Ein Polizist in der österreichischen Bundeshauptstadt misshandelt einen wehrlosen Mann mit Pfefferspray und versucht danach, die Tat zu vertuschen. Vor Gericht kommt er mit einer lächerlichen Geldstrafe davon.
Wien. Im März kam es zu der Schlagzeile, dass ein Polizist in Wien einen am Boden liegenden Obdachlosen gequält habe – unter anderem kam Pfefferspray zur Anwendung. Der besagte Polizist und seine Kollegen kamen zum Einsatz, um die Coronaschutzmaßnahmen bei einer Tagesbetreuungsstätte zu kontrollieren. Das Opfer verhielt sich laut Angaben des Polizisten verdächtig: Man habe den Eindruck gehabt, dass die Person ihr mitgeführtes Sackerl vor der Kontrolle in Sicherheit schaffen wolle, und vermutete darin illegale Drogen, so die Aussage.
Beim Versuch, dies im Rahmen der Amtshandlung zu überprüfen, sei der Obdachlose den Polizisten „nahe“ gekommen, was auch immer das genau heißen soll. Offenbar wurde er nicht tätlich. Daraufhin wurde er von einem Polizisten in einer Weise zur Seite geschoben, dass er auf dem Rücken in einem Blumenbeet landete und mit geschlossenen Augen liegen blieb. Die Reaktion war nicht etwa, der Person auf die Beine zu helfen oder eine Klärung vorzunehmen, dass man ihn nicht verletzten, sondern lediglich das Sackerl kontrollieren wolle, welches übrigens mit Alkoholika gefüllt war. Stattdessen setzte man „Schmerzreize“, um den Mann zum Aufstehen zu bewegen. Nachdem dies nichts gebracht hat, habe es nach eigener Aussage bei dem Polizisten „komplett ausg’setzt“. Er zog sich Handschuhe an und behandelte den hilflos am Boden liegenden Obdachlosen mit Pfefferspray im Gesicht. Der Polizist begründet sein hartes Vorgehen damit, dass er aufgrund der Corona-Pandemie viele Überstunden leisten musste. Außerdem sei er belastet gewesen, da ihm seine Ex-Frau wohl aus Angst vor CoViD-19 das Besuchsrecht für die gemeinsamen Kinder gestrichen hatte.
So viel Empathie man dafür aufbringen möchte, kann dies derartige Handlungen selbstverständlich nicht legitimieren. Und auch die vom Richter verhängte Geldstrafe von 1.500 Euro erscheint kaum als ein angemessenes Signal. Man kann als Verkäuferin oder Verkäufer im Handel oder als Krankenpflegerin und ‑pfleger auch nicht anfangen, Kunden oder Patientinnen schlecht zu behandeln oder gar Gewalt anzuwenden, sie ohne Grund mit Medikamenten ruhigstellen oder Ähnliches. Das hätte wahrscheinlich härtere Konsequenzen, z.B. auch den Verlust der Anstellung, neben juristischen Folgen.
Dass das Opfer nicht auffindbar gewesen sei, ist in einem solchen Prozess ebenso wenig verwunderlich, wie der Fakt, dass die Kolleginnen und Kollegen zugunsten des Beamten aussagen. Zu der Verhandlung kam es ohnehin nur aufgrund der Anzeige durch einen Mitarbeiter der Tagesbetreuung. Zuerst behauptete der später so reumütige Täter, er habe das Opfer lediglich mit Desinfektionsmittel eingerieben. Dass sein Pfefferspray, der im Rahmen der Beweissicherung sichergestellt wurde, benutzt war, hat der Angeklagte damit legitimiert, dass er bei der Verfolgung eines Drogendealers gestolpert sei und er dann unter die Abdeckung der Schutzkappe gekommen sei. Das sanfte Urteil und der Glaube des Richters an die Reumütigkeit und Aufrichtigkeit des Polizisten haben somit einen fahlen Beigeschmack. Ob der Vorfall disziplinarrechtliche Folgen mit sich bringt, ist noch offen. Der Polizist war, nachdem der Fall bekannt wurde, vorläufig suspendiert worden.
Quelle: ORF