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EU erklärt Heuschrecken zum menschlichen Nahrungsmittel

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Kommission setzen auf Insekten als künftige Nahrungsquelle der Menschheit. Auch Würmer und Larven dürfen auf den Tisch.

Brüssel. Ab sofort gilt die Europäische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) in der Europäischen Union offiziell als Lebensmittel. Die entsprechende Entscheidung der EU-Kommission bedeutet, die Insektenart darf nun als Ganzes oder zermahlen, getrocknet oder gefroren angeboten und generell Speisen zugesetzt werden. Bislang – seit 2018 – galt in der EU eine Übergangsregelung, wonach Insektenprodukte, die schon vorher auf dem Markt waren, vertrieben werden dürfen, aber eben eine Zulassung als „neuartiges Lebensmittel“ beantragen müssen. Die Heuschrecke ist nun in aller Form genehmigt, nachdem schon in der ersten Jahreshälfte 2021 der Mehlwurm als erstes Insekt von der EU als für Menschen geeignete Nahrungsquelle eingestuft worden war.

Tatsächlich weisen diverse Insekten durchaus einen gewissen Nährwert auf, weswegen sie in Afrika, Lateinamerika und Teilen Asiens schon lange auf dem Speiseplan stehen. In Europa gilt der Verzehr von Insekten historisch bedingt hingegen als Essenstabu, zudem handelte es sich versorgungstechnisch auf unserem Kontinent auch nicht unbedingt um eine Notwendigkeit. Insofern sind hierzulande gekochte, frittierte oder anderweitig zubereitete Insekten zumeist eher eine „exotische“ Abwechslung im Bobo-Lifestyle oder eine Art Mutprobe. Nach dem Wunsch der EU und einer ganzen Reihe europäischer Start-up-Unternehmen soll sich das nun ändern – in Zucht, Haltung, Fütterung und Schlachtung sind Insekten vorteilhafte Nutztiere, die zudem einen weitaus geringeren ökologischen Fuß- bzw. Fühlerabdruck als die herkömmliche Fleischproduktion aufweisen.

Auch die Welternährungsorganisation der UNO, die FAO, betrachtet Insekten als Nahrungsquelle der Zukunft, denn sie hofft dadurch Unterversorgung in den Ländern der „Dritten Welt“, Unterernährung und Hunger bekämpfen zu können. Hier geht es weniger um die traditionelle gegrillte Wanderheuschrecke am Spieß, sondern eher um die Produktion von Tiermehl und Pasten aus Würmern und Larven – diese Grundprodukte könnten sodann in unterschiedlichen Formen weiterverarbeitet oder zugesetzt werden. Das Ansinnen der Hungerbekämpfung mag per se durchaus löblich sein, doch die weitergedachte Wahrheit ist: Die Armen, die Notleidenden und die Unterschichten, die keine andere Möglichkeit zum Überleben haben, sollen also im wahrsten Sinn des Wortes mit Insekten abgespeist werden, für die Reichen wird gewiss weiterhin das Rindersteak auf dem Teller liegen.

Das Motto könnte sein: Wenn die Masse der Menschen mit billigem Insektenbrei versorgt wird, bleibt sie auch arbeitsfähig und rebelliert nicht. Das erinnert ein wenig an „Soylent Green“ aus dem gleichnamigen Science-Fiction-Film von 1973, der in Bezug auf die (im doppelten Sinn) menschliche Ernährung bekanntlich eine noch verstörendere Zukunftsdystopie anbietet – er spielt übrigens im Jahr 2022. Im realen Jahr 2021 sind wir jetzt also schon mal bei Heuschrecken, Maden, Käfern, Spinnentieren und Raupen.

Vielleicht gibt’s doch noch andere Alternativen? Dem Vernehmen nach soll es insgesamt auf der Erde ja durchaus ausreichend Lebensmittel geben, in der EU werden schließlich jedes Jahr hunderte Tonnen an Nahrung vernichtet oder landen im Müll, während in anderen Weltgegenden die Menschen verhungern. Offensichtlich ginge es daher vielmehr um eine Frage der globalen Verteilung – und diese ist vom kapitalistischen Wirtschaftssystem abhängig, das nicht zur sicheren Versorgung aller Menschen gemacht ist, sondern der reinen Profitmacherei einer Minderheit dient. Insofern wäre es vielleicht wichtiger, den Kapitalismus zu überwinden, als die Menschheit mit Würmermehl und Heuschreckenpüree zu beglücken. Also doch lieber: „Eat the rich!“

Quelle: Kurier

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