Kommentar von Raffael Schöberl, Sprecher der Partei der Arbeit (PdA) in Oberösterreich.
Die Zeitung der Arbeit hat bereits einige Male über die drohende Werksschließung von MAN im oberösterreichischen Steyr berichtet – und wird dies auch weiterhin tun (müssen). Denn für die in Steyr lebende Bevölkerung, insbesondere für die 2.300 beim dortigen MAN-Standort beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeiter, aber auch für tausende weitere Kolleginnen und Kollegen haben die aktuellen Vorgänge drastische Auswirkungen auf ihre unmittelbare Lebenssituation.
Keine Wahl bei der Urabstimmung
Bei der für 7. April anberaumten Urabstimmung soll die Belegschaft nun jedenfalls über eine mögliche Weiterführung des Werks „entscheiden dürfen“. Doch in Wahrheit haben die Kolleginnen und Kollegen unter den gegebenen Umständen gar keine echte Wahl – oder um eine andere Metapher zu bedienen, sie haben lediglich die Wahl zwischen Pest und Cholera. Denn wie auch immer sich die Belegschaft bei dieser Urabstimmung, deren Ergebnis tags darauf veröffentlicht werden soll, entscheiden wird, die Krot für das kapitalistische Profitstreben haben sie letztlich auf jeden Fall zu schlucken. Stimmt die 1.845 Personen zählende Stammbelegschaft den knallharten Bedingungen des als edlen Samariter verklärten Kapitalisten Siegfried Wolf zu, sollen trotz aller salbungsvollen Worte des möglichen Investors mindestens 600 Arbeitsplätze der Stammbelegschaft vernichtet, aller Voraussicht wird niemand der Leiharbeiterinnen und –arbeiter übernommen und die Nettolöhne der übrigen Kolleginnen und Kollegen sollen um rund 15 Prozent gekürzt werden – und das sind nur jene Voraussetzungen für eine Übernahme des Standorts durch Wolf, die bisher über die Medien überliefert wurden; weitere Einschnitte könnten allenfalls noch folgen. Aber auch die einzige Alternative bei dieser Urabstimmung offenbart ein sozialpartnerschaftliches Fiasko. Nämlich dem Investor die Gefolgschaft zu verweigern, würde schlimmstenfalls bedeuten, dass das Werk dichtgemacht wird – mit all seinen negativen Konsequenzen für die MAN-Belegschaft, ihren Familienangehörigen und für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen der Zulieferfirmen.
Sozialpartnerschaftliches Lavieren wurde zur Sackgasse
Die drohende Werksschließung des MAN-Werks in Steyr ist vorerst wohl der traurige Höhepunkt der kapitalistischen Krise im Industriebundesland Oberösterreich. Doch ist es gleichzeitig auch beschämender Tiefpunkt für die österreichische Sozialpartnerschaft. Denn, dass sich die Beschäftigten nun wehrlos mit diesen „erpresserischen Methoden“, wie Arbeiterbetriebsratsvorsitzenden Erich Schwarz die „Friss-oder-stirb“-Mentalität richtigerweise bezeichnet hatte, konfrontiert sehen, war vorauszusehendes Resultat. Die hochrangigen Gewerkschaftsvertreter, deren Verständnis von Arbeitskämpfen sich zumeist nur in sozialpartnerschaftlichem Lavieren und gelegentlichem Säbelrasseln erschöpft, haben die Kolleginnen und Kollegen demnach sehenden Auges in diese Sackgasse geführt. Von vornherein hätte klar sein müssen, dass Hinterzimmer-Verhandlungen mit den Kapitalisten zu keinem anderen Ergebnis hätten führen können. Auf diese sich dennoch einzulassen, weil man sich offenbar Gespräche auf Augenhöhe erhoffte, mag zwar nicht aus böser Absicht geschehen sein, sondern stattdessen aus dem Unvermögen resultieren, die Machtverhältnisse richtig einzuschätzen. Aber wie auch immer, die aktuelle Situation in Steyr offenbart das tragische Elend österreichischer Sozialpartnerschaft. Deren miesesten Kompromisse – wie im Falle von MAN – sind mitnichten Erfolge, sondern stellen nichts Anderes als krachende Niederlagen dar.
Um jeden Arbeitsplatz kämpfen
Es geht nicht darum, angesichts der katastrophalen Lage und der damit einhergehenden Perspektivlosigkeit für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen nun alles besser zu wissen. Aber es zeigt sich nicht zum ersten Mal, dass die Sozialpartnerschaft solchen Massenkündigungen, Werkschließungen und der Vernichtung von Arbeitsplätzen nichts entgegenzusetzen hat. Und so muss klar sein, dass andere Wege beschritten werden müssen, um in der momentanen Krise des Kapitals ein weiteres Abwälzen auf die Arbeiterklasse zu verhindern. Der einzige Ausweg ist nun mal eine Gegenmacht aufzubauen und das kann nicht ohne die Belegschaft, ohne die Arbeiterklasse selbst geschehen. Es ist zu hoffen, dass die Hinhaltetaktik des ÖGB im Falle von MAN nicht schon genug Schaden angerichtet hat. Spätestens jetzt braucht es gewerkschaftliche und betriebliche Kampfmaßnahmen, die sich nicht nur über das MAN-Werk erstrecken, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen in den Zulieferfirmen mit einschließen. Denn es ist höchste Zeit, tatsächlich für jeden Arbeitsplatz zu kämpfen und sich nicht weiter in die sozialpartnerschaftliche Sackgasse hineintreiben zu lassen.