweise nichts wissen. Es liegt im natürlichen Interesse der kapitalistischen Profitmaximierung, möglichst geringe Löhne zu bezahlen – alles andere wäre ja, mit Verlaub, idiotisch. Von daher sind Gerechtigkeitsappelle sowieso sinnlos. Der Kapitalismus braucht aber auch bestimmte Personengruppen, die er noch besser ausbeuten kann als den durchschnittlichen Arbeiter, und dies sind einerseits z.B. migrantische Arbeitskräfte, andererseits eben Frauen. Diese lassen sich unter gegebenen Bedingungen größerem Arbeits- und Lohndruck aussetzen (mit Auswirkungen auf das Gesamtniveau), aber man kann den Frauen auch den Gutteil der nicht bezahlten Reproduktionsarbeit umhängen, was ebenso Einsparungen ermöglicht – und diese beiden Seiten der Frauenausbeutung und ‑unterdrückung hängen systematisch zusammen und befördern einander. Nun ist unweigerlich für gleiche Löhne für gleiche Arbeit zu kämpfen, doch der Kapitalismus wird uns das niemals zugestehen, denn er lebt ja von der Ungleichheit und vom Ausspielen verschiedener Teile der Arbeiterklasse gegeneinander. Daraus ergibt sich die Einsicht, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter gemeinsam, auf solidarische und kämpferische Weise für die sozialen und gesellschaftlichen Rechte der Frauen und für Verbesserungen wirken müssen, dass aber tatsächliche und umfassende Gleichheit erst mit der Überwindung des Kapitalismus ermöglicht wird.

Quelle: Der Standard

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