Wien. Karl-Heinz Grasser, einst das mediale Aushängeschild neoliberaler Selbstvermarktung, steht nun endgültig vor dem Scherbenhaufen kapitalistischer Profitgier. 21 Millionen Euro Schulden, Privatinsolvenz, Haftantritt. Was klingt wie späte Gerechtigkeit, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als groteskes Schmierentheater einer Gesellschaft, in der Kapitalinteressen über den Bedürfnissen der Mehrheitsbevölkerung stehen.
Der ehemalige Finanzminister, dessen politische Karriere auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung aufgebaut wurde, will sich mit einem großzügigen Angebot von drei Prozent seiner Schulden freikaufen – rund 630.000 Euro, aufgebracht „von dritter Seite“. Wer diese Gönner sind, bleibt im Dunkeln. Doch in einem System, das sich seit Jahrzehnten nach den Spielregeln der Reichen richtet, ist es wenig überraschend, dass sich auch jetzt wieder jemand findet, um den gefallenen Liebling des Kapitals vor dem finanziellen Absturz zu retten.
Dabei ist der Großteil der Schulden kein gewöhnlicher Kredit, sondern Schadenersatz an die Republik – also an uns alle. Es geht um jenes Geld, das Grasser im Zuge der BUWOG-Affäre durch Bestechung und Untreue mitzuverantworten hat. Millionen, die in dunklen Kanälen verschwanden, während soziale Dienste, Bildung und Infrastruktur kaputtgespart wurden, einer Politik, die er selbst als Finanzminister befeuerte. Nun steht er vor Gericht – aber nicht für seine Politik, sondern für den Umstand, dass er sich beim Plündern erwischen ließ.
Dass eine Restschuldbefreiung trotz vorsätzlicher krimineller Handlung überhaupt im Raum steht, zeigt, wie tief die Klassenjustiz in diesem Land verwurzelt ist. Wer arm ist und einen kleinen Fehler begeht, wird gnadenlos verfolgt, gepfändet, schikaniert. Wer hingegen Teil der herrschenden Elite ist, darf auf Verständnis, Spielraum und diskrete Abwicklung hoffen. Dass Grasser heute als „beschäftigungslos“ gilt, weil er 15 Jahre mit einem Strafprozess beschäftigt war, wirkt wie eine zynische Randnotiz in einem System, das Arbeitslose sonst pauschal zu Faulenzern erklärt.
Grasser war nie ein Ausreißer. Er war und ist das Gesicht eines Systems, das Gier nicht nur erlaubt, sondern befördert. Ein System, in dem der Ausverkauf öffentlichen Eigentums – wie im BUWOG-Fall – als „Reform“ gefeiert wird, während Provisionen fließen und die öffentliche Hand ausgeraubt wird. Grasser mag ins Gefängnis gehen. Vielleicht. Vielleicht nicht. Aber das System, das ihn hervorgebracht hat, bleibt unangetastet. Und solange das so ist, werden die nächsten Grasser schon längst auf ihre Gelegenheit warten. Das Kapital verzeiht, vergibt und finanziert. Im Kapitalismus verliert es nie. Nur wir.
Quelle: ORF