Statt das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu erhöhen, führt erhöhte Polizeipräsenz bei vielen Menschen zu einer Zunahme von Unsicherheit und Furcht.
Wiesbaden. Eine aktuelle Untersuchung der Justus-Liebig-Universität Gießen in Kooperation mit der Stadt Kassel und dem Polizeipräsidium Nordhessen stellt die Effektivität verstärkter Polizeipräsenz infrage. Das einjährige Experiment, bei dem die Polizeisichtbarkeit in bestimmten Stadtgebieten systematisch erhöht wurde, liefert deutliche Ergebnisse: Statt das Sicherheitsgefühl zu stärken, verstärkt eine omnipräsente Polizei die Angst in der Bevölkerung.
Im Rahmen der Studie wurde die Stadt Kassel in verschiedene Rasterzellen unterteilt. Einige dieser Zellen erlebten eine deutlich intensivierte Polizeipräsenz, wobei Beamte regelmäßig zu Fuß patrouillierten. Vor und nach der Maßnahme wurden Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Sicherheitsempfinden befragt. Entgegen der gängigen Annahme, dass mehr Polizei gleichbedeutend mit mehr Sicherheit sei, berichteten viele Menschen stattdessen von einem gestiegenen Unsicherheitsgefühl.
Projektleiter Tim Pfeiffer erläutert, dass die ständige Präsenz von Polizeikräften zu einer paradoxen Reaktion führen kann: Sie suggeriert, dass die Kriminalitätsrate hoch sei oder steige. „Es scheint die Meinung vorzuherrschen: Wo Polizei ist, da passiert auch was“, erklärt Pfeiffer und ergänzt: „Paradoxerweise kann die Wahrnehmung von Polizeipräsenz furchtsteigernd auf die Menschen wirken, selbst wenn sie sich vorher genau diese Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheit gewünscht haben.“
Polizeipräsident Konrad Stelzenbach verteidigt zwar die Präsenz der Polizei als Mittel zur Abschreckung von Kriminalität und zur Stärkung des Rechtsstaates, doch stellen die Erkenntnisse der Studie die traditionelle Rolle der Polizei infrage und legen nahe, dass ihre Methoden und die Art ihrer Präsenz sich keineswegs positiv auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung auswirken.
Quelle: Spiegel