Demenz zählt zu den größten Herausforderungen des Gesundheitssektors. Mit der Überalterung der Gesellschaft droht die Zahl der Betroffenen in den kommenden Jahrzehnten dramatisch zu steigen. Doch ein neues Medikament, das von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zugelassen wurde, weckt Hoffnungen, den Verlauf der Krankheit nachhaltig aufzuhalten.
Aktuell leben in Österreich etwa 100.000 Menschen mit Demenz. Prognosen zufolge könnte diese Zahl bis 2050 auf 250.000 ansteigen – ein Anstieg von 150 Prozent. Hauptgrund dafür ist die Alterung der Babyboomer-Generation, die bis 2050 überwiegend 80 Jahre und älter sein wird. Diese Altersgruppe ist besonders stark von Demenz betroffen.
„Die Entwicklung ist unaufhaltsam“, warnt Christian Bancher, Leiter der Neurologie am Landesklinikum Horn-Allentsteig. Bereits heute belastet die Krankheit nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige und das Gesundheitssystem stark.
Das neue Medikament setzt auf den Einsatz monoklonaler Antikörper, die das Gehirn von schädlichen Amyloid-Ablagerungen reinigen sollen. Diese Ablagerungen gelten als Hauptursache für die Alzheimer-Demenz, die häufigste Form der Erkrankung. „Mit den Antikörpern gelingt es, diese Eiweißablagerungen effektiv aus dem Gehirn zu entfernen“, erklärt Bancher.
Die Therapie erfolgt per Injektion, entweder unter die Haut oder direkt in die Vene. Erste Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse: Wird das Amyloid entfernt, verlangsamt sich der Krankheitsverlauf, und die Wirkung hält länger an als bei bisherigen Medikamenten wie den sogenannten Acetylcholinesterase-Hemmern. Letztere konnten den Fortschritt der Krankheit bisher nur um wenige Monate bis maximal zwei Jahre verzögern.
Für Betroffene und Angehörige bedeutet eine Demenzdiagnose oft einen tiefen Einschnitt in ihr Leben. Die ersten Anzeichen zeigen sich oft im Alltag: Das Kurzzeitgedächtnis lässt nach, Gegenstände werden verlegt oder Namen fallen einem nicht mehr ein. „Angehörige bemerken häufig eine Wesensveränderung“, sagt Veronika Antonino vom Demenzservice der Volkshilfe Niederösterreich. Früheren Interessen und Hobbys werde nicht mehr nachgegangen, viele Patienten verhielten sich reizbar oder unsicher.
Die Diagnose erfolgt durch Tests und moderne Bildgebung wie PET- oder MRT-Scans, die geschädigte Hirnareale sichtbar machen. Auch eine Analyse des Liquors, der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit, kann Hinweise auf Demenz liefern.
Doch die Krankheit lässt sich auch vorbeugen, betont Bancher. Ein gesunder Lebensstil in jüngeren Jahren senkt das Risiko erheblich. Unbehandelter Bluthochdruck oder Diabetes in mittlerem Alter erhöhen die Wahrscheinlichkeit, im Alter an Demenz zu erkranken. „Je früher wir solche Risikofaktoren behandeln, desto besser können wir das Risiko reduzieren“, so Bancher.
Die steigende Zahl von Demenzerkrankungen stellt auch das Pflegesystem vor immense Herausforderungen. „Wir sind nicht darauf vorbereitet“, warnt Antonino. Es fehle an Pflegepersonal und geeigneten Betreuungsplätzen. Die Volkshilfe bietet deshalb einmal im Monat kostenlose Beratungen für Angehörige und Betroffene an, um sie bei der Bewältigung des Alltags zu unterstützen.
Das neue Medikament stellt jedenfalls einen wichtigen Fortschritt im Kampf gegen Demenz dar, doch es ist nur ein Teil der Lösung. Prävention, frühzeitige Diagnosen und ein gut ausgebautes Pflegesystem sind ebenso entscheidend.
Quelle: ORF