HomeKlassenkampfWeitere verbale Nebelgranaten gegen Arbeitslose

Weitere verbale Nebelgranaten gegen Arbeitslose

Wien. Nachdem der Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) ein Jahr vor Ende der regulären Legislaturperiode offenbar mit seinem großen Reformvorhaben in Sachen Arbeitsmarkt gescheitert ist, werden seine falschen Argumente nach wie vor hoch- und heruntergebetet.

Der Minister der Reformvorhaben wird nicht müde zu sagen, dass für Menschen mit geringen Einkommen der Anreize arbeitslos zu sein höher sei. Dies war die Argumentationsgrundlage, warum er den geringfügigen Zuverdienst zu Arbeitslosengeld oder der Notstandshilfe verbieten wollte. Arbeitslose dürfen in Österreich nach der aktuellen Rechtslage bis zu 500,91 Euro im Monat dazuverdienen. 

Agenda Austria auf der Seite des Kapitals

Agenda Austria stützt die Vorstöße der ÖVP gegen Arbeitslose natürlich gerne. Ganz aufseiten des Kapitals berechnet man für Die Presse einen Modellfall. Dieser Fall ist schon beim gewählten Bruttoeinkommen vor der Arbeitslosigkeit nicht repräsentativ, mit 3.000 Euro wird man hier also zum Niedrigverdienenden, wobei 50 Prozent der abhängig Beschäftigten unter 2484 Euro verdienen. Der Ökonom Dénes Kucsera kommt zu dem Ergebnis, dass es sich erst ab 29 Stunden in der Woche für seinen Modellfall lohnen würde, arbeiten zu gehen.

Arbeit muss sich lohnen und menschenwürdig sein

Was in diesen Debatten ausgeblendet wird, ist einerseits, welche soziale Funktion Arbeit hat und andererseits, dass nicht die Kürzung von Sozialleistungen, sondern bessere Beschäftigungsbedingungen Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit in Arbeit bringen. Arbeit muss sich lohnen, aber nicht dadurch, dass Sozialleistungen gekürt oder Sanktionen vollzogen werden, damit Menschen selbst die am schlechtesten bezahlte und unter widrigen Bedingungen zu leistende Arbeit als besser erscheint. 

Mit der Rede davon, dass Menschen durch den Zuverdienst eher arbeitslos bleiben, unterschätzt man, dass diese Lage sozial stigmatisierend ist. Arbeitslosigkeit ist gesellschaftlich nicht anerkannt und führt somit für die hiervon Betroffenen immer wieder zu unangenehmen Situationen. Darüber hinaus erhöht Arbeitslosigkeit Gesundheitsrisiken auf verschiedenen Ebenen. Depressionen, psychosomatischen Beschwerden und Störungen des Wohlbefindens sind nur drei Aspekte. Arbeit – nicht unbedingt in der ausbeuterischen Form der Lohnarbeit – hat eine Integrationsfunktion, gibt Strukturen und kann Sinn geben, wie viele Untersuchungen zeigen. Das Bild zu malen, dass Menschen gerne und aus Faulheit keiner Arbeit nachgehen ist somit mehr als irreführend und verfolgt den Zweck Kürzungen, Sanktionen und soziale Grausamkeiten zu rechtfertigen. Deswegen werden auch nach der gescheiterten Reform weiterhin Blendgranaten geworfen, denn am Ende der Legislaturperiode ist vor den Wahlen und der neuen Periode, die Raum für neue Angriffe auf die Arbeiterklasse gibt.

Quelle: Die Presse/Arbeiterkammer

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